Ich bin wieder auf dem Weg zum Flughafen. Ich hatte den Tag über frei und einen ruhigen Tag. Mein Flug geht erst heute Abend. Ich hatte dieses Mal sogar frühzeitig, und nicht wieder auf den letzten Drücker gepackt, wie sonst immer. Es geht nach Tansania, denn ich will in den nächsten Tagen den Kilimandscharo besteigen. Ich bin seit langer Zeit das erste Mal wieder ziemlich angespannt. Vor allem vor dem Wetter, der Höhe und den Temperaturen habe ich Respekt. Aber ich bin jetzt auch froh darüber, dass es nun losgeht und hoffe dabei, dass meine minimalistische Vorbereitung in den letzten acht Wochen nicht zu wenig war. Aber ich glaube, wenn das Wetter mitspielt, die Höhenkrankheit sich in Grenzen hält und die Temperaturen keine Rekordwerte erreichen, werde ich es auch packen.
Jetzt geht es erst einmal nach Addis Abeba, wo ich umsteigen muss.
Addis Abeba ist ein richtig afrikanischer Flughafen. Die Warteschlange vor der Sicherheitskontrolle ist atemberaubend lang. Mit der Zeit werden jedoch doch noch alle drei Bänder geöffnet, so dass es ein bisschen schneller geht. Die Kontrolle selbst ist wohl eher ein bisschen Show, als dass es was genützt hat. An den Gates werden keine Flüge angezeigt und es stauen sich die Menschen. Irgendwann wird mein Flug aufgerufen und eine weitere Masse an Menschen setzt sich in Bewegung. Nach weiteren 2½ Stunden Flug komme ich ziemlich müde am Kilimandscharo International Airport an.
Da ich sehr weit vorne in der Maschine sitze komme ich mit den ersten an der Einreise an, fülle noch schnell mein Kärtchen aus, bezahle meine Gebühr fürs Visum und komme dann durch die Einreise ohne lange warten zu müssen. Am Gepäckband werde ich dann jedoch richtig nervös. Die beiden Bänder sind sehr klein und man kann die Leute sehen, die die Gepäckstücke hinter der Wand aufs Band legen. Mein Rucksack ist aber nach dem Ausladen noch gar nicht. Auf meine Frage, ob noch weiteres Gepäck komme, war die Antwort: „Das war’s!“ Ich wollte schon mein Gepäck als verloren melden, als ich sehe, dass nochmals zwei Container vom Flugzeug herübergebracht werden. Mein Rucksack ist also doch dabei. Uff!
Der Typ, der mich abholt, wartet vor dem Flughafengebäude und der Fahrer taucht auch gleich anschließend auf. Ich gehe derweil noch schnell Geld tauschen und etwas zum Trinken kaufen. Nach rund einer Stunde Fahrt erreiche ich das Hotel im Moshi. Ich checke ein und ruhe mich ein wenig aus.
Dann gehe ich zum Pool runter, trinke ein Bier und treffe dort Frank, Gerhard und Udo, drei Monteure, die hier eine Brauereianlage aufbauen und in Betrieb nehmen.
Dabei erfahre ich, dass dieses Jahr die Regenzeit viel früher eingesetzt hat als sonst üblich, und viel Schnee gefallen sein soll. Morgens soll man den Gipfel sehen können. Dann bin ich mal gespannt auf morgen früh.
Am Abend treffe ich noch auf Gabi und Andy aus Österreich und wir kommen bei einem Glas Wein ins Gespräch. Sie sind heute wieder vom Gipfel zurückgekehrt und berichten, dass sie am Gipfeltag einen Schneesturm mit einer Sichtweite von nur einem Meter hatten. Ich hoffe, dass es bei meinem Gipfeltag besser sein wird. Mein Respekt vor dem Berg steigt jedoch. Da ich ziemlich müde bin gehe ich früh schlafen, und mache mich mit dem Gedanken vertraut, dass es wohl etwas anders laufen wird als ich mir das vorgestellt habe.
Ich habe gut geschlafen. Als erstes ziehe ich die Gardine auf und sehe keinen Berg, sondern nur Wolken. Keine gute Aussicht für meine Tour.
Nach dem Frühstück werde ich von Derek abgeholt. Er ist mein Bergführer und wir gehen um die Ecke ins Büro zum Briefing für die Tour. Es ist soweit alles klar, so dass es nicht allzu lange dauert. Anschließend gehe ich noch ein wenig in der Stadt umher, wechsle erneut Geld und kaufe mir noch Wasser ein. Im Hotel zurück treffe ich erneut auf Gabi und Andy. Wir unterhalten uns und verabreden uns zum Essen heute Abend. Als ich mich aufs Zimmer zurückziehe fängt es heftig an zu schütten. Ich bin froh, dass ich nicht mehr draußen bin.
Als der Regen nachlässt kann man den Gipfel sehen. Ich bin beeindruckt, vor allem, weil enorm viel Schnee gefallen ist und dazu noch bis zu einer geschätzten Höhe von 4.500m hinunter. Die Spannung vor dem, was kommen wird morgen, steigt. Ich will, dass es nun losgeht.
Am Abend gehen Gabi, Andy und ich gemeinsam essen. Es ist ein schöner, unterhaltsamer Abend und ich bin froh, nicht irgendwo allein essen zu müssen. Wir sind recht früh wieder im Hotel zurück und ich lege mich gleich aufs Ohr, um morgen fit zu sein.
Als es hell wird gilt mein erster Blick dem Berg. Das Wetter ist besser als gestern. Der Gipfel ist im Dunst zu sehen und auch die Sonne lässt sich hinter dem Dunstschleier blicken. Wenn es so bleiben könnte wäre ich schon sehr zufrieden. Jetzt packe ich noch meine Sachen zusammen und gleich darauf werde ich auch schon abgeholt zum Abenteuer Kilimandscharo.
Ich bin startklar, als ich abgeholt werde. Es geht zuerst zum Büro von Mauly Tours. Dort werden noch ein paar Sachen geregelt. Die Träger sind auch schon da und so fahren wir gemeinsam zum Marangu Gate, um uns dort zu registrieren und anzumelden. Wie ich hier erfahre, wird ein australisches Pärchen die gleiche Route machen, jedoch ohne zusätzlichen Tag. Elean und John begleiten mich also. Nachdem am Nationalpark Gate also alles erledigt ist und vier weitere Leute, die die „Marangu“ Route in Angriff nehmen, abgeladen wurden, geht es für uns drei und die 15 Begleiter weiter.
Wir fahren östlich um den Berg herum. Es herrscht Hochnebel und es ist diesig, aber wir können den Gipfel erkennen. Es sieht heute nicht nach Regen aus und nach zwei Stunden Fahrt erreichen wir unseren Ausgangspunkt der Rongai Route. Dort ist schon jede Menge los. Es stehen unzählige Träger zum Wiegen des Gepäcks an. Wir warten und registrieren uns derweil im dicken Buch des Rangers. Um drei Uhr nachmittags brechen wir auf. Nun startet das Abenteuer Kili Besteigung wirklich. Na dann viel Glück!
Es geht gemütlich bergan. Zuerst führt der Pfad durch einen künstlich geschaffenen Kiefernwald, der für die hiesige Möbelindustrie sehr wichtig ist. Dort sehen wir noch einen Pavian und auch zwei schwarzweiße Mantelaffen. Es ist recht überraschend, dass wir überhaupt welche sehen. Was für ein Glück! Dann geht es durch Regenwald weiter bergan. Gleich anschließend wird die Vegetation niedriger und es herrschen Farne vor. Im Anschluss daran erreichen wir auch schon das „Simba Camp“. Kein anstrengender Tag also. Hier registrieren wir uns wieder und ich kann gleich anschließend in mein Zelt. Gleich nebenan steht mein Essenszelt, in dem ich auch gleich Tee serviert bekomme. Die Temperaturen sind sehr angenehm, bin mal gespannt, wie es nach Sonnenuntergang mit den Temperaturen weitergeht.
Das Essen nehme ich wieder in meinem Essenszelt zu mir. Es schmeckt sehr lecker, aber ich kämpfe um überhaupt etwas zu essen. Gleich im Anschluss sitze ich noch mit Elene und John zusammen. Wie ich dabei erfahre, trennen sich unsere Wege morgen bereits. Ich werde etwas weiter aufsteigen als sie. Es ist ein kurzer Abend und ich verabschiede mich um schlafen zu gehen.
Es war keine gute Nacht. Ich bin aufgewacht, weil es mir viel zu warm war und bin gut eine Stunde wach gelegen. In der zweiten Nachthälfte hat es dann drei Gewitter gegeben, die gut fünf Stunden Wasser aufs Zelt geworfen haben.
Ich packe meinen großen Rucksack zusammen und gehe zum Frühstück. Ich habe keinen großen Hunger, versuche aber trotzdem so viel wie möglich zu Essen. Anschließend lasse ich alles stehen und liegen und packe meinen Tagesrucksack um gemeinsam mit Derek zur zweiten Etappe aufzubrechen. Zuvor habe ich mich noch von den beiden Australiern verabschiedet, die heute bis zum „Second Cave Camp“ gehen, während ich weiter zum „Kikelelwa Camp“ in bereits 3.650m aufsteige. Erst geht es gemächlich bergan. Recht überraschend befinden wir uns bereits oberhalb der Regenwaldzone, in der Moor- und Heidelandschaft. Es ist nur Vogelgezwitscher, der Wind und das Knirschen meiner Schuhe auf dem Kies zu hören. Ansonsten herrscht Stille, so dass man fast den Eindruck bekommt alleine auf der Welt zu sein. Die Sonne zeigt sich auch ein wenig durch den Dunstschleier. Wir steigen weiter, es wird steiler und die Vegetation nimmt weiter ab und wird niedriger. Nach drei Stunden erreichen wir die „Second Cave“ in 3.250m Höhe. Hier machen wir unsere Mittagspause und verzehren unser Lunchpaket. Zuvor schauen wir uns noch die Höhle an und bekommen den ersten Besuch eines Raben, der auf einen Happen spekuliert. Anschließend zieht sich der Weg noch recht anstrengend hoch und runter zum Kikelelwa Camp auf 3.650m. Insgesamt gewinne ich nach weiteren zweieinhalb Stunden Wanderung aber nur hundert Meter. Ich spüre zum Ersten Mal ein wenig die Höhe und denke, dass es sich wieder legt.
Im Camp packe ich meine Sachen aus, da das Zelt bereits steht und alles andere auch da ist. Ich versuche mich zu erholen. Trotz Mittagssnack und Powe-Riegel habe ich einen leeren Magen. Hier im Camp kann man zum ersten Mal das Riesenkreuzkraut am Kili bewundern.
Der schneebedeckte Gipfel des Mount Mawenzi ist sehr schön zu sehen. Sein Base Camp, welches um weitere 700m höher liegt, wird unser morgiges Ziel sein. Gegen Abend wird es bereits schon recht kalt und ich fange an zu frieren. Deshalb lege ich mich gleich nach dem Abendessen in den Schlafsack und kann nicht verhindern einzuschlafen.
Die Nacht war ruhig und es hat auch nicht geregnet. Das Kopfweh ist weitestgehend verschwunden, im Gegensatz zu meinen Zweifeln ob ich es wirklich packe. Es ist heute Morgen schön die Sonne scheinen zu sehen.
Nach dem Frühstück brechen wir auf und gehen sehr langsam, da der Weg steil ansteigt. Die Sicht auf den Kibo und den Mawenzi ist unglaublich. Vor strahlend blauen Himmel sieht der Berg noch imposanter aus als sonst.
Im Lager ist heute eine größere Gruppe von Norwegern, die über siebzig Träger hat. Auf dem Weg nach oben überholen uns dann alle. Ich bin immer wieder erstaunt wie sie 25kg Gewicht schleppen und doppelt so schnell sind wie ich. Eine sehr große körperliche Leistung. Es gibt auch weibliche Träger am Berg, die das gleiche Gewicht schleppen. Echte Gleichberechtigung also. Je höher wir steigen und je weiter der Uhrzeiger voranschreitet, desto mehr Wolken ziehen vom Tal herauf. Es wird gleich merklich kälter und die Sicht beschränkt sich auf vielleicht hundert Meter. So steigen wir im Nebel weiter, machen zwischendurch immer wieder eine Pause und erreichen nach drei Stunden das „Mawenzi Tarn Camp“. Nach dem Auspacken ziehe ich mir erst einmal mehr Klamotten an. Anschließend gibt es Mittagessen. Später lege ich mich erst einmal eine Stunde hin und muss nach dem Aufstehen feststellen, dass sich die Sicht nicht verändert hat. Immer noch Nebel! Ich glaube, auf der Tour hier werde ich lernen müssen, die Zeit totzuschlagen, was alleine ziemlich langweilig ist, denn wegen des Nebels und der Kälte liegen die meisten Mitwanderer im Camp im Schlafsack oder hocken in ihren Zelten. Das Camp ist eigentlich recht nett gelegen. Es gibt einen kleinen See und man befindet sich direkt unter dem imposant aufragenden Mawenzi. Es ist nun zwei Uhr nachmittags. Ich warte aufs Abendessen und gleich danach werde ich mich wohl hinlegen.
Die Nacht war ruhig, aber ich habe trotzdem kaum Schlaf gefunden. Ich hatte immer wieder Kopfweh und wusste nicht ob dies von der Höhe oder vom Liegen kommt. Am Morgen graupelt es erst einmal. Als es weitestgehend aufgehört hat stehe ich auf. Ich habe wenigstens nicht gefroren. Mein Schlafsack ist klasse. Heute ist ja mein Zusatztag, an dem es nur um die Akklimatisierung hier auf 4.300m geht. Zum Frühstück gibt es wieder das Gleiche. Obwohl ich keinen Hunger habe mache ich das Beste daraus. Anschließend mache ich mich fertig, um einen kleinen Spaziergang zur Akklimatisierung zu machen. Erst nach ein paar Minuten merke ich, dass mir ein Träger folgt, der mir einen Regenschirm hält. Komische Situation, aber ich nehme es dankend an. Wir steigen um rund 300m weiter auf und verbleiben dort bei weiterhin Schneegraupel und Nebel für rund eine halbe Stunde. Ich habe die Kamera im Zelt gelassen. Macht keinen Sinn sie mitzunehmen bei null Sicht hier oben. Jedoch gibt es zwei Minuten in denen die Wolken kurz verschwinden und wir einen Blick auf das untenliegende Camp mit dem kleinen See haben. Wohl das am schönsten gelegene Camp am Berg.
Jetzt gibt es gleich was zu essen, während sich das Camp wieder füllt. Mit jeder Minute kommen mehr Träger und bauen Zelte auf. Heute Morgen war das Gegenteil der Fall, denn da haben alle abgebaut und sind weitergezogen. Am Nachmittag lege ich mich mangels Alternativen wieder hin. Es ist weiterhin neblig und schlafen ist somit das Beste was ich machen kann. Ich habe heute Durchfall und hoffe, dass dies und auch das Wetter wieder besser wird.
Nach dem Aufstehen gibt es erst einmal Tee, wie jeden Nachmittag. Wenig später kommt auch wieder die Sonne etwas zum Vorschein. Es ist richtig angenehm, leider nach ein paar Minuten wieder vorbei. Ich treffe auf eine Gruppe Amerikaner, mit denen ich mich ein wenig unterhalte. Wie sich herausstellt wird die Gruppe von Chris Warner geleitet. Der bereits den K2 und den Everest bestiegen hat. Es ist sein sechster Aufstieg zum Kilimandscharo. Ich bin erstaunt, hier solche Vollprofis zu treffen.
Leider zieht es wieder zu, und auch heute werde ich mich direkt nach dem Abendessen hinlegen.
Ich habe heute Nacht deutlich besser als gestern geschlafen. Als ich wach werde zieht gerade ein Gewitter auf und es regnet. Es hört aber nach einer Stunde wieder auf. Als ich das Zelt aufmache scheint zu meiner großen Überraschung die Sonne und der Himmel ist blau. Ich bin begeistert! Nach dem Frühstück brechen Derek und ich gleich auf. Heute geht es über den Sattel weiter, und damit wieder Richtung Kibo, nachdem wir uns vorgestern davon entfernt haben. Es steht eine anstrengende Etappe zur Kibo Hut an. Es sind zwar heute nur 400 Höhenmeter, die wir gewinnen, aber über den Sattel, der Mount Mawenzi und Kilimandscharo verbindet geht es ein paar Mal hoch und wieder runter, so dass es schlussendlich wohl das Doppelte an Höhenmetern sein werden. Als wir den ersten Hügel überwunden haben werde ich mit dem bis dato besten Blick auf den Kibo belohnt. Blauer Himmel, Sonnenschein und komplett ohne Wolken steht der schneebedeckte Gipfel des Kilimandscharo vor mir. Wow! Ich zücke gleich die Kamera um dies festzuhalten. Zehn Minuten später sind bereits so viele Wolken vom Tal hochgezogen, dass nichts mehr zu sehen ist. Ich hatte echt Glück. Wir steigen im Nebel nun wieder auf den Sattel ab und kommen an einem vor Jahren abgestürzten Flugzeugwrack vorbei. Der nun folgende langgezogene Anstieg mit dem direkten Blick auf die Kibo Hut geht schon in die Knochen und es erscheint so, als ob wir kaum vorwärtskommen. Dabei haben wir heute das Glück, dass es weitestgehend windstill ist. Ansonsten herrschen hier hohe Windgeschwindigkeiten vor, erzählt mir Derek. Als ich an der Kibo Hut auf 4.750m ankomme ist alles bereits wieder aufgebaut, ich esse zu Mittag und lege mich anschließend für zwei Stunden aufs Ohr um zu entspannen.
Im Camp ist gar nicht so viel los wie ich erwartet hatte. Es wird hauptsächlich von den Wanderern genutzt, die in Hütten übernachten und nicht im Zelt. So sind es nur ein paar wenige Zelte, die hier zu sehen sind. Aber alle wollen heute Nacht zum Gipfel aufbrechen. Die Warterei ist schon ein wenig nervenzehrend, da man von hier aus den Weg nach oben klar erkennen kann. Auch der Rückweg hinunter ins Tal, der zu mehr Wärme und einer Dusche führt, ist über weite Strecken gut zu sehen.
So verbringe ich den Nachmittag im Camp. Es ist heute deutlich wärmer als in den letzten Tagen in den Camps, obwohl wir deutlich höher sind. Jedenfalls hoffe und bete ich, dass morgen gutes Wetter für den Gipfel herrscht. Bitte, bitte!
Kibo Hut in Sichtweite
Kibo Hut
Blick auf den Sattel
Gilmans Point 5.685m
Zelte an der Kibo Hut
Marangu Route
Horombo Hut
Gegen 23.00Uhr herrscht Aufbruchsstimmung im Camp. Eine asiatische Gruppe will wohl den Berg mit Geschrei und Hurra Rufen erstürmen. So ist an Schlaf nicht mehr zu denken und 45 Minuten später stehe auch ich auf. Als ich den ersten Blick aus dem Zelt wage, sehe ich einen sternenklaren Himmel, der fast noch volle Mond spendet viel Licht und beide Gipfel präsentieren sich wolkenlos. Super, besser kann man es sich nicht wünschen! Um kurz nach Mitternacht beginnt mein Tag um den Gipfel zu erklimmen. Wir beginnen den Aufstieg, Derek trägt meinen Tagesrucksack und ein Träger ist noch zur Absicherung mit dabei. Wir finden von Anfang an die richtige Geschwindigkeit und kommen gut voran. Der Mond leuchtet so hell, dass wir keine Stirnlampen brauchen.
Nach rund zwei Stunden überholen wir die asiatische Gruppe, in der es bereits die ersten Ausfälle und Aufgaben gibt. Je höher wir kommen desto mehr reduziert sich meine Geschwindigkeit. An dem hausgroßen Lavabrocken namens William’s Point in rund 5.100m Höhe machen wir die erste etwas längere Pause. Nach der Hans Meyer Höhle in rund 5.200m beginnt der Zick-Zack-Weg, der bis zum sehr steilen Schlussanstieg führt. Hier besteht der Weg aus losem Schotter, was den Anstieg nicht gerade vereinfacht. Ich bekomme durch die Höhe nun Schwindel und verwende meine Stöcke um mehr Halt zu finden. Dabei kommen wir immer langsamer voran. Die Pausen werden nun häufiger und auch länger. Das einzige worauf ich mich konzentriere sind die Schritte meines Vordermanns. Viel anderes nehme ich kaum noch wahr. Wir lassen nun den Zick-Zack-Weg hinter uns und es folgt der letzte, sehr steile Anstieg zum Kraterrand. In weiteren 1 ½ Stunden sollte es zu schaffen sein. Hier kann man fast sagen, dass nach fünf Minuten gehen, zwei Minuten stehen angesagt sind. Man will eigentlich nur noch umdrehen. Die Beine und die Lunge schreien danach, nur der Kopf sagt: „Wir machen weiter!“
Jetzt setzt leichter Schneegriesel ein, aber der Mond ist noch gut zu erkennen. Gleich wird es geschafft sein. Plötzlich wird es dunkler, ich muss doch noch meine Stirnlampe aktivieren, um zu sehen wo es langgeht. Zwei helle Blitze zucken direkt über uns und der Donner ist recht laut. Es setzt unmittelbar Schneefall ein und als wir wenig später den Kraterrand am Gilman’s Point erreichen herrscht Schneesturm. Um 05:30Uhr habe ich es geschafft. Ich bin oben auf 5.681m! Ich bin fertig. Der Sonnenaufgang lässt noch rund eine Stunde auf sich warten. Nun gleich in der Dunkelheit abzusteigen geht also nicht. Der Schnee wird waagrecht in die Augen getrieben und die Temperatur ist merklich gefallen. Die Klamotten reichen aber noch aus. Derek will unbedingt noch weiter zum höchsten Punkt, Uhuru Peak. Es wären noch drei Stunden hin und zurück. Bei dem Schneesturm! Eine andere Gruppe, die direkt vor uns, unter der Leitung von Billi Bierling, einer deutschen Everest Bezwingerin, ist, will dort noch hin. Wir schließen uns erst einmal an. Mir ist aber nicht ganz wohl bei der Sache. Kopfweh, Schwindel und ein ausgeprägtes Müdigkeitsgefühl sagt mir, dass ich nur noch absteigen will. Ich spreche mit Billi über die Situation und frage nach ihrer Einschätzung. Als sie dabei Schnee auf meiner Nase sieht zieht sie noch schnell eine Sturmhaube aus ihrem Rucksack und gibt sie mir. Echt nett! So fasse ich den Entschluss bei diesem Wetter kurz vor Stella Point umzudrehen und abzusteigen, dabei lasse ich die Gruppe weiterziehen. Zwischenzeitlich ist es auch hell geworden. Der Schnee hat alle Spuren verwischt, die wir vor wenigen Minuten hinterlassen haben, und es ist auch kein Pfad mehr zu erkennen. Derek weiß aber wo es langgeht, schließlich war er bereits mehrere hundert Mal hier oben und wir erreichen wieder Gilman’s Point, den Einstieg zum Abstieg.
Der Abstieg, bei nun richtig viel Schnee ist gar nicht so gefährlich und glatt, wie bei dem wenigen Schneegriesel während des Aufstiegs. Im unteren Teil hakt mich Derek unter dem Arm ein und wir können gemeinsam sogar auf dem Schnee und dem Vulkanschotter herunterspringen, so dass wir sehr schnell an Höhe verlieren und auch noch viel Spaß dabei haben. Als wir tiefer kommen trauen wir unseren Augen nicht. Auch unten an der Kibo Hut ist so viel Schnee gefallen, dass die beiden Zelte meiner Träger zusammengebrochen sind. Deshalb darf ich in der Hütte eine Rast einlegen. Ich kann aber nicht schlafen und stehe deshalb gleich wieder auf. Gleich im Anschluss ist der Abstieg zum Horombo Camp auf 3.800m geplant. So brechen wir nach knapp einer Stunde auf und nehmen zum Abstieg die „Coca Cola“ Route in Angriff. Die nun folgende Strecke führte über ein, heute schneebedecktes, ausgedehntes Geröllfeld. Es fängt aber schon überall zu tauen an und wenig später, weiter unten ist auch kein Schnee mehr vorhanden. Es geht nun weiter über sanft abfallendes Buschland in Richtung Horombo Camp, welches im Nebel liegt, als wir es gegen Mittag erreichen. Es ist ziemlich frisch, es gibt aber glücklicherweise eine Hütte, in die ich mich hineinsetzen kann um den Nachmittag zu überbrücken. Dies fällt recht leicht, da sich hier irgendwie alle wieder sammeln. Das Gespann Vater und Sohn aus Nairobi, die den Gipfel heute auch erreicht haben und die ich vor vier Tagen kurz kennen gelernt hatte. Es ist auch noch ein Bayer und ein Schweizer da, die sich erst noch im Aufstieg befinden. Hier erfahre ich auch, dass das australische Pärchen, mit dem ich zusammen aufgebrochen war einen Tag zuvor den Gipfel erreicht habe. Tina aus Australien und ihre Freundin tauchen auch auf und berichten, dass sie es bis Gilman’s Point geschafft haben. So kann ich mich recht angeregt unterhalten und die Zeit vergeht recht schnell.
Nun bin ich aber ganz schön froh, wenn das Unternehmen morgen zu Ende geht. Es war ziemlich hart, so dass ich den Kibo mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein zweites Mal besteigen werde. Es waren die Randbedingungen, die es mir so schwer gemacht haben: Toiletten, Durchfall, fettiges und frittiertes Essen, Kälte, Langeweile und der Nebel und Regen. Aber ich habe es geschafft und ich bin geschafft, so dass ich früh in den Schlafsack krieche und meine letzte Nacht am Berg genieße.
Ich habe gut geschlafen. Als ich aufstehe ist die Sicht klar und der Kibo ist ein letztes Mal zu sehen. Vor dem Frühstück packe ich alles zusammen und meine Crew tritt nochmals zusammen, um die Übergabe des Trinkgelds zu zelebrieren. Nachdem aller Dank ausgesprochen ist, breche ich zusammen mit Derek auf, um die letzte Etappe in Angriff zu nehmen. Wir werden heute rund 2.000m über eine Distanz von 22km bis zum Marangu Gate des Nationalparks absteigen.
Was gleich auffällt ist, dass auf dieser Seite des Berges die Klimazonen viel ausgeprägter zu erkennen sind. Zuerst befinden wir uns noch in der Moorlandschaft. Wir sehen das berühmte Riesenkreuzkraut des Kilimandscharo, das auf dieser Höhe gedeiht. Es gibt heute Morgen eine klare Sicht ins Tal und auch über die Hänge des Berges. Wir haben einen schnellen Schritt drauf und erreichen nach drei Stunden bereits das Marangu Camp und haben damit die Hälfte der Höhenmeter bereits hinter uns gebracht. Nach einer kurzen Pause steigen wir gleich weiter ab. Die Landschaft ändert sich schlagartig. Wir sind im Regenwald angekommen. Zu unserer Freude sehen wir noch Colorbus Affen hoch in den Bäumen. Gleich anschließend sehen wir auch noch die selteneren „Blue Monkeys“ in den Bäumen, wo sie nach Nahrung suchen. Es ist toll, solche Tiere in freier Wildbahn beobachten zu können. Aber auch der Weg selbst durch den dichten Regenwald ist wunderschön zu gehen. Das Beste jedoch ist, dass alle Leute die uns entgegenkommen es noch vor sich haben. Ha!
Nach insgesamt fünf Stunden, an Stelle von geplanten sieben, sind wir super schnell am Gate angekommen. Die Träger warten aber auch dieses Mal bereits wieder auf uns. Abgekämpft aber glücklich checke ich an der Registrierung aus. Der Crew gebe ich noch ein Bier aus. Alle sind glücklich übers Bier, kein Wunder nach sieben Tagen Wasser und Schwarztee. Wir fahren zurück nach Moshi. Im Büro gebe ich noch die Stöcke zurück und dann geht es ins Hotel. Ich packe erst mal alles zum Trocknen aus. Nach einer ausgedehnten Dusche setze ich mich bei angenehmen 25°C unten auf die Terrasse. Dort treffe ich auf die Monteure von letzter Woche. Das erste Bier zischt und auch die Spagetti schmecken richtig lecker. So sitzen wir bei einigen Bieren noch bis spät in den Abend zusammen. Gleich nebenan sitzen zwei Mädels aus der Schweiz, die morgen aufbrechen werden. So kann ich gleich noch ein paar Tipps und Erfahrung weiter geben.
Heute Morgen bin ich wieder mit Kopfweh aufgewacht. Dieses Mal liegt es aber nicht an der Höhe, sondern an der Anzahl der Biere gestern Abend. Ich packe heute wieder meinen ganzen Kram zusammen, bin froh, dass alles in den Rucksack passt und schiebe mir beim Frühstück noch einen Tost ein, bevor ich auch schon abgeholt werde um zum Flughafen zu fahren. Nach dem Einchecken treffe ich nochmals auf Tina und ihre Freundin aus Australien, die mir erzählen, dass sie es sogar noch nach mir zum Gilman’s Point geschafft haben. Wir unterhalten uns noch sehr angeregt über die Erlebnisse am Gipfeltag und deshalb vergeht die Wartezeit recht schnell und schon steht die Maschine nach Sansibar zum Einsteigen bereit.
Der Flug verläuft ruhig, der Kibo ist in den Wolken nicht zu erkennen und die Maschine landet nach einer Stunde Flug auf Sansibar. Ich hatte mir im Vorfeld keine Gedanken über das gebuchte Hotel am Strand gemacht, aber am Preis fürs Taxi merke ich, dass es recht weit sein wird. Nach einer Stunde Fahrt komme ich an und staune nicht schlecht, als wir vor einem 5 Sterne Beach Resort halten. Alles sehr gediegen. Ich bekomme ein sehr schönes, großes Zimmer in einem Bungalow mit allem Komfort. Was für ein Unterschied zu den letzten Tagen. Hier werde ich einfach noch ein wenig die Seele baumeln lassen und den Luxus genießen. So mache ich erst einmal in meinem Kingsize Bett einen Mittagsschlaf und schaue mich danach ein wenig in der Anlage um.
Das Abendessen gibt es gegen acht und danach noch ein Bier an der Bar.
Heute ist mein erster Erholungstag und so habe ich ihn auch verbracht. Nach dem Frühstück auf die Liege, über den Mittag im Zimmer und der Nachmittag in der Lounge. Dabei bin ich immer noch gedanklich am Verarbeiten der vergangen Tage und werde damit wohl auch noch eine Zeitlang beschäftigt sein.
Heute fast das Gleiche wie gestern. Frage mich schon wie die Leute es hier zwei Wochen aushalten können. Es ist einfach eine andere Welt.
Gerade habe ich ausgecheckt. Kann den Tag jedoch noch im Hotel und auf der Liege verbringen, der Umkleideraum steht mir auch zur Verfügung. Bin am Morgen mal in die eine Richtung des Strandes gelaufen und am Abend in die andere. Für einen kleinen Obolus kann ich am Abend nochmals am Buffet teilnehmen und mir so den Magen für die lange Nacht füllen. Um 23.00Uhr kommt mein Taxi und bringt mich zum Flughafen. Der Flug selbst geht erst um 03:30Uhr.
Ohne viel Schlaf bin ich in Addis Abeba gelandet und habe hier noch weitere fünf Stunden Aufenthalt. Der Flughafen ist auch beim zweiten Besuch nicht besser. Lange Schlangen und überall vollbesetzte Sitzgelegenheiten. Irgendwie passt dies alles zusammen. Warten gehörte durchaus zu meinen Hauptbeschäftigungen in den letzten zwei Wochen.
Nicht mehr lange hin bis zum Boarding und noch keine Maschine in Sicht. Kurz vor dem Boarding wird uns dann mitgeteilt, dass die Maschine eben erst in Dubai nach einem Sandsturm gestartet sei. Das bedeutet weitere vier Stunden warten bis es dann endlich nach Frankfurt geht. Ich versuche die Zeit weiter totzuschlagen.
Am späten Abend schließlich komme ich dann wieder zu Hause an, stelle nur noch mein Gepäck ab, trinke noch einen Schluck und erliege sogleich meinem großen Schlafdefizit.