Wieder einmal sitze ich an einem Flugsteig und warte auf meinen Flug. Doch dieses Mal könnte man sagen: Es geht auf eine Weltreise! Ich fliege nach Moskau und werde von dort zwei Tage später in den Zug der Züge steigen, um nach Fernost zu fahren. Die TransSib war schon immer eine Idee, welche nun dieses Jahr verwirklicht wird. Doch zuvor werde ich noch für zwei Tage in der Hauptstadt der russischen Föderation verbringen. Moskau, eine der letzten Städte, die mich noch wirklich interessieren. Ich bin schon sehr gespannt darauf. In circa vier Stunden wird die Maschine landen, und anschließend werde ich mich mit einer der berühmtesten Metros der Welt dieser Stadt zu nähern.
Das hat bis jetzt wunderbar geklappt. Im Flugzeug habe ich auch schon die erste Russin kennengelernt. Irina, meine Sitznachbarin auf dem Flug nach Moskau. Sie lebt in Deutschland und absolviert ein Fernstudium in ihrer Heimatstadt im Ural, weshalb sie nun zu ihren Prüfungen anreisen wird.
Obwohl die Einreisekarten nur mit kyrillischen Buchstaben gedruckt sind, hat meine Einreise gut geklappt, da ich die Einreisekarten gut aus dem Reiseführer abschreiben konnte. Nun sitze ich im Expresszug vom Flughafen in die Stadt und bin dabei, mein Abenteuer zu beginnen. Zu meiner ersten Überraschung stelle ich fest, dass es hier ziemlich warm ist und ich erst einmal ein paar Kleidungsstücke ablegen muss. Im Expresszug lerne ich noch einen Typ aus Wien kennen, mit dem ich mich die Fahrt über nett unterhalte. Am Schluss zeigt er mir noch den Weg zum Metro-Ticket-Schalter und bringt mir den russischen Ausdruck für 10 Fahrscheine bei.
Der Einstieg in die richtige Metro war schließlich gar nicht so einfach, wie ich mir das vorgestellt hatte. Die Schilder waren alle nur mit kyrillischen Buchstaben beschriftet. Aber auch in Moskau gibt es junge Leute, die englisch sprechen, und so konnte ich mit einigen Nachfragen in den richtigen Zug einsteigen. Während der Fahrt zählt man dann einfach die Stationen und trifft den richtigen Punkt auf dem U-Bahn Plan. So bin ich nun im Hotel angekommen und habe gleich eine Dusche genommen. Dann mache ich mich auf dem Weg in die Stadt, um etwas zu essen.
Ich gehe wieder zur Metro und fahre zum Kreml. Ich bin beeindruckt, als ich kurz darauf auf dem Roten Platz stehe und vor mir die Basilius-Kathedrale angestrahlt stehen sehe. Der Platz ist hell erleuchtet und bietet einen überwältigenden Anblick.
Nach dem Kampf mit Hunderten anderer Leute im Frühstücksraum gehe ich nun gestärkt ans heutige Werk. Vera trifft mich pünktlich zur Stadtrundfahrt und dem Besuch des Neujungfrau-Klosters. Unser Fahrer steht auch schon bereit, und es geht gleich los. Der Verkehr ist heftig und die zahlreichen Luxuskarossen auf den Straßen fallen schon ins Auge. Je größer desto besser! Wir kommen am weißrussischen Bahnhof vorbei, einem von neun Bahnhöfen in der Stadt, sehen das ehemalige KGB-Gebäude, das Rathaus und bewegen uns in Richtung Kreml. Nachdem wir den Roten Platz passiert hatten, halten wir auf der rechten Seite an und steigen aus. Wir haben einen wunderbaren Blick auf die Basilius Kathedrale, wobei ich erfahre, dass die neun Zwiebeltürme neun Städte symbolisieren, die beim Sieg über die Tataren wieder befreit wurden. Bei der Kathedrale handelt es sich eigentlich mehr um ein Museum als um eine Kirche, da das Gebäude nie als Gotteshaus genutzt wurde.
