Ich stehe heute sehr früh auf, weil ich sowieso nicht mehr schlafen kann, und verbringe die Zeit vor dem Frühstück auf der Brücke. Wir fahren weiter nach Norden und haben das erste leichte Packeis erreicht und schlängeln uns durch, wobei wir dabei auch die eine oder andere Eisscholle aus dem Weg räumen und dabei das Schiff jedes Mal erzittert. Aber dafür ist es ja gebaut. Wir haben leichten Schneefall und der Himmel ist grau, aber wir haben wenigstens ein wenig Sicht. Zuerst finden wir eine Mützenrobbe, die auf einer Eisscholle sitzt und sich leider viel zu früh ins Wasser verabschiedet.
Eine Bartrobbe sehen wir noch und auch vereinzelt Vögel an uns vorbeiziehen. Während des Mittagessens wird eine weitere Mützenrobbe gesichtet, die normalerweise recht selten zu sehen ist, sagt man uns. Dieses Mal kommen wir ein wenig näher heran, bevor sie die Flucht ergreift. Nach dem Mittag fahren wir weiter durch die See und versuchen, einen Weg zum festen Packeis zu finden. Dabei durchstoßen wir größere Eisschollen, die das Schiff durchbrechen muss, was mit dem ursprünglich geplanten Schiff nicht zu machen gewesen wäre.
Dann treffen wir auf festes Packeis und sehen auch gleich unseren ersten Eisbären, der sich aber in großer Distanz befindet. Wir versuchen, um das Eis herumzufahren, um näher heranzukommen, aber es geht nicht, und so fahren wir mit dem Bug aufs Eis und stellen das Schiff still. Der Bär ist recht klein durch das lange Objektiv zu sehen und scheint an einem Luftloch auf der Jagd zu sein. Wir warten.
Nach etwas mehr als einer Stunde bewegt sich der Eisbär und kommt näher, lässt uns aber links liegen und sucht dann das Weite. Unsere erste Begegnung mit einem Eisbären auf dem Packeis. Sehr beeindruckend. Wenig später verabschieden auch wir uns und machen uns wieder auf die Suche. Zu unserer Freude hört der Schneefall auf und es klart auf, so dass es klare Sicht und gutes Licht gibt.
Wir fahren weiter östlich am Packeis entlang und nach dem Abendessen muss unser Schiff erstmalig zeigen, was es kann. Wir sind im festen Packeis und müssen eine Eisdecke von sicherlich mehr als einem halben Meter brechen. Dabei kommen wir zum ersten Mal zum Stillstand, das Eis ist so stark. So setzen wir zurück und holen Schwung für den nächsten Schub, der uns wieder weiter durchs Eis bringt. Wir brauchen dreimal, bis wir wieder in einen Bereich mit dünnerem Eis kommen. Was für eine Erfahrung, sich auf einem Eisbrecher zu befinden.
Dann meldet sich unser Ausguck und meldet zwei Eisbären aus verschiedenen Richtungen. Wir stoppen das Schiff an der Eiskante und warten ab. Der zweite Bär, welcher weiter entfernt ist, läuft in unsere Richtung, so schaue ich auf den ersten Bären, der recht neugierig zu sein scheint, weil er ebenfalls in unsere Richtung marschiert. Es kommt immer näher, wälzt sich zwischendurch im Schnee, gähnt und nimmt Witterung aus unserer Richtung auf. Dann wird es richtig aufregend. Er scheint sehr neugierig zu sein, denn er kommt direkt ans Schiff und steht nur wenige Meter unter uns, während wir alle an der Bordwand stehen und keinen Ton mehr sagen können.
Dann ist auch der zweite Bär, der sich aus der anderen Richtung genähert hat, da. Die beiden Tiere schauen sich an und fixieren sich aus einiger Distanz, bis der zweite Bär wohl erkennt, dass er der Schwächere ist, und abdreht. Der Neugierige bleibt und schleicht um das Schiff herum, dann verliert auch er das Interesse und macht sich von dannen. Wir sind alle aus dem Häuschen nach dieser unglaublichen Begegnung, aber sie geht noch weiter. Der Bär dreht nochmals um und läuft in geringer Distanz an uns vorbei zum offenen Wasser. Taucht ins Wasser ein und schwimmt davon. Es ist unglaublich, ich bin voll Adrenalin und es ist an Schlaf nicht zu denken, obwohl es bereits 23:00 Uhr ist, aber keiner hat es gemerkt, denn es ist natürlich immer noch taghell.