Ich bin mal wieder direkt nach der Arbeit aufgebrochen. Dieses Mal hatte ich aber doch schon am Abend davor meine Klamotten raus gelegt, die ich dann nur noch in den Rucksack gepackt habe, und ich habe auch viel Zeit eingeplant, um nicht in Stress zu kommen. Bei der Bahn weiß man ja nie. Und so war es auch heute. Der Zug, welcher vor meinem Zug hätte fahren sollen, ist ausgefallen und deshalb war der ICE, mit dem ich unterwegs war, brechend voll, aber pünktlich, was mich überraschte. So war ich bereits drei Stunden vor Abflug in Frankfurt. Dort war alles entspannt ohne irgendwelche Schlangen, weder vor dem Check-in noch vor der Sicherheit. So sitze ich schon zwei Stunden vor dem Einsteigen am Flugsteig und warte. Es ist OK, es lief alles ohne Stress, aber die Zeit, die man für gewisse Strecken braucht, ist heutzutage einfach nicht mehr kalkulierbar.
Nach einem ziemlich langen und unruhigen Flug, bei dem ich wenig Schlaf hatte, bin ich in Buenos Aires gelandet und somit wieder in Südamerika. Habe auf diesem Flug sogar wieder einmal eine nette Unterhaltung mit meiner Sitznachbarin Carolina. Sie ist auf dem Weg nach Bariloche und muss ebenfalls in Buenos Aires umsteigen. Deshalb treffen wir uns nach der Einreise wieder am Gepäckband, holen unser Gepäck und gehen gemeinsam zum Terminal für Inlandsflüge, um dort zu unseren Anschlussflügen einzuchecken. Nachdem wir das Gepäck also wieder losgeworden sind gehen wir gemeinsam in ein Café, wo wir zusammen frühstücken und uns dabei nett unterhalten, so dass uns die Wartezeit gar nicht so lang vorkommt. Wir verabschieden uns kurz und ich gehe durch die Sicherheit zu meinem Flug. Ihr Flug ist erst etwas später dran.
So geht es für mich auf die letzte Etappe nach Ushuaia. Meine Müdigkeit hält sich in Grenzen, bin aber trotzdem froh, wenn ich heute Abend ankomme. Ich sitze am Fenster und schaue raus. Es ist schon ein sehr trocknes Land unter uns. Es gibt erst wieder mehr Vegetation als wir uns den Anden nähern und in El Calafate zwischenlanden. Der Mt. Fitzroy ist gut zu sehen und natürlich auch der riesige Lago Argentino.
Als wir wieder starten ist es nur noch eine gute Stunde bis Ushuaia. Nach der Landung kann ich es kaum glauben, dass ich wieder in der Stadt am „Ende der Welt“ bin. Ich kenne mich gleich wieder aus, nehme ein Taxi und lasse mich zum Hotel fahren. Nach dem Einchecken gehe ich gleich über die Straße zum Geldwechsler und laufe dann anschließend noch ein wenig umher. Ich kläre auch gleich wie ich morgen in den Nationalpark komme, da ich dort wandern will. Dann öffnet endlich das Restaurant, welches ich mir zum Essen ausgesucht hatte. Ich genieße mein Steak, verlasse aber gleich nach dem Essen das Restaurant und gehe ins Hotel zurück, um mich nach einem langen Tag hinzulegen.
Habe mehr als elf Stunden geschlafen und bin immer noch nicht wirklich fit. Aber egal, erst einmal frühstücken, und dann geht es raus an die frische Luft. Mit dem Bus fahre ich in den Nationalpark Terra del Fuego, steige aus und beginne meine Wanderung entlang der Küste. Es ist derselbe Weg, den ich bei meinem letzten Besuch nur ein kurzes Stück gehen konnte, weil ich keine Zeit hatte. So marschiere ich am südlichsten Postamt der Welt los und merke gleich, dass ich heute für den Weg deutlich länger brauchen werde als normal. Aber macht nichts ich habe den ganzen Tag Zeit, und es sind nur rund zehn Kilometer. So genieße ich ausgiebig die zahlreichen Ausblicke auf den Beagle Kanal und die dahinter liegenden Berge des David Gebirgszugs. Zwischendurch setze ich mich auch zwei Mal ans Ufer und genieße einfach meine Zeit. Es ist eine sehr schöne, naturbelassene und wilde Landschaft, deren Eindruck auch durch den relativ starken Wind unterstrichen wird. Leider ist der Weg nach dem gestrigen Regen recht matschig, aber dafür ist es heute heiter und die Sonne kommt hin und wieder zwischen den Wolken zum Vorschein. Am Nachmittag erreiche ich schließlich das Besucherzentrum und trinke erst einmal etwas bevor ich noch einen Abstecher zum Largo Acigami mache. Dort setze mich am Strand auf eine Bank und schaue eine ganze Zeit lang auf den See hinaus. Der Wind bläst mir kräftig ins Gesicht, und ich bin zu müde um noch am See entlang zu gehen. So belasse ich es dabei und gehe zum Besucherzentrum zurück, wo ich bei einem Kaffee auf den Bus zurück nach Ushuaia warte.
In der Stadt gehe ich noch essen und lege mich auch heute früh aufs Ohr, denn morgen soll die große Reise wirklich beginnen.
Die Sonne scheint als ich aufstehe, im Gegensatz zum frühen Morgen, als es wie aus Eimern geregnet hat. Nach dem Frühstück bringe ich mein Gepäck zur Gepäckannahme in ein Gebäude außerhalb des Hafens, und bin gleich darauf wieder im Hotel zurück, denn an Bord der Plancius gehen wir erst heute Nachmittag. So vertrödele ich den heutigen Tag noch ein wenig, checke so spät wie möglich aus dem Hotel aus und schlendere durch die Stadt, dabei treffe ich am Hafen auf Andrew, mit dem ich das Taxi vom Flughafen in die Stadt geteilt hatte. Wir beschließen, zusammen in ein Café zu gehen und unterhalten uns. Anschließend machen wir uns auf den Weg zum Pier und zeigen unseren Boarding Pass. So können wir den Pier betreten und warten dort darauf, an Bord unseres Schiffes gehen zu können. Dabei lerne ich Beate kennen, die sich wundert, dass es keine Passkontrolle gegeben hat. Ich kann es mir auch nicht erklären, kümmere mich aber auch nicht weiter darum.
Dann ist die Gangway freigegeben und wir gehen an Bord der Plancius. Die Plancius wurde als Forschungsschiff Mitte der Siebziger Jahre gebaut, und vor rund 15 Jahren zu einem Passagierschiff umgebaut. Sie hat rund 3.000 Tonnen, ist knapp 90 Meter lang, besitzt die höchste Eisklasse und bietet ca. 110 Passagieren und 47 Besatzungsmitgliedern Platz — und wird für die nächsten drei Wochen meine Heimat sein.
Wir werden von der Crew begrüßt und zu den Kabinen begleitet. Die Gänge sind erst einmal sehr verwirrend. Meine Kabine teile ich mit Steffen aus Holland, Balazs aus Ungarn und Guy aus Frankreich, der kein Wort Englisch spricht. Es ist ziemlich eng für vier Leute, aber wir richten uns gleich mal ein um etwas Platz zu schaffen. Es gibt genügend Schubladen und Schränke, so dass wir unsere Rucksäcke und Koffer unter dem Schreibtisch „verstecken“ können.
Das Erste was es für alle zu tun gibt ist natürlich die Seenotübung. So ertönt der Alarm und alle sind aufgefordert in die Kabine zu gehen, eine warme Jacke und eine Mütze anzuziehen, die Rettungsweste anzulegen und sich in der Lounge zu sammeln. Dort werden wir auf die beiden Rettungsboote aufgeteilt und begeben uns im Anschluss auch dort hin. Wir müssen aber nicht, wie bei meiner letzten Reise, tatsächlich in die Boote steigen. Dann ist alles vorüber und wir können die Westen ablegen und wieder in der Kabine verstauen.
Noch vor dem Abendessen stellt sich unser erfahrener Kapitän aus Russland, Evgeny Levakov vor. Er fährt bereits 25 seiner 35 Jahre auf See in den Polarregionen, und ich denke, wir werden von ihm sicher durchs Eis manövriert. Ali Liddle, unsere Expeditionsleiterin ist Britin und hat über 15 Jahre auf den Falklandinseln und in Südgeorgien gelebt. Sie ist somit in dieser Region der Welt extrem erfahren und wird zusammen mit ihren acht Expeditions-Guides für die Landungen verantwortlich sein und uns sicherlich mit ihrem Expertenwissen bereichern.
Während des Abendessens heißt es dann: „Leinen los!“ Und mit etwas Verspätung beginnt unsere große Reise. Das Schiff gleitet in den Beagle-Kanal hinaus und nimmt Fahrt auf. Gleich nach dem Abendessen stehe ich zusammen mit Beate und vielen anderen an Deck und schaue auf die sich entfernende Stadt.
Aber irgendwie stellt sich bei mir gerade überhaupt nicht das Gefühl ein, nun auf große Fahrt zu gehen. Es verwundert mich ein bisschen. Aber ich genieße die Fahrt durch den Beagle-Kanal, obwohl es auf Grund des verzögerten Auslaufens bereits dämmert, und nur noch wenig zu sehen ist.
Den Abend lassen wir wenig später in der Bar ausklingen und ziehen uns noch vor dem Erreichen der offenen See in die Koje zurück.