Weiter geht es zur Erlöser-Kathedrale, die zum Gedenken an den Sieg über Napoleon errichtet wurde und alle Schlachten und sämtliche Namen der Gefallenen innen an den Wänden trägt. 1931 wurde die Kathedrale unter Stalin gesprengt, um auf dem Grundstück den Palast der Sowjets zu errichten. Dazu kam es jedoch nie, da sich der Boden und das Fundament als ungeeignet erwiesen hatten. So hat sich über Jahre hinweg dort nur eine Badeanstalt befunden. Während der Perestroika wurde die Kathedrale wieder originalgetreu aus Marmor aufgebaut. Dabei wurden für die Kuppeln und das Innere über 400 kg Gold benötigt und verbaut.
Schließlich erreichen wir das Neujungfrau-Kloster, dem zweitwichtigsten Ort nach dem Kreml in der Zarenzeit, da hier die Gemahlin und die Töchter des Zaren wohnten, zum Teil auch in einer Art Gefängnis. Wir erkunden das doch recht weitläufige Gelände und besuchen die Summer-Kathedrale oder mit richtigem Namen Smolensker Kathedrale. Die Kathedrale ist innen über und über mit Ikonen überfüllt. Die vier mächtigen quadratischen Säulen, die mit umfangreichen Fresken verziert wurden, ergeben zusammen mit den Ikonen und der Beleuchtung durch die mächtigen Kronleuchter ein imposantes Gesamtbild.
Im Gewölbe des Hauses, in dem Zar Peter der Große seine Halbschwester einsperren ließ, sind wir in den Genuss einer Hörprobe von einer russischen Volksmusik-Gesangsgruppe gekommen. Die fünf Sänger haben extra für uns beide noch einmal gesungen. Mit einer unheimlichen Breite und Tiefe der Stimmen jedes einzelnen, wie man sie selten zu hören bekommt.
Weiter geht unsere Fahrt zur größten Universität Moskaus, der Lomonossow-Universität, die auf einem Hügel oberhalb der Moskwa gelegen ist und in 40 Fakultäten 90.000 Studenten beherbergt. Von hier aus haben wir einen umfassenden Blick über die Stadt und können alle bedeutenden Häuser und Kathedralen erkennen.
Wir fahren anschließend an der Moskwa entlang, sehen im Vorbeifahren noch das Weiße Haus und erreichen schließlich die Manege. Dabei handelt es sich um die Ausstellungshalle gleich neben dem Kreml, die ebenfalls aufgrund des Sieges über Napoleon erbaut wurde. Von hier aus mache ich mich selbst auf die Tour und schlendere so durch die Arbat-Straße, der ältesten Einkaufsstraße Moskaus. In der neuen Arbat-Straße, in der es sehr viele hochwertige Geschäfte und noch viel mehr hochwertige Luxuskarossen davor gibt, gehe ich in ein gutes russisches Restaurant. Hier esse ich am „all you can eat“ Buffet und trinke dazu ein Bier.
Als der Magen wieder gut gefüllt ist, fühle ich mich wieder wohl. Anschließend nehme ich mir vor, die schönsten Metrostationen zu besuchen und mich für die nächsten zwei bis drei Stunden in den Untergrund zu begeben. Nachdem ich mir gestern ein System zur Orientierungen zurecht gelegt habe, ist es nun ganz einfach, die einzelnen Stationen zu erreichen und zu finden. Zunächst imponiert einmal, wie tief sich die Stationen im Untergrund befinden. Teilweise steht man fast 2 Minuten auf den Rolltreppen, die mit erheblich größerer Geschwindigkeit als bei uns laufen. Unten angekommen fallen zuerst einmal die klaren Strukturen der Stationen auf, die alle denselben Aufbau besitzen. Gemeinsam ist allen Stationen auch die Verwendung von Marmor als Wandverkleidung. Die fünf schönsten Stationen fahre ich an und bin fasziniert, wie sich diese mit ihren Kronleuchtern und ausladenden Stuckdecken präsentieren. Als es dunkel wird, verlasse ich wieder den Untergrund und begebe mich nochmals auf dem Roten Platz, um einfach die bedeutenden Gebäude nochmals auf mich wirken zu lassen. Dabei schlendere ich noch ein wenig durch das Kaufhaus GUM, welches als eine Art Markthalle anstelle des Marktes, der ursprünglich auf dem Roten Platz abgehalten wurde, gedacht war. Heute befinden sich nur noch Luxus-Geschäfte in diesem Kaufhaus, so dass ein Normalbürger sich dort kaum oder gar nichts mehr leisten kann.
Heute geht es in das Herz Russlands, den Kreml. Nach einer Stunde Fahrt erreichen wir den Kreml. Nachdem ich meine Tasche in einem Schließfach deponiert hatte, gehen wir durch den Alexandergarten und betreten den Kreml durch den Borowizkij-Turm, von wo aus wir zuerst zur Rüstkammer gelangen. Bei der Schatzkammer des Kremls handelt es sich sicherlich um eine der bedeutendsten Ausstellungen der Welt. In den roten, braunen, grünen und ockerfarbenen Sälen ist in großen Vitrinen der Schmuck der Hauptikone Russlands zu sehen, die jeder Zar für diese Ikone neu anfertigen ließ. Zudem werden sehr viele prunkvolle Geschenke der europäischen Königshäuser ausgestellt. Die Kelche, Vasen, Platten, Teller, Porzellan und Waffen waren sehr imponierend. Besonders beeindruckend ist, mit welchen handwerklichen Fähigkeiten diese Stücke angefertigt wurden. Mehrere prächtige Eier von Fabergé waren ebenfalls ausgestellt. Dabei ich musste lernen, dass diese früher eigentlich nur als Überraschungseier gedient haben. Wie heute kam es auf die Überraschung über den Inhalt an, der sich nach dem Öffnen präsentierte. In einem dieser Eier befand sich sogar ein Modell der transsibirischen Eisenbahn. Ich dachte, das passt richtig gut zu meinem Vorhaben.
Vera hatte natürlich darüber derart viel zu erzählen, dass ich mir dies alles gar nicht merken konnte. Die nächste große Halle beinhaltete die Ausstellung der Thronstühle, Gewänder und Kleidung, die über und über mit Perlen und Gold verziert waren. Auch die Hochzeitskleider der Zarinnen konnte man betrachten. Eine in der Welt einmalige Ausstellung von Kutschen, in einer Anzahl wie man es sich kaum vorstellen konnte, war ebenfalls zu sehen. Während des Winters wurden an Stelle der Kutschen Schlitten benutzt, mit denen man in drei Tagen St. Petersburg erreichen konnte. Für die damalige Zeit eine irrsinnige Geschwindigkeit für die über 600 km lange Strecke.
Zweifels ohne, der Höhepunkt meines Besuchs im Kreml war die Besichtigung der Schatzkammer. Zu bestaunen gab es kiloschwere Goldstücke in den zentralen Vitrinen. In anderen Vitrinen liegen Hunderte von Rohdiamanten und geschliffenen Brillanten und funkeln im Licht. In weiteren Vitrinen sind die Krone, verschiedene Schmuckstücke und Diademe des Zarenreichs zu sehen. Dabei wurden die Farben Russlands im Zepter, Apfel und in der Krone in Form von verschiedenen Edelsteinen abgebildet. Es breitet sich ein so unglaublicher Reichtum vor einem aus, das man dies in der Kürze der Zeit gar nicht richtig begreifen kann.
Nachdem wir die Rüstkammer wieder verlassen hatten, passieren wir den großen Kreml-Palast und gehen zum Kathedralenplatz. Wieder bin ich begeistert. Die goldenen Kuppeln der Mariä-Himmelfahrt-Kirche, wo früher Zaren gekrönt wurden, die Kuppeln der links danebenstehenden Maria-Verkündigungs-Kathedrale und die sich rechts befindendliche Erzengel-Kathedrale strahlen im Sonnenschein und sind ein wunderschöner Anblick. Zuerst gehen wir in die Krönungskirche hinein, und wir sehen uns die Ikonen, Bilder, Betstühle und Throne an. In der Erzengel-Kathedrale befinden sich die Gräber vieler Großfürsten und Zaren. Anschließend gehen wir am Glockenturm „Ivan der Große“ vorbei und besichtigen die größte Glocke der Welt, die mit ca. 200 t Gewicht leider ein Fehlguss war und deshalb nie einen Ton von sich gegeben hat. Die Besichtigung der Zarenkanone rundet den Besuch im Kreml ab. Von weitem kann man noch die Gebäude der russischen Regierung innerhalb des Kremls betrachten, jedoch ohne Zutritt zu bekommen. Vera und ich verabschieden uns voneinander, da der offizielle Teil vorüber ist, und ich mache mich wieder einmal auf den Weg zum Roten Platz, um noch ein paar Fotos bei Tageslicht schließen zu können. Weiter führt mich mein Weg zur Moskwa, da ich mit dem Boot fahren will. Ich finde sogar gleich den Bootsanleger und kaufe mir ein Ticket. Nach 20 Minuten gehe ich an Bord und nehme einen Platz am Sonnendeck mit bester Aussicht, denn es ist nicht viel los. Die Fahrt dauert eine Stunde, führt an der Basilius Kathedrale, dem Kreml, der Erlöserkirche vorbei den Fluss hinunter. Im Moskwa Bogen sieht man das Lenin Olympiastadion und gegenüber die Ski-Sprungschanze sowie hoch oben auf dem Berg das Lomonossow-Universitäts-Gebäude. Es ist eine der so genannten „sieben Schwestern“, welche in Zuckerbäckerstil unter Stalin erbaut wurden. Am Kiewer Bahnhof steige ich wieder aus und gehe Richtung Arbat Straße, wo ich gestern bereits war. Dort kehre ich in das Restaurant My My ein und esse etwas. Auch diesen Tipp habe ich von Vera bekommen und wurde nicht enttäuscht. Anschließend schnappe ich eine Metro und fahre wieder ins Zentrum zurück, um mich einfach ein wenig treiben zu lassen. Die Hektik der Stadt, die allgegenwärtig ist, perlt an mir ab. Ich genieße es, nicht getrieben zu sein. Als die Zeit schon fortgeschritten ist, fahre ich wieder zurück ins Hotel, so dass mein eigentliches Sibirien-Abenteuer nun beginnen kann.
Zurück im Hotel bin ich über den russischen Service „begeistert“. Zum Umziehen gibt es vor meiner Abreise in diesem riesigen Hotel kein Zimmer oder Raum. So etwas habe ich noch nicht erlebt. So zwänge ich mich mit meinem Gepäck in die Toilette und mache mich noch am Waschbecken etwas frisch. Mein Transfer zum Bahnhof klappt sehr gut. Als ich im Auto sitze und auf dem Weg zum Bahnhof bin, denke ich darüber nach, was so alles auf mich zukommen kann. Ich stelle mir gerade vor, ich werde nur mit drei Russisch sprechenden Menschen in einem Abteil sitzen, die womöglich auch noch die ganze Nacht schnarchen werden! Auf was habe ich mich wohl eingelassen?
Als wir am Bahnhof ankommen, zeigt mir der Typ gerade noch die Türe, durch die ich hineingehen soll. Ich frage mich durch und finde schließlich das richtige Gleis. Hier steht gerade noch ein anderer Zug nach Tomsk und so warte ich darauf, dass dieser abfährt. Als der Baikal Express eingesetzt wird, öffnen die Offiziellen den Bahnsteig und Dutzende von Leuten setzen sich in Bewegung. Die ersten Wagen am Ende des Zuges sehen nicht sehr einladend aus, als ich durchs Fenster einen Blick ins Innere erhaschen kann. Aber zum Glück ist die zweite Klasse etwas weiter hinten und ich finde auch gleich den richtigen Wagen, in dem sich mein Abteil befindet. An der Tür bemerke ich, dass ein Englisch sprechendes Pärchen vor mir steht. Als sich dann noch herausstellt, dass wir im selben Abteil sind, lösen sich meine Befürchtungen in Wohlgefallen auf. Merel und Daan kommen aus Holland, und wir kommen natürlich gleich lebhaft ins Gespräch. Zudem erfahre ich auch schnell, dass sie ebenfalls bis Irkutsk fahren und anschließend die Insel Olchon besuchen, so dass wir wohl länger gemeinsam unterwegs sein werden. Da es bereits weit nach Mitternacht ist, machen wir uns zum Schlafen fertig. Die Betten sind lang und bequem, so dass ich recht schnell einschlafe.
Morgens gegen halb neun werde ich wach. Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel und erleuchtet die herbstlich gefärbten Wälder vor dem Fenster in leuchtendem Gelb und Rot. Wir sind auf dem Weg! Die erste Tasse Tee und das gemeinsame Frühstück folgen. Unser russischer Mitreisender, der gestern noch Wodka kreisen ließ, hat uns bereits heute Morgen verlassen, und somit ist das vierte Bett nun unbenutzt. Die Fahrt im Zug selbst ist recht entspannend und wir verstehen uns gut. Wir haben bereits die erste Zeitzone durchquert und der Tag neigt sich schon dem Ende, wir rollen jedoch weiter nach Fernost.
Ich werde wieder wach, als die Sonne bereits ins Fenster scheinen. Die Landschaft ist immer noch dieselbe wie gestern: Birken soweit das Auge im flachen Land sehen kann. Wir unterhalten uns, lesen, schauen aus dem Fenster und wundern uns dabei, wie viel entlang des Schienenstrangs zu sehen ist. Wir sind in Asien angekommen und haben heute Nacht den Ural passiert. Alle vier bis sechs Stunden gibt es einen Stopp für circa 20 Minuten, bei dem die Leute den Zug verlassen können. Heute lernen wir noch Beck und ihre Freundin kennen. Zudem treffen wir Diana, einen Russen auf dem Weg nach Hause, der recht gut englisch spricht. Die zwei Mädels sind auf dem Weg nach Melbourne, nachdem sie drei Jahre in London gearbeitet haben.
Als wir abends zum ersten Mal den Speisewagen besuchen, treffen wir noch Steve aus England. Er hat sein Haus verkauft, seine Arbeit gekündigt, das Auto weggegeben und wird innerhalb der nächsten Wochen von London nach Bangkok fahren, um dort Englisch zu unterrichten. Wir kippen noch ein paar Bier im Speisewagen und machen uns anschließend für die Nacht fertig. Durch das „Tschiding, Tschiding“ der Schienen und das sanfte Schaukeln schlafen wir im Handumdrehen ein. Wir rollen immer noch nach Osten.
Wieder ein neuer Tag und bereits zwei weitere, nun drei Zeitzonen, im Osten. Der Himmel ist weiter bedeckt, aber wir sind trotzdem guter Stimmung. Wir machen Frühstück, lesen, essen und schauen aus dem Fenster. Als wir gegen Mittag Krasnojarsk erreichen, ändert sich die Landschaft endlich. Es wird hügeliger. Die Datschas sind schöner hier, und auch die Stadt sieht viel aufgeräumter aus als alles, was wir bisher sehen konnten.
Steve schaut herein und wir reden ein bisschen, da er keine Unterhaltung hat mit seinen drei russischen Mitfahrern im Abteil. Dabei denke ich, dass ich richtig Glück hatte mit meinen Mitfahrern. Als wir mal wieder über eine große Brücke fahren, kommt uns genau zu diesem Zeitpunkt wieder einmal ein Güterzug entgegen. Es ist schon enorm, wie viele Züge uns im Laufe des Tages entgegenkommen. Dabei sind es natürlich hauptsächlich Züge beladen mit Kohle und Rohöl, dem Reichtum Sibiriens.
Am Abend trinken wir noch zwei, drei Bier und ich lege mich wieder aufs Ohr. Somit ist bereits der dritte Tag in der Bahn vorbei, und morgen soll ich schon aussteigen, ich kann es noch kaum glauben.
Ich werde wachgerüttelt, weiß im ersten Moment gar nicht, was los ist und erkenne dann unsere Schaffnerin. In nicht ganz zwei Stunden erreichen wir schon Irkutsk, unser Ziel. Wir sollen uns fertigmachen und unser gesamtes Geraffel zusammenpacken. Es bricht fast ein bisschen Hektik aus, als wir feststellen, wie sehr wir uns in den letzten drei Tagen im Abteil eingerichtet hatten. Aber wir bekommen soweit alles auf die Reihe, dass wir sogar noch eine halbe Stunde haben, bevor der Zug im Bahnhof einfährt. So sitzen wir und genießen die letzten Meter unserer 5.100 km langen Fahrt. Wir rollen sehr langsam in den Bahnhof ein, wie wir es eigentlich bei jedem Bahnhof getan haben. Es ist eben doch eine Langstrecke und nicht Hochgeschwindigkeit. Schließlich