Unser erster Tag auf See beginnt für mich mit einer schlecht geschlafen Nacht. Ich fühle mich nicht ganz so fit, trotz einem Pflaster gegen Seekrankheit hinter dem Ohr. Die See hält nur Dünung bereit, denn der Wind ist mit 15 Konten eher schwach für diese Region.
Den Tag über gibt es hauptsächlich organisatorische Dinge zu erledigen. So findet ein entsprechend notwendiges Zodiac-Briefing statt, in dem einem ein Überblick über den Ablauf der Fahrten mit den Zodiacs vermittelt wird. Anschließend hält Ali noch einen Vortrag über unser nächstes Ziel, die Falklandinseln, und gibt dabei einen sehr guten Einblick in die Geschichte und das Leben auf den Inseln, die mit ihren 12.000 km² gar nicht so klein sind wie man denkt. Zudem werden die Gummistiefel ausgegeben, in denen wir uns in den nächsten Wochen außerhalb des Schiffes bewegen werden.
Zwischen den entsprechenden Terminen halte ich mich zumeist auf der Brücke und an Deck auf. Unser Schiff wird von zahlreichen Seevögeln begleitet, die man natürlich wunderbar beobachten und fotografieren kann. Dabei sind natürlich die Albatrosse die Stars am Himmel und man fragt sich, wie sie es schaffen, ohne einen Flügelschlag stundenlang – was sage ich – wochenlang in der Luft zu bleiben. Immer wieder faszinierend.
Diese Nacht habe ich besser geschlafen als in der Letzten. Ich stehe gleich nach dem Weckruf auf und gehe an Deck, da wir die Falkland-Inseln bereits erreicht haben und gerade den Wooly Gut befahren, eine schmale Meerenge zwischen grüner Hügellandschaft, die uns auf den Falkland-Inseln willkommen heißt. Von Bord aus sind sehr viele Albatrosse und andere Seevögel um das Schiff herum zu sehen, die unaufhaltsam ihre Kreise ziehen. Nach dem Frühstück ankern wir in einer Bucht vor der Insel Carcass. Es steht unsere erste Landung bevor. Dabei steht zur Wahl eine kleine Wanderung an der Küste entlang zu machen, oder sich direkt an den Landungssteg der Farm fahren zu lassen. Ich bin faul und lasse mich mit rund einem Dutzend anderer direkt dorthin fahren, während sich die meisten für die Wanderung entscheiden.
Nachdem wir an Land sind gehen wir zum Farmhaus, wo wir mit Kaffee und einem Tisch voller Kuchen und Keksen empfangen werden. Ich verzichte vorerst darauf und gehe noch ein wenig an der Bucht entlang. Dann entdecke ich auf einer Wiese die Bruthöhlen von Magellan-Pinguinen. Es sind nicht viele Tiere, aber da ich alleine bin kann ich diese gut beobachten, indem ich mich einfach eine Weile im gebotenen Abstand dazu setze.
Ich steige hinunter zum Wasser und gehe von dort an der Wasserlinie wieder zum Farmhaus zurück. Dabei kann ich viele Vögel der Falklandinseln sehen, darunter einen Truthahngeier, einen Falkland-Karakara, Subantarktische Raubmöwen, Austernfischer, Magellangänse und Schopfenten. Die Sonne scheint, es ist recht warm, und an windgeschützter Stelle zieh ich die Jacke aus und lege mich zusammen mit den anderen ins Gras, um den Blick auf die Bucht zu genießen.
Als die ersten Wanderer eintreffen gehe ich auch ins Haus hinein, um noch einen Kaffee zu trinken und einen kleinen Kuchen zu essen. Dann werden wir auch schon wieder zurück aufs Schiff gebracht, wo es Mittagessen gibt. Währenddessen lichtet der Kapitän den Anker und wir fahren zur nächsten Landungsstelle.
Gleich nach dem Essen erreichen wir Westpoint Island, ankern in der Bucht und haben nach der Landung einen kleinen Fußmarsch über die Insel vor uns. Auf der anderen Seite der Insel befindet sich eine Kolonie von Felsenpinguinen, zwischen denen zahlreiche Schwarzbrauen-Albatrosse nisten. Ihre Küken, in graue, weiche Daunen gekleidet, sitzen in den Nestern und warten. Wir stehen zwischen hohem Tussockgras und können das Zusammenspiel zwischen den Albatrossen und den Pinguinen aus nächster Nähe beobachten. Besonders spannend sind die Anflugversuche der Albatrosse, die mit angewinkelten Flügeln versuchen, den Auftrieb zu reduzieren um zu landen. Zur weiteren Hilfe werden der Schwanz und die Schwimmfüße als Bremsklappen senkrecht in die Luft gestreckt und krampfhaft versucht den Landepunkt zu erreichen, was meistens nicht erfolgreich ist und somit zu einer weiteren Runde mit erneutem Landeanflug zwingt. Wenn es dann doch klappt wird dies auch mit lautem Geschrei entsprechend verkündet.
Es sind Dutzende von Vögeln in der Luft. Sie fliegen des Öfteren nur wenige Meter über unsere Köpfe hinweg. Man weiß zeitweise gar, nicht wohin man zuerst schauen soll, so viel ist hier in der Luft und am Boden los. Die Felsenpinguine führen ihr eigenes Leben und sind mit ihrem Nachwuchs beschäftigt. Durch ihren Schopf mit den gelben Streifen auf dem Kopf, den roten Augen und den scharfen Zähnen sehen sie gar nicht so niedlich aus, wie man sich das von Pinguinen vorstellt, sondern eher wie ein recht aggressiver Punker auf Drogen. Jedenfalls ist das Verhalten der Tiere und deren Interaktion sehr spannend, und die mehr als zwei Stunden an diesem Ort sind viel zu schnell vergangen.
Wir gehen zum Schiff zurück, wo gleich darauf das Abendessen serviert wird. Für die Plancius geht es über Nacht um die Falkland Inseln herum nach Stanley, und ich lege mich nach einem ereignisreichen Tag recht früh in die Koje.
Kurz nach dem Wecken laufen wir auch schon in den Hafen von Stanley, der Hauptstadt der Falkland Inseln ein. Nachdem wir dort Anker geworfen haben und das Boot der Zollbehörde nach der Schiffsinspektion wieder abgelegt hat, können wir mit den Zodiacs an den Landungssteg rüberfahren. Das erste und einzige Mal ohne Gummistiefel! Gleich am Landungssteg liegt das Besucherzentrum mit Souvenir Laden, vor dem – ganz klassisch – eine rote britische Telefonzelle steht. Viele von uns schreiben natürlich gleich Postkarten und schicken sie in die Heimat.
Am Vormittag haben wir Zeit für Stanley, und ich schlenderte mit Beate die Hauptstraße an der Küste entlang. Stanley ist nicht sehr groß, es leben nur rund 2.000 Menschen hier. Aber gleich der erste Eindruck vermittelt, dass es hier wohl noch ein bisschen britischer zugeht als in Britannien. Vor allem die Architektur der Häuser zeigt dies, und zudem bekommt man schnell den Eindruck als seien alle Fahrzeuge auf der Insel Land Rover. Tatsächlich gibt es hier die höchste Land Rover Dichte pro Einwohner auf der ganzen Welt.
Als wir weitergehen kommen wir am Gasthaus und der Schnapsbrennerei vorbei, bevor wir die Christ Church Cathedral erreichen, die wir auch von innen besichtigen. Beeindruckend ist auch der Walknochen-Bogen davor, der als Skulptur an die vergangenen Tage der Insel erinnert. Anschließend gehen wir am Falkland-Island-Museum vorbei, gehen aber nicht hinein. Wir passieren das Kriegsdenkmal am Thatcher Drive, erreichen das Haus des Gouverneurs mit seinem herrlich gepflegten Garten, und drehen dann am Schiffswrack wieder um und gehen zurück.
Da wir noch Zeit haben gehen wir in ein typisch englisches Café und genießen eine heiße Schokolade mit einem Blick auf die Bucht. Zu unserer Überraschung taucht auch Ali, unsere Expeditionsleiterin in diesem Café auf und nutzt die kurze Gelegenheit Freunde zu treffen, da sie als Lehrerin 15 Jahre auf den Inseln gelebt hat. Dann heißt es auch schon wieder Abschied nehmen und zurück an Bord zu gehen.
Kaum zurück an Bord gibt es bereits schon wieder zu Essen, während der Kapitän den Anker lichtet und die Plancius aus der herrlich gelegenen natürlichen Hafenbucht hinaus steuert und auf See schickt.
Gleich nach dem Essen gehe ich auf die Brücke und verbringe den Nachmittag weitestgehend auf der Nock, die bei der Plancius offen ist, so dass der Wind einem um die Nase weht. Wir verlassen nun die Falkland Inseln und begeben uns auf den längsten Abschnitt unserer Reise, auf dem wir vom Südatlantik über die antarktische Konvergenz ins Südpolarmeer wechseln. In 2 ½ Tagen werden wir dann unser Ziel Südgeorgien erreichen.
Als wir die Falklands verlassen liegt an Steuerbordseite die Halbinsel von Cape Pembroke mit seinem Leuchtturm, dem man das raue Wetter bereits aus der Ferne ansieht. Darüber befindet sich gerade eine militärische Transportmaschine der Royal Air Force im Landeanflug, mit der angeblich auch Zivilisten von Großbritannien aus auf die Falklands fliegen können.
In Gruppen schwimmen auf dem Wasser eine große Anzahl von Kormoranen und Sturmvögeln, und als gleich drauf drei Peale-Delfine für ein paar Minuten bei uns vorbeischauen und nebeneinander herschwimmen ist die Freude groß. Sie gleiten elegant und mit einer unglaublichen Leichtigkeit durchs Wasser. Es ist herrlich zuzusehen.
Nicole, eine unserer Expedition-Guides steht schon die ganze Zeit mit dem Fernglas in der Hand neben uns und ist wenig später plötzlich ganz begeistert. Sie hat in der Ferne Seiwale an deren Rückenflosse erkannt. Da man diese Tiere auf Grund ihrer geringen Bestände nur selten zu Gesicht bekommt ändert unser Kapitän den Kurs und drosselt die Fahrt. Nach einer Durchsage über die Lautsprecheranlage befinden sich fast alle Passagiere an Deck. Die Tiere bewegen sich quer zu unserem Kurs und passieren vor dem Bug unser Schiff. Es sind unsere ersten Wale, die wir auf dieser Reise sehen, und dann auch noch welche, die so selten gesehen werden. Was für ein Erlebnis und was für ein Auftakt. Jetzt will ich in den nächsten Tagen mehr Wale sehen.
Am Nachmittag hält unser stellvertretender Expeditionsleiter Michael einen Vortrag über seinen militärischen Einsatz im Falklandkrieg, dabei kann er spannend vermitteln, wie sich sein persönlicher Einsatz im Bereich Nachschub und Logistik während der Kriegstage gestaltet hat.
Auf dem Weg nach Südgeorgien ist heute unser erster von zwei Tagen auf See. Wir haben nur 25-30 Knoten Wind, aber die Dünung bewegt das Schiff doch recht stark. Am Vormittag ist unsere Hauptaufgabe, die Biosicherheit unserer Ausrüstung herzustellen. Sprich wir müssen dazu penibel unsere Jacken, Hosen, Rucksäcke und vor allem Stiefel von jedwedem Samen und Schmutz befreien. Erhöhte Aufmerksamkeit wird dabei den Klettverschlüssen und den Ritzen in den Stiefeln geschenkt. Mit Staubsaugern, Nadeln und Pinzetten bewaffnet rücken wir jedem noch so kleinen Fussel auf den Leib. Dies ist anstrengend, aber auch notwendig, da in der Vergangenheit bereits viel auf die Insel eingeschleppt wurde, was die natürliche Vegetation und damit das Ökosystem schädigt. Allein das Ausrotten der eingeschleppten Ratten hat zig Millionen EUR gekostet und fast ein Jahrzehnt an Zeit benötigt.
Über den Tag hören wir noch einen Vortrag über South Georgia und wie Ali nach ihrer Hochzeit neun Monate auf Südgeorgien gelebt und überlebt hat. Ich denke dabei nur, was sie für eine taffe Frau ist.
Den Rest des Tages gibt es nicht viel zu tun, denn das Wetter ist regnerisch und neblig und von Deck aus gibt es heute nichts Spannendes zu sehen.
Auch heute verbringen wir den ganzen Tag auf See. Der Wind hat etwas aufgefrischt, erreicht mit 35 Knoten Windstärke 7-8 und wir haben raue See mit Wellen zwischen drei bis fünf Metern. Die Plancius rollt und stampft in einem erträglichen Rhythmus und läuft weiterhin Südgeorgien entgegen. Am Vormittag sind von Deck wieder zahlreiche Seevögel zu sehen.
Nach dem Mittagessen lege ich mich ein wenig hin, bis die Durchsage über die Lautsprecheranlage kommt, dass Wale voraus sind. Ich springe sofort aus der Koje, ziehe mir schnell meine Stiefel an, schnappe die Kamera, nehme die Jacke vom Haken und haste an Deck. Unglaublich! Wir bewegen uns mitten in einer Gruppe von Buckel- und Finnwalen, die sich neben und vor dem Schiff befinden. Unsere Expeditions-Guides schätzen die Gruppe auf sicherlich zwanzig Tiere. Ich bin ganz aus dem Häuschen, auch wenn sich die Wale nach gut zehn Minuten wieder in den Weiten des Ozeans verlieren, denn ich hatte bisher noch nie so viele Wale auf einmal zu Gesicht bekommen. Auch unser abgeklärter Kapitän hat sich zu einer Gefühlsregung hinreißen lassen, was mir zeig, dass dieses Ereignis gar nicht so gewöhnlich war.
Ich bleibe an Deck und verzichte auf einen weiteren Vortrag in der Lounge. Wir passieren die Shag Rock, eine sehr kleine, sehr schroffe Inselgruppe, die im Nebel aus der Ferne wie Segel von Schiffen aussehen.
Plötzlich werden vor unserem Bug Orcas gesichtet. Die Plancius ist von Killerwalen umgeben! Killerwale sind das größte Mitglied der Delfinfamilie und spielen manchmal am Bug von Schiffen. Es sind sicherlich um die zwanzig Orcas um das Schiff herum zu sehen, und sie wechseln auch immer wieder von der einen Seite zur anderen. Als ob dieses Spektakel nicht schon erstaunlich genug wäre, schließen sich dem Spiel auch noch ein halbes Dutzend Finnwale an. Es ist ein unglaubliches Schauspiel. Überall sind Orcas zu sehen, und auf beiden Seiten des Schiffs begleiten uns dazu noch eine Gruppe von Finnwalen. Man weiß gar nicht, mehr wo man hinschauen soll und ist total überwältigt. Die Wale begleiten uns für fast eine dreiviertel Stunde, und als sie dann schließlich wieder abtauchen, ist es einfach immer noch nicht lange genug. Es war ein unbeschreibliches Erlebnis, so viele Wale um das Schiff herum zu sehen, in seiner Art und Dauer einzigartig und ein ganz besonderer Höhepunkt dieser Reise.
Am Abend habe ich dann den gar nicht langweiligen Tag auf See in der Bar ausklingen lassen um einfach nochmals diese überragenden Momente auf mich wirken zu lassen.
Wir haben Südgeorgien erreicht und können am Morgen die Küste sehen. Es herrscht jedoch noch Hochnebel, und wir hoffen, dass sich dieser bald auflöst. Ich stehe auf der Brücke als wir in die Bucht der Salisbury Plain hineinfahren und bekomme die Diskussion über die Möglichkeit einer Landung zwischen Ali und dem Kapitän mit. Die Dünung ist leider selbst in der Bucht viel zu hoch für eine Landung. So können wir uns nur auf eine Zodiac Fahrt begeben. Ich schlüpfe wieder in meine Klamotten, lege die Schwimmweste an und darf in der ersten Gruppe an der Zodiac-Fahrt teilnehmen.
Auf der weitläufigen Fläche nisten 70.000 Königspinguinpaare, dazwischen sind aus der Entfernung unzählige Seebären und Vögel zu sehen. Es ist echt schade, dass wir nicht anlanden können. Im Wasser treiben viele Königspinguine, an die wir vorsichtig heranfahren. Im Hintergrund glitzert das Eis des Lucas- und des Grace Gletschers, und als sich die Sonne ein wenig zeigt kommt die Wasserfarbe erst richtig zur Geltung, während die ganze Landschaft zu leuchten beginnt. Wir fahren langsam am Strand auf und ab und schauen auf die Gruppen von Pinguinen, die im Wasser treiben und jungen Seebären, die in den sich brechenden Wellen spielen. Als wir nach rund zwei Stunden wieder an die Gangway heranfahren wollen frischt der Wind auf und wir werden von der Gischt ein wenig nass, so dass man nochmals daran erinnert wird das eine Landung wirklich nicht möglich war.
Nach dem Mittagessen kommen wir aber tatsächlich doch in den Genuss unserer ersten Landung auf Südgeorgien. Wir sind weiter in die Fortuna Bay gefahren. Schon bei der Einfahrt in die Bucht begrüßen uns Seebären, die sich im türkisfarbenen Wasser zeigen. Diese Bucht ist tief ins Land eingeschnitten, so dass wir die Hoffnung haben, dass die Brandung nicht so hoch ist.
Trotzdem ist es nötig, eine Hecklandung durchzuführen, bei der die Zodiacs bei der Ankunft am Strand gedreht werden, um zu vermeiden, dass die Brandungswellen in die Zodiacs brechen. Wir hören auf die Kommandos von Ali, um zwischen den Brandungswellen im richtigen Moment schnell aus dem Zodiac auszusteigen.
An Land gibt es noch die wichtigsten Verhaltensregeln, danach legen wir die Rettungswesten in einen der vorbereiteten Säcke und sind schließlich bereit um auf Entdeckung zu gehen.
Wir befinden uns hier sogleich inmitten eines Haufens von Seebären und Königspinguinen. Einige der Seebären-Babys versuchen ständig, uns zu verscheuchen. Ein wenig weiter hinten liegen See-Elefanten im Gras und dösen vor sich hin. Es ist ein besonderes Erlebnis den Tieren des fernen Südens so nahe zu sein. Man weiß gar nicht, wohin man sich zuerst wenden soll. Zu den Pinguinen, die in großen Gruppen am Strand und im Wasser unterwegs sind, oder den vielen Seebären mit ihren Jungen, die sich über die weitläufigen Grasflächen ausbreiten. Oder soll man sich doch zuerst Zeit für die See-Elefanten nehmen?
An jeder Landungsstellen markiert ein Guide mit roten Stangen einen Weg durch das Gelände, dem wir folgen können. Deshalb halte ich mich nicht lange am Strand auf, sondern gehe über die Grasflächen voller Seebären-Jungen weiter ins Tal hinein. Immer darauf achtend, ausreichend Abstand zu den Tieren zu halten, was teilweise nicht einfach ist. Die meisten liegen herum und schlafen in der Sonne. Es sind aber auch Jungtiere zu sehen, die gerade gesäugt werden, wieder andere spielen miteinander oder schauen einfach nur süß in die Gegend.
Auf dem Weg zur Hauptkolonie gibt es eine weitere interessante Szene zu beobachten: In einem kleinen Bachlauf macht sich gerade ein Riesensturmvogel über den Kadaver eines Seebären her. Diese Vögel räumen als Aasfresser die Kadaver weg und gehören somit in die gleiche Gilde wie die besser als Aasfresser bekannten Geier.
Dann erreiche ich die Hauptkolonie der Königspinguine. Was für ein Anblick! Königspinguine, soweit das Auge reicht, dicht beieinander und alle mit etwas beschäftigt. Ich bleibe eine ganze Zeit lang und beobachte ausgiebig. Es ist einfach die Masse an Tieren, die hier so überwältigend ist, und wofür Südgeorgien auch bekannt ist. Ein Jungtier kommt neugierig näher, bleibt stehen und schaut uns nur mit erhobenem Kopf an. Sie sehen mit ihrem braunen, unansehnlichen Fell ein wenig hässlich aus, und man könnte fast Mitleid bekommen. So stehen Sie einfach nur herum und warten drauf, dass die Mauser endlich vorüber ist.
Dann bewege ich mich wieder langsam zurück zum Strand und beobachte die Königspinguine dort noch eine ganze Zeit lang, bevor uns die Zodiacs wieder zurück zum Schiff bringen.
Nach einer Dusche und dem Abendessen gibt ab es noch ein Feierabendbier in der Lounge. Was für ein wunderbarer erster Tag in Südgeorgien.
Die Plancius erreicht St. Andrews Bay, und nach dem Frühstück machen wir uns gleich für den Landgang fertig. St. Andrews Bay ist wohl der Höhepunkt einer jeden Südgeorgien-Reise, und wir sind sehr erleichtert, als wir hören, dass eine Landung stattfinden kann. Die Anlandung ist glücklicherweise auch nicht so heftig wie gestern. Es schneit leicht, und über den Bergen herrscht Hochnebel. Am Strand müssen wir erst ein Stück des Geländes von Pinguinen befreien, damit wir für uns ein wenig Platz haben. Gleich rechts daneben liegen See-Elefanten und dösen vor sich hin. Sie hätten wir sicherlich nicht verscheuchen können.
Wir folgen der markierten Route bis zu den Seitenmoränen des Gletschers, von denen man die Hauptkolonie der Königspinguine überblicken kann. Dazu überqueren wir den Gletscherfluss des Heaney Gletscher, dessen Wasser uns fast bis zu den Knien reicht und damit bis zum Rand der Gummistiefel. Es ist recht knifflig rüber zu kommen, denn die Steine sind rutschig und im gräulichen Gletscherwasser nicht zu sehen. An beiden Ufern stehen tausende Jungtiere, die ihre Mauser abwarten und zum Nichtstun verdammt sind. Was für ein Anblick!
Als wir den letzten Hang zum Aussichtspunkt hinauflaufen, schwillt der Lärm der Pinguine deutlich an. Wir erreichen den Aussichtspunkt und sind überwältigt. In der Kolonie sind rund 300.000 Königspinguinpaare beheimatet, d.h. mehr als eine halbe Million Pinguine sind zu sehen, die auf einer riesigen Fläche vor dem Buxton und Cook Gletscher brüten. Es ist die größte Kolonie von Königspinguinen weltweit, und ich sitze eine Zeitlang nur recht ungläubig da und betrachte die unglaubliche Anzahl von Tieren.
Auf dem Rückweg zum Strand gilt dann meine Aufmerksamkeit auch den Seebären und See-Elefanten, die auch hier wieder zu sehen waren. Die Anzahl der Tiere ist einfach großartig.
Gegen Mittag sind wieder alle an Bord zurück, und die Plancius nimmt auch gleich Fahrt auf, um unser nächstes Ziel Grytviken anzufahren. Wir erreichen die wunderschön gelegene Cumberland East Bay, in der sich, nochmals um eine Ecke herum, die King Edward Cove befindet die dadurch sehr geschützt liegt. Man erkennt, dass die Walfänger, die mit Grytviken die erste Walfangstation gegründet haben, sich den besten Platz auf der ganzen Insel dafür ausgesucht haben.
Zuerst erhalten wir einen Vortrag über das Britisch Antarctic Survey, welches die historische Stätte verwaltet. Währenddessen werden unsere Einreise-Formalitäten durchgeführt. Dann gilt es die strenge Bio-Sicherheitskontrolle zu bestehen, die von den Inspektoren an unserer Ausrüstung durchgeführt wird. Nach erfolgreich bestandener Inspektion dürfen wir die Zodiacs besteigen, an Land gehen und diesen besonderen Ort entdecken. Es sind die alten Hinterlassenschaften der Walfänger zu sehen, und in den letzten Jahren wurde ein kleines Museum aufgebaut. Die Ausstellungen decken alle Aspekte der Entdeckung der Insel, der Robben- und Walfangindustrie, sowie der Meeres- und Naturgeschichte ab. Gleich dahinter befindet sich das Postamt mit seinem kleinen Souvenirladen, in dem Ali auf ihrer Hochzeitsreise gearbeitet hat. Dort kaufe ich mir natürlich ein T-Shirt und die detaillierten Karten von Südgeorgien und der Antarktischen Halbinsel.
Dann schaue ich mir in einem kleinen Ausstellungsraum den Nachbau der James Caird an. Es ist das rund acht Meter lange Holzboot, mit dem Ernest Shackleton und fünf seiner Männer über 1.400 km nach Südgeorgien segelten, um sich und seine Mannschaft zu retten. Es ist kaum zu glauben, dass die Männer das Südpolarmeer in dieser Nussschale bezwingen konnten.
Beate und ich gehen über das doch recht weitläufige Gelände weiter und besuchen die frisch renovierte Kirche, in der man selbst die Kirchenglocke läuten kann. Am Ufer der Bucht treffen wir wieder auf Seebären und ihre Jungen, die auch hier sehr verspielt sind. Weiter auf dem Weg zum Friedhof gibt es auch wieder Königspinguine und See-Elefanten zu sehen. Auf dem Friedhof besuchen wir das Grab von Ernest Shackleton und verbringen danach noch einige Zeit mit den Seebären und Pinguinen am Strand. Wir gehen zurück zur Landungsstelle, und ich versuche mir vorzustellen wie geschäftig dieser Ort wohl zur damaligen Zeit gewesen sein muss, und wie viele Menschen hier, weit ab von jeglicher Zivilisation, gelebt haben.
Wieder zurück an Bord gibt es heute Abend ein großes BBQ auf dem Achterdeck. Es sind Bierbänke aufgebaut und wir sitzen draußen, genießen die Aussicht und haben lecker Gegrilltes auf dem Teller. Über den Bergen bilden sich bizarre Wolkenformationen, die von der Abendsonne eindrucksvoll angestrahlt werden. Später gibt es noch ein bisschen Musik, zu der allerdings nur ganz wenige Leute tanzen. Die meisten verziehen sich ins Innere nachdem die Sonne untergegangen ist und es frisch wird. Beate und ich ziehen uns dann auch in die Lounge zurück, um den Abend dort ausklingen zu lassen.
Auch heute geht es früh raus. Wir ankern in Godhuth, einer kleine Bucht etwas südlich von Grytviken. Nach dem Frühstück macht sich die erste Gruppe zu einer Zodiac Cruise bereit, meine Gruppe verbleibt an Bord und vertreibt sich die Zeit mit irgendwas. Dann sind auch wir dran und dürfen in die Zodiacs. Wir fahren entlang der Küste zum Ausgang der Bucht und treffen auf die Dünung der offenen See. Es geht in den kleinen Booten mächtig hoch und runter, aber es bleibt alles trocken. Wir genießen das Panorama und entdecken zuerst eine Kolonie Antarktischer Kormorane, darüber kreist ein Rußalbatros. Nur wenig weiter nisten Dominikanermöwen auf dem felsigen Steilhang.
Der Höhepunkt des Ausflugs ist jedoch zweifelsohne die Kolonie der Goldschopf-, oder Makkaroni-Pinguine, die an der Küste, am Rookery Point zwischen der grünen Vegetation am Hang brüten und über eine schräge Felsplatte Zugang zum Meer haben. Bei dem Versuch ins Wasser zu kommen, um für ihre Jungen auf Nahrungssuche zu gehen, können wir ausgiebig zuschauen, wie die Tiere versuchen die hohe Brandung zu überwinden. Dabei können wir immer wieder sehen, wie einzelne Tiere vom Wasser weggespült oder einfach umgerissen werden. Es scheint sie aber nicht weiter zu stören. Es ist für uns sehr unterhaltsam und die Zeit vergeht viel zu schnell.
Wir fahren ein kurzes Stück weiter zu einer vom Wasser ausgespülten Höhle, an deren Ufer wir noch schnell einen kurzen Blick auf einen kleinen, aber recht selten zu sehenden Südgeorgien-Riesenpiper werfen zu können. Dieser bodenbrütende Vogel ist der südlichste Singvogel der Welt, welcher durch eingeschleppte Ratten beinahe ausgerottet wurde. Nachdem Südgeorgien nun rattenfrei ist können sich die Bestände aber wieder erholen.
Danach steuern wir noch um eine Halbinsel herum in die Cobblers Cove, in der vor allem Seebären und See-Elefanten leben. Hier entdecken wir einen sehr seltenen, sogenannten „Blondie“, einen leuzistischen Seebären, der ein schneeweises Fell besitzt und natürlich unsere ganze Aufmerksamkeit besitzt.
Am Nachmittag bleibt die Plancius in der Bucht von Godhuth vor Anker und wir gehen auf der anderen Seite an Land und unternehmen eine Wanderung. Zuerst geht es steil durch Tussockgras zu einer Eselpinguin-Kolonie den Berg hinauf, die sehr schön zwischen grünem Gras liegt. Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie die recht kleinen Tiere mit ihren kurzen Beinen diese Höhenunterschiede und solch lange Strecken zurücklegen.
Nachdem alle das Treiben in der Kolonie ausführlich beobachtet haben gehen wir weiter und an einem kleinen See vorbei. Wir schwenken nach links und erreichen einen weiteren See, der ebenfalls von Eselpinguinen bevölkert ist. Die Sonne scheint vom blauen Himmel, und wenn man den Blick so schweifen lässt könnte man fast annehmen, man befindet sich irgendwo in Europa in den Hochalpen – echt erstaunlich.
Dass wir aber auf Südgeorgien sind erkennen wir gleich, als wir einen kleinen Sattel erreichen und den freien Blick aufs Meer haben. Wir genießen den Ausblick während über uns eine subantarktische Raubmöwe kreist und uns neugierig beobachtet. Auch auf dem Rückweg gehen wir, wie eigentlich die ganze Zeit, über einen weichen Teppich aus Gras und Moos, welches von Wasser durchtränkt ist, und erreichen vor dem Abstieg zum Strand wieder die Pinguin-Kolonie. Es war zwar nur eine kurze Wanderung, aber umso eindrücklicher, hier an einem der abgelegensten Orte der Welt.
Heute werden wir sehr früh geweckt, weil wir das Morgenlicht im Gold Harbour erleben wollen. Schon vor dem Frühstück heißt es sich fertig zu machen für eine Landung. Ich besteige das ersten Zodiac. Schon an der Gangway ist die hohe Dünung beim Einsteigen eine kleine Herausforderung, da sich das Boot mehr als einen Meter in der Höhe bewegt. Wir fahren an den Strand, wo uns drei unserer Guides erwarten, da wir wieder eine Hecklandung machen müssen. Dabei werden wir jedoch von drei sehr großen Brandungswellen überrascht, wovon zwei, trotz Hecklandung, in das Zodiac brechen. Ich werde komplett nass, weil ich mir heute die Regenhose gespart habe, und meine Gummistiefel sind mit Wasser vollgelaufen. Ich bin ein bisschen erschrocken, weil ich nicht damit gerechnet hatte.
Guy rutscht beim Aussteigen aus und fällt ins Wasser, wodurch sich seine Schwimmweste aufbläst, obwohl er gleich wieder auf den Beinen ist. Damit hätten wir auch dies getestet. Ali bricht daraufhin über Funk die Landung der anderen Zodiacs ab, da es bei diesen Bedingungen zu unsicher ist. Ich jedenfalls bin sehr froh mit dem ersten Zodiac unterwegs gewesen zu sein, weil ich damit an Land gekommen bin.
Wir bleiben zwar nur rund zehn Minuten, weil wir nach dem Abbruch gleich wieder zurück an Bord gebracht werden, aber allein diese kurze Zeit ist schön, um die große Anzahl von See-Elefanten zu bewundern, die sich direkt am Strand befinden. Zu unserer Freude gehen gerade zwei mächtige Bullen aufeinander los und bekämpfen sich. Ich würde trotz der widrigen Bedingungen gerne noch länger bleiben, denn diese Bucht hat so viel zu bieten. Jedenfalls ist diese Landung für mich absolut ein Höhepunkt und bringt den Schuss Abenteuer in die Reise.
Nach dem Abbruch unserer morgendlichen Landung und dem anschließenden Frühstück steht eine Zodiac Cruise an der Cooper Bay auf dem Programm. Zum Glück darf ich meine völlig nassen Gummistiefel gegen ein trocknes Paar aus dem Stiefelraum tauschen. Somit bin ich wieder einsatzfähig und besteige das Zodiac. Die Plancius ankert im Cooper Sound, da die Dünung auch in der Cooper Bay zu hoch ist. Wir wollen mit dem Zodiacs in die Cooper Bay fahren, aber die Dünung und der starke Wind verhindern auch dies, so dass wir uns an der Küste des Sounds entlang bewegen und dort die Makkaroni-Pinguin Kolonie beobachten, die an dieser sehr steilen Küste gelegen ist. Die Kolonie zieht sich den ganzen Hang hinauf, um sich vor Raubtieren zu schützen. Vom Wasser aus können wir einen kontinuierlichen Strom von Pinguinen sehen, die den Hang hinauf und hinunter klettern.
Die Kolonie an Land ist hier gar nicht so interessant, aber die im Wasser befindlichen Tiere schwimmen sehr nahe an unserem Zodiac vorbei, und es ist eine große Herausforderung, die schwimmenden Tiere zu fotografieren. Auf einem Felsen spielen Seebären, am Strand liegen See-Elefanten, wir sehen eine Buntfuß-Sturmschwalbe, und im Wasser erspähen wir eine große Anzahl von Riesensturmvögeln, die in Strandnähe einen Pinguin fressen. Etwas weiter nisten Kormorane in den Hängen, und es ist mal wieder wie immer: Man weiß gar nicht wohin man zuerst schauen soll.
Wir essen zu Mittag, während der Kapitän den Anker lichtet und mit sehr kleiner Fahrt in Richtung Drygalskifjord fährt, um uns noch Zeit zu geben fertig zu essen. Das Wetter klart auf und die Sonne kommt zum Vorschein. Ich beeile mich wieder an Deck zu kommen, wo sich gleich die Chance bietet, drei Zügelpinguine auf einen spektakulären Eisberg zu fotografieren. Gleich darauf taucht noch ein Buckelwal auf, der unser Schiff nur mit geringem Abstand passiert und dessen Haut in der Sonne glänzt. Außerdem sehen wir um das Schiff herum noch zahlreiche Pinguine, die zurück zu ihrer Kolonie schwimmen.
Gleich danach fahren wir bei strahlendem Sonnenschein in den schönsten Fjord Südgeorgiens hinein und genießen die Aussicht von Deck in vollen Zügen. Alle Passagiere sind an Deck und haben ihre Kameras im Anschlag. Die Berge sind schneebedeckt, und glitzernde Gletscher, rechts, wie links, münden in den Fjord. Im türkisfarbenen Wasser treiben kleine Eisstücke, und es sind wieder zahlreiche Seevögel zu sehen. Doch unsere Aufmerksamkeit gilt dem sehr seltenen Schneesturmvogel, den wir auch oft in diesem Fjord erspähen können. An Ende des Fjords, direkt vor der Gletscherzunge verbleiben wir eine ganze Zeit, um die gewaltige Landschaft um uns herum auf uns wirken zu lassen.
Schließlich müssen wir aber doch den Drygalskifjord verlassen und uns von Südgeorgien verabschieden, um endgültig in Richtung Antarktis aufzubrechen. Deshalb nehmen wir wieder Fahrt auf und setzen Kurs auf die Süd-Orkney-Inseln. Ich bin auf der Brücke und genieße die Fahrt. Währenddessen ist in der Ferne ist immer mal wieder ein Blas zu sehen, und als das Sonar anzeigt, dass wir den Übergang zur Tiefsee erreicht haben, ist dies auch um das Schiff herum erkennbar, denn es sind unglaublich viele Seevögel in der Luft. Hier strömt nährstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche und bietet ein reiches Nahrungsangebot. Somit stehe ich mal wieder einfach nur da und staune.
Ein weiterer Tag auf See. Ich habe etwas länger geschlafen. Nach dem Frühstück gehe ich wieder an Deck um Albatrosse und andere Seevögel zu beobachten. Im Anschluss gibt es einen weiteren Vortrag über die Bio-Sicherheit in der Antarktis. Also alles wie gehabt. Klettverschlüsse und Gummistiefel mit Pinzette und Büroklammer reinigen und den Rest der Klamotten gründlich staubsaugen. Wir sind ja schon geübt.
Während des Tages werden verschiedene Vorträge angeboten, die ich mir aber alle nicht anhöre. Am Abend hält Ali wieder ihren Vortrag über den heutigen und den morgigen Tag, und somit über eine mögliche Landung auf den Süd-Orkney-Inseln. Anschließend erzähle sie noch von ihrer Überwinterung auf Südgeorgien während ihrer Hochzeitsreise und wie sie als Postmeisterin in Grytviken gearbeitet und gewohnt hat, und den Herausforderungen des Winters begegnete. Die gezeigten Bilder sind eindrücklich und ich bin überrascht wie viel Persönliches sie dabei von sich erzählt.
Als wir wach werden haben wir die Süd-Orkney-Inseln bereits erreicht. Das Schiff fährt durch den Washington Sound und nimmt Kurs auf Shingle Cove auf der größten Insel, Coronation. Es ist stark bewölkt und wir haben starkem Wind. Es sind bereits die ersten größeren Eisberge zu sehen. Wir machen uns zur Landung bereit und warten an der Gangway. Die Zodiac-Fahrt ist recht kalt, aber weitestgehend trocken. In der windgeschützten Bucht, in unmittelbarer Nähe zum Gletscher, können wir problemlos an Land gehen.
Nach dem routinemäßigen Ablegen der Schwimmwesten ist es nur eine kurze Strecke zu Fuß, um zu einer kleinen Kolonie von Adélie-Pinguinen zu gelangen. Es ist unsere erste Begegnung mit dieser Art von Pinguinen. In der Kolonie halten sich hauptsächlich junge Tiere am Ende der Mauser auf. Sie sehen ziemlich komisch aus mit ihren Daunenbüscheln auf dem Kopf, fast wie Punker. Sie stehen stoisch in ihrem eigenen Kot und sind deshalb ziemlich verdreckt, aber trotzdem recht süß anzuschauen. Der Wind hat mittlerweile nachgelassen und es beginnt zu schneien. Also richtig schönes antarktisches Wetter.
Zurück am Strand nehme ich mir ausführlich Zeit für die Seebären und vor allem für die See-Elefanten. Ein junges Männchen liegt am Strand, ein weiteres in Strandnähe im Wasser, und ein drittes ist etwas weiter weg vor der Gletscherzunge zu sehen. Ich warte darauf, dass entweder das Tier am Strand ins Wasser geht, oder das andere an den Strand kommt, aber nichts dergleichen passiert vorerst. So schaue ich mich um und erspähte plötzlich einen einzelnen jungen Königspinguin, der sich wohl in diese Bucht verirrt hat und nun von den Seebären nicht in Ruhe gelassen wird und irritiert durch die Gegend läuft.
Schließlich bewegt sich der See-Elefant am Strand doch noch und hievt seinen massigen Körper ungelenk ins Wasser. Dabei schiebt er problemlos einige Eisbrocken zur Seite und gleitet in das eisige Wasser. Er ist sich aber wohl nicht ganz sicher, ob er das Richtige getan hat. So schwimmt er am Strand entlang und robbt einige Meter links wieder an den Strand und schaut sich dabei ausgiebig um. Für uns ist es natürlich ein Spektakel, ein sonst so träges Tier in Bewegung zu sehen. Und so machen natürlich alle Passagiere zahlreiche Bilder. Leider mussten wir mal wieder viel zu früh zum Schiff zurückkehren, wo ich mich unter der heißen Dusche erst mal aufwärme.
Nach dem Mittagessen lichten wir Anker und nehmen Kurs auf Elephant Island. Gleich nachdem wir Richtung offene See steuern passieren wir riesige Eisberge, die hier vor der Inselgruppe gestrandet sind und aus der Weddell-See stammen. Ich verbringe die meiste
Zeit des Nachmittags draußen auf Deck bis es mir schließlich dann doch zu kalt wird. Zwischendurch höre ich mir noch einen Vortrag über die Endurance Expedition von Shackleton an, da wir auf Elephant Island die Stelle anlaufen wollen, an welcher der größte Teil seiner Mannschaft damals bis zur Rettung ausharren musste.
Heute haben wir einen weiteren halben Tag auf See und erreichen Elephant Island gegen Mittag. Wir haben wenig Wind aber sehr viel Dünung, so dass das Schiff fortdauernd rollt. Wir passieren die relativ kleine Cornwallis Insel, als wir mehrere Blase sehen und auf rund ein Dutzend Finnwale treffen. Der Kapitän steuert das Schiff in mehrere Schleifen und reduziert die Geschwindigkeit, so dass wir die Wale gut beobachten können. Dabei ist es immer wieder schwierig vorherzusehen, wo sie wohl als nächstes auftauchen werden. Zumeist bleiben die Tiere heute in respektvollem Abstand und sind nicht allzu deutlich zu sehen, doch als plötzlich zwei von ihnen direkt neben der Steuerbordseite auftauchen ist meine Freude natürlich sehr groß. Wow.
Zwischendurch sind auch immer wieder Pinguine im Wasser zu sehen, die zur allgemeinen Unterhaltung beitragen. In der Luft ziehen hin und wieder größere Gruppen von Kap Sturmvögel ihre Kreise. Nachdem die Wale verschwunden sind bleibe ich nicht mehr lange an Deck, weil es hier merklich kälter als in Südgeorgien ist.
Dann nehmen wir wieder Fahrt auf und folgen der Küste von Elephant Island nach Point Wild und erreichen wenig später den Ort, an dem die Männer von Shackleton mehr als vier Monate auf Rettung warten mussten. Da die Dünung recht hoch ist fährt Kapitän Levakov um die wellenumtoste Landspitze herum und nähert sich dem Gletscher so weit es möglich ist, um in ruhigeres Wasser zu kommen.
Wir machen uns wieder bereit um für eine Cruise in die Zodiacs zu steigen. Eine Landung ist heute bei dem Wellengang unmöglich. Vom Wasser aus schauen wir uns die paar Quadratmeter Land an, auf dem die Männer überlebt haben. Der Ort ist von zwei Gletschern eingerahmt und befindet sich auf einer Landzunge, die eine Zügelpinguin Kolonie beheimatet, von der sich die Männer während ihrer vier Monate hier ernährten. Wir fahren mit den Zodiacs um die Landspitze herum und reiten mit den kleinen Booten auf dieser Seite die hohen Wellenberge ab. Dabei beobachten wir die Zügelpinguine in den steilen Klippen und amüsieren uns, wenn einer von ihnen mutig in die Wellen springt.
Zwischen den Wellenbergen und den Felsen können wir kurz einen Seeleoparden erspähen, der aber gleich darauf verschwindet und nicht mehr gesehen wird. Was wir von dieser Seite aus dagegen gut sehen können ist das Denkmal, nämlich die Büste des Kapitän Luis Pardo Villalón, der die 22 Männer gerettet und aus ihrem „Gefängnis“ befreit hat.
Dann fahren wir wieder auf die andere Seite zurück, wo es etwas ruhiger ist. Hier haben sich Eisstücke vom Gletscher gesammelt, die einen Teppich bilden, durch den wir uns hindurch schieben. Dabei sammeln wir noch einen kleinen, glasklaren Brocken Eis ein, damit wir heute Abend an der Bar auch richtiges Eis zum Kühlen der Drinks haben. Zum Schluss fahren wir entlang der Gletscherzunge und bestaunen die zerklüfteten Eismassen des Gletschers. Nach rund einer Stunde ist auch diese Zodiac Cruise leider schon wieder zu Ende. Wobei man sagen muss, dass keine Fahrt der anderen gleicht und es jedes Mal wieder spannend und erlebnisreich ist.
Weil wir morgen die Antarktis erreichen stelle ich mir den Wecker, um bei der Fahrt durch den Antarctic Sound an Deck zu stehen und das ewige Eis zu bestaunen.
Der Wecker klingelt lange vor dem eigentlichen Wecken. Ich schaue durch das Bullauge nach dem Wetter. Es ist trüb und nebelig. Soll ich nun wirklich aufstehen? Ich gebe mir einen Ruck, ziehe mich an, nehme die Jacke vom Haken und gehe an Deck. Auf der Backbordseite ist die Sicht klarer, und man kann die Küstenlinie gut erkennen. Ich bin nicht der Einzige an Deck, es wird aber nicht gesprochen, sondern die Leute schauen nur. Von der Tierwelt ist außer ein paar Vögeln nichts zu sehen. So betrachte ich die Eisberge und das Eisschild auf der Insel Joinville. Dann, als fast alle anderen auch wach sind, tauchen vor uns Orcas auf, vermutlich drei Tiere. Sie ziehen ganz ruhig ihre Bahn und beachten uns gar nicht. Nach zwei Stunden an Deck gibt es Frühstück und ich gehe wieder ins Warme. Aber nicht lange, da im Wasser und auf den Eisbergen an denen wir vorbeifahren immer mehr Pinguine zu sehen sind. D.h. wir kommen unserer Landungsstelle immer näher.
Auf zwei Eisschollen, die wir passieren, sind je eine Robbe zu erspähen. Sie liegen recht müde da und ruhen sich aus. Noch nicht einmal den Kopf bewegen sie, als wir vorbeifahren. Ganz im Gegensatz dazu die Pinguine: Als wir einen sehr großen Eisberg passieren, auf dem sich Dutzende von ihnen aufhalten, geraten diese in helle Aufregung als wir uns nähern. Die ganze Horde setzt sich in Bewegung und rennt die steile Flanke hinunter, um sich aus mehreren Metern Höhe in Wasser zu stürzen. Es ist einfach ein tolles Schauspiel, und man kann deutlich sehen, dass Pinguine doch fliegen können.
Wir erreichen unser Ziel Paulet Island. Es ist eine Insel vulkanischen Ursprungs, weshalb sie weitgehend eisfrei ist und damit natürlich der ideale Ort für eine riesige Kolonie von Adélie Pinguinen, welche rund 100.000 Paare beheimatet. Darüber hinaus nisten auch zahlreiche Seevogelarten hier.
Es klart etwas auf und die zahlreichen riesigen Eisberge um uns herum beginnen blau zu leuchten. Auf allen Eisbergen sind Pinguine zu sehen, und als wir den Anker fallen lassen, führt das auf den nahegelegenen Eisinseln zu hektischer Bewegung unter den Tieren.
Wir machen uns für die Landung fertig, warten an der Gangway und besteigen dann die Zodiacs, um an Land zu gehen. Wir folgen wieder der abgesteckten Route, die zu den Überresten einer Steinhütte führt. Während neun Monaten überwinterte hier die Mannschaft einer schwedischen Antarktisexpedition, nachdem ihr Schiff im Packeis zerquetscht worden war. Heute nisten Pinguine auf den übrig geblieben Grundmauern der Ruine.
Wir bleiben für mehr als zwei Stunden an Land und spazieren um die Kolonie herum, wobei es sehr viel zu beobachten gibt. Manchmal denkt man, es sei eine Theateraufführung mit ganz unterschiedlichen Rollen und Darstellern. Sehr unterhaltsam. Wir beenden den Vormittag mit einer Mini-Zodiac-Fahrt, bei der wir uns den Eisbergen nähern, auf denen die Pinguine saßen. Aus nächster Nähe beobachten wir, wie sie ins Wasser oder wieder in umgekehrter Richtung auf den Eisberg springen.
Ich verkürze das Mittagessen und begebe mich bei strahlendem Sonnenschein gleich wieder an Deck. Die Plancius hat natürlich wieder Fahrt aufgenommen und währenddessen treffen wir immer wieder auf zahlreiche Pinguine, die im Wasser schwimmen. Es ist immer eine große Herausforderung diese genau dann zu fotografieren, wenn sie für den Bruchteil einer Sekunde aus dem Wasser kommen um Luft zu holen.
Während der Fahrt quer über den Sound zurück nach Brown Bluff ist die Aussicht heute sehr schön. Als wir uns jedoch der anvisierten Landungsstelle nähern, zieht es immer mehr zu, und das Leuchten des Eises geht immer mehr in ein einheitliches Grau über. Wir passieren einen recht großen Tafeleisberg, und auch das Treibeis hier nimmt immer mehr zu. Aber unser Kapitän findet einen Weg und eine geeignete Stelle, um vor dem Strand zu ankern.
Ich stehe oben auf der Steuerbord-Nock, als der Kapitän von der Brücke rauskommt und mich drauf hinweist, dass gerade in einiger Entfernung an einem Eisberg große Teile abbrechen und der Koloss sich in Bewegung setzt um wieder eine stabile Lage zu finden. Ziemlich beeindruckend wie langsam aber doch sehr mächtig die Bewegungen sind.
Nachdem die Zodiacs startklar sind geht die Fahrt wie in einem Labyrinth zwischen den Eisbrocken hindurch, die sich vor dem Strand angesammelt haben. Als wir unseren Fuß an Land setzen betreten wir das Antarktische Festland und damit erstmals den Kontinent. Andreas, unser Glaziologe bietet eine Wanderung auf den Gletscher an, aber ich habe kein Interesse und will mir nur die beiden Kolonien am Strand anschauen. Es gibt nämlich neben der größeren Adélie-Kolonie auch noch eine kleinere Kolonie körperlich größere Eselpinguine. Herrlich anzuschauen, wie sich beide Arten im Verhalten zwar gleichen, sich jedoch gerne aus dem Weg gehen.
Während ich noch am Strand entlang gehe setzt Schneetreiben ein. Zwischen den Eisbrocken ist eine Robbe zu sehen. Es ist vermutlich sogar ein Seeleopard, aber da er sich ziemlich gut versteckt können wir das Tier nicht sicher identifizieren.
Als die Wanderer wieder vom Gletscher zurück sind wird ein sogenannter „Polar Plung“ veranstaltet: Die Mutigsten können hier am Strand, bei 0°C Wassertemperatur, schwimmen gehen. Und tatsächlich finden sich mehr als ein Dutzend Leute, die sich in die Fluten stürzen. Ich verzichtete auch dieses Mal darauf und mache den Reißverschluss meiner Jacke ganz zu während ich das eiskalte Treiben beobachte.
In der Nacht fahren wir weiter ins Eis der Weddell-See hinein und erreichen am Morgen Devils Island. Die Insel besitzt zwei Gipfel, die im weitesten Sinne wie zwei Hörner aussehen und ihr deshalb diesen Namen einbrachten. Ich bin auch heute wieder früher an Deck und betrachte das Eis. Es sind Wale an ihrem Blas zu erkennen, aber wir kommen ihnen nicht so nahe, dass man sagen könnte wir hätten sie gesehen. Von der Brücke aus sind viele Eisberge zu sehen und der Kapitän muss sich seinen Weg selbständig suchen, denn auf dem Radarschirm ist fast nur Eis zu erkennen.
Nachdem der Kapitän es erneut geschafft hat einen geeigneten Ankerplatz zu finden machen wir uns bereit, um mit den Zodiacs an Land zu gehen. Wir kurven durchs Eis, erreichen eine Stelle am Strand und müssen uns erst einmal vorsichtig und ganz langsam Platz schaffen. Weil sich so viele Tiere direkt am Strand befinden gehen wir im Wasser bis zu der Stelle, an der ein Pfad die Kolonie durchquert und den Berg hinauf zum Sattel zwischen den beiden Bergsitzen führt. Je höher wir steigen desto weiter öffnet sich der Blick über die Kolonie und das Meer mit den Eisbergen, zwischen denen die Plancius ankert.
Vom Sattel aus hat man auch einen sehr schönen Blick auf den mit viel dichterem Packeis belegten Kanal zwischen Devils Island und der viel größeren, im Hochnebel liegenden Vega Island am Kap Well-Met. Von hier aus bietet Andreas eine kurze Wanderung auf den Südwestgipfel der Insel an. Es geht recht steil bergan, und der frisch gefallene Schnee macht die Sache rutschig. Mit einem herrlichen Ausblick werden wir aber entschädigt. Von hier oben gesehen sind es gar nicht so viele Eisberge wie ich den Eindruck von der Brücke aus hatte. Also immer eine Frage der Perspektive.
Nach dem Abstieg widme ich mich auch hier den Pinguinen, ihrem Verhalten und ihren Aktivitäten, bevor ich zum Schiff zurückkehre. Noch bevor die letzten Passagiere an Bord sind lichtet die Plancius den Anker und nimmt Fahrt auf. Sie muss die Position verlassen, da Eisberge ihr zu nahe gekommen sind. So fahren die letzten drei Zodiacs hinterher und die Leute kommen erst etwas später an Bord.
Am Nachmittag geht die Fahrt durchs Eis nach Süden. Ich kürze auch heute das Mittagessen wieder ab, um an Deck stehen zu können. Wir haben den Blick auf Vega Island mit ihrer Eiskappe. Der Nebel lichtet sich ein wenig und es ist gleich weniger grau. Zwischen den zahllosen Eisbergen treffen wir auf die ersten Buckelwale, die sich in recht großer Distanz zum Schiff befinden und ruhig im Wasser liegen. Wenig später sind weitere Buckelwale, diesmal näher am Schiff zu sehen. Plötzlich tauchen auch überraschend Orcas auf, die anmutig und ohne sich ablenken zu lassen vorüberziehen. Unser Kapitän nimmt Fahrt raus, fährt Schleifen und stoppt schließlich das Schiff, so dass wir die Tiere besser beobachten können.
Sie sind gerade am Fressen, und wenn sie tauchen können wir ihre Fluke sehen. Es sind drei Tiere auf der einen und zwei weitere auf der anderen Seite zu sehen. Von den Leuten an Deck ist immer ein Ausruf der Freude zu hören, wenn die imposanten Tiere ihre Fluke in die Höhe strecken. Die zahlreichen Fotoapparate rasseln zu diesem Zeitpunkt natürlich ebenfalls. Gleich darauf sind noch zwei andere Tiere zwischen zwei Eisschollen zu sehen und verleihen damit dem Eis auch eine Größendimension.
Den ganzen Nachmittag kurvt unser Kapitän mit 10kn fast spielerisch durchs Eis und wir stehen dabei nur staunend an Deck. Am späten Nachmittag klart das Wetter auf, und die Anzahl der Tafeleisberge vervielfacht sich. Der absolute Höhepunkt ist dann die unglaubliche Fahrt unseres Kapitäns direkt durch eine „Eisbergstraße“ hindurch, die sich aus mehr als einem Dutzend dieser Riesen gebildet hat. Dabei können wir vom obersten Deck nicht auf die Oberfläche dieser Giganten blicken, da sie alle bei weitem die Höhe unseres Schiffs übertreffen. Wir sehen dort auch zwei Buckelwale direkt vor einem der Tafelberge schwimmen, und können wieder einmal die Dimensionen des Eises besser einschätzen. Zu diesen Zeitpunkt serviert die Hotel Crew auf dem Brückendeck noch eine heiße Schokolade mit Rum, was natürlich bei allen sehr gut ankommt. Die Szenerie um uns herum ist surreal. Man fühlt sich so klein neben diesen gigantischen Tafeleisbergen.
Kurz bevor wir unseren Umkehrzeitpunkt erreichen, an dem wir wieder nach Norden abdrehen müssen, schieben wir mit dem Schiff noch ein paar größere Stücke Eis aus dem Weg um durchzubrechen. Wir sind an unserem südlichsten Punkt der Reise, bis vor die Insel Seymour gekommen, können aber keinen der Kaiserpinguine erspähen, obwohl sich rund 30 bis 50km weiter südlich von uns die nördlichste Kolonie von Kaiserpinguinen, auf Snow Hill Island befindet.
Dann wird es Zeit für uns nach Norden zu drehen und den Rückweg anzutreten. Nachdem ich heute fast den ganzen Tag auf Deck gestanden bin, sitze ich gerade in der Lounge, als sich zwei Buckelwale auf der Steuerbordseite direkt am Schiff und gleich darauf zwei weitere auf der Backbordseite zeigen. Wir können nur noch aus den Fenstern schauen. Daraufhin nehme ich doch nochmals die Kamera in die Hand und gehe an Deck. Es gibt aber nur noch ein ansehnliches Abendrot zu fotografieren.
Kurz vor Mitternacht passieren wir wieder Anderson Island und fahren in den Antarctic Sound ein. Dann dreht die Plancius hart steuerbord nach Osten, wir wundern uns zuerst, erkennen aber dann, dass sich auf der direkten Route sehr viel Packeis angesammelt hat, um welches wir herumfahren müssen. Schließlich gehe ich Schlafen, denn am nächsten Morgen werden wir an den South Shetland Islands sein und unsere letzten Landgänge erleben.
Als wir geweckt werden befinden wir uns kurz vor den South Shetlands und steuern unserem Ziel Half Moon Island entgegen. Wir haben kräftigen Wind, der dafür sorgt, dass sich die Nebelschwaden über Livingston Island allmählich auflösen. Der ehemalige Kraterrand von Half Moon bietet uns Windschatten als wir hineinfahren, so dass wir an Land gehen können um eine Zügelpinguin-Kolonie zu besuchen. Die Sonne kommt bereits hinter den Wolken hervor, als wir unsere erste Landung heute in Angriff nehmen. Es sind die dreckigsten Pinguine, die wir auf der Reise sehen. Dabei sind die Ziegelpinguine sehr hübsch, wenn sie sauber sind. Die Kolonie ist verhältnismäßig klein, aber sehr schön zwischen den Felsen gelegen, und die dahinter liegenden vereisten Gipfel von Livingston Island bieten den entsprechenden Hintergrund. Auch hier gibt es wieder zahlreiche Fotomotive und interessante Interaktionen zwischen den Tieren.
Auf den Steinen am Strand ist noch eine müde Weddell-Robbe zu sehen, die nur zweimal den Kopf kurz hebt und in unsere Richtung schaut. Auf der anderen Seite der Insel liegt eine zweite Weddell-Robbe, die sich jedoch gar nicht bewegt. Dann heißt es auch schon wieder zurück aufs Schiff zu gehen, denn es ist Mittagessen angesagt.
Es klart immer mehr auf und der Blick auf Livingston Island ist bei strahlendem Sonnenschein phänomenal, als wir auf die andere Seite der McFairlane Strait zur nächsten Landung auf Greenwich Island fahren.
Den Nachmittag verbringen wir mit einer Landung am Yankee Harbour. Die Plancius ankert weit draußen, wo das Wasser noch ausreichend tief ist. Wir fahren mit den Zodiacs in den vom Gletscher gebildeten riesigen natürlichen Hafen und gehen am Kieselsteinstrand an Land. Schon vom Zodiac aus sind auf der einen Seite der Landzunge einige Weddell-Robben und Seebären zu sehen. So mache ich mich gleich in diese Richtung auf als ich an Land bin, während die meisten anderen zuerst zur Eselspinguin-Kolonie marschieren. Der Weg ist recht weit, dafür sind aber auch viele Robben zu sehen, die hier verteilt am Strand liegen. Dazwischen immer wieder Seebären, braune Raubmöwen und natürlich einzelne Pinguine. Ich verbringe eine ganze Zeit dort draußen, auch weil nicht so viele andere aus unserer Gruppe hier sind. Dann mache ich mich auf den Rückweg, genieße die Aussichten und begebe mich auf die andere Seite zur Kolonie. Hier liegt sogar ein Seeleopard auf einer Eisscholle direkt am Strand. Bewegt sich aber die ganze Zeit über keinen Zentimeter, berichten die anderen.
Natürlich sind wieder viele süße Eselspinguinküken zu sehen, die kitschige Motive bieten. Ich stelle mich einfach hin und genieße noch einmal diese einmalige Landschaft in vollen Zügen. Dann heißt es ein letztes Mal die Gummistiefel zu schrubben, und wir kehren wieder zurück an Bord. Die Plancius lichtet den Anker. Das wars, wir fahren wieder nach Norden und verlassen diese einmalige Gegend. Alle an Bord sind recht ruhig, genießen nochmals die letzten Blicke aus dem Fenster der Observation Lounge und denken zurück an die letzten knapp drei Wochen.
Als wir aus dem geschützten Kanal hinausfahren trifft uns die Dünung voll und das Schiff fängt wieder an zu tanzen. Ich habe gedacht, ich könnte vielleicht nach so vielen Tagen auf See ohne das Pflaster auskommen, aber bereits nach kurzer Zeit entschließe ich mich doch dazu, mir ein weiteres hinter das Ohr zu kleben.
Wir sind mitten in der Drake Passage. Haben ziemlich Glück, weil wir wenig Wind haben und die Dünung auch moderat ist. Wir haben Rückenwind von Süden und auch die Dünung schiebt uns nach Norden. So laufen wir mehr als einen Knoten schneller als üblich. In den Korridoren des Schiffs herrscht keine Eile mehr, um mit Schwimmwesten und Rucksäcken beladen eine Landung vorzubereiten. Die meisten sehen sich in der Lounge ihre Fotos an und denken über all die großartigen Erlebnisse der vergangenen Tage nach.
Ich verbringe den Tag an Deck, sortiere Fotos in der Lounge, oder höre mir einen der zahlreichen Vorträge an, die von der Expedition Crew noch gegeben werden. Nach dem Abendessen sitzen wir noch ein wenig zusammen und verziehen uns dann in die Koje.
Die Sonne scheint als ich wach werde. Ich besuche gleich nach dem Frühstück die Brücke und stelle zu meiner Überraschung fest, dass wir bereits in rund drei Stunden die Einfahrt zum Beagle Kanal erreichen werden. D.h. wir hatten eine sehr schnelle Fahrt und die Schaukelei endet viel früher als erwartet. Als die Dünung nachlässt verlangsamen wir unsere Fahrt, da der Lotse erst am Nachmittag an Bord kommen wird. Es ist toll auf dieser Reise den Beagle Kanal bei Tageslicht zu befahren, da es üblicherweise eine Nachtfahrt ist. So genieße ich die ganze Strecke bis nach Ushuaia auf Deck, und bin immer noch nicht müde weitere Fotos zu schießen, obwohl es auf dieser Reise bereits Tausende sind.
Zu meiner großen Freude lassen sich am Vormittag noch Peale-Delfine und kurze Zeit später noch Schwarzdelfine blicken, die das Schiff mit ihren Sprüngen begleiten. Echt sehr schön und definitiv ein weiterer großer Höhepunkt für mich. Im weiteren Verlauf sind noch Kormorane, diverse Sturmvögel, Möwen und Albatrosse zu sehen.
Wir legen bereits am Abend in Ushuaia am Pier an und machen fest. Abendessen gibt es noch an Board, und im Anschluss verbringen Beate, Balaze und ich zusammen mit ein paar Crew Mitglieder noch eine gute Zeit in der Lounge und lassen die Reise ausklingen.
Heute geht alles ganz schnell. Vor dem Frühstück ist packen angesagt und nach dem Frühstück geht´s auch schon von Bord. Alle verabschieden sich voneinander, es werden E-Mail-Adressen ausgetauscht, und nachdem das Gepäck mit dem Kran auf den Pier gehievt ist nimmt sich jeder sein Gepäckstück und alle gehen ihrer Wege.
Für den Abend habe ich mich noch mit Beate und Balaze zum Essen verabredet. Um im Hotel einzuchecken ist es noch zu früh, deswegen lege ich nur das Gepäck ab und organisiere mich noch ein bisschen, bevor ich wieder aufbreche, um zusammen mit Beate im Städtchen einen Kaffee trinken zu gehen.
Zurück im Hotel kann ich aufs Zimmer. Ich bin müde und lege mich erst einmal aufs Ohr. Dann packe ich neu und fange an meine Bilder zu sortieren. Gegen Abend treffe ich mich wieder mit Beate, Balaze und Mariëlle & Cees aus Holland, um gemeinsam Abendessen zu gehen. Es geht in das Restaurant La Estancia, wo ich schon vor Jahren sehr zufrieden war. Das Steak ist sehr lecker und die Portion sehr groß. Balaze, Beate und ich lassen abschließend den Abend noch in einer Bar ausklingen, bevor morgen wieder jeder seiner Wege geht. Ein schöner Abschluss einer wieder einmal unvergesslichen Reise.
Morgens früh nehme ein Taxi zum Flughafen, denn jetzt mache ich mich wieder auf den Weg nach Hause. Der erste Flug nach Buenos Aires dauert 3½h. Dort gehe ich erst einmal am Flughafen was essen, bevor ich die lange Aufenthaltsdauer mit dem Sortieren meiner Bilder überbrücke. Dann schlendre ich allmählich zum Gate, esse nochmals und warte ab, denn draußen gibt es ein heftiges Gewitter, wodurch sich mein Rückflug verspätet. Allerdings fällt das bei einer Flugzeit von rund 13h auch nicht sonderlich ins Gewicht fällt. Schließlich dürfen wir dann doch irgendwann einsteigen.
Nach einem langen Flug mit nur kurzem und schlechtem Schlaf lande ich wieder in Frankfurt. Das Gepäck erscheint schnell auf dem Gepäckband, und ich erreiche ganz angenehm eine Zugverbindung nach Hause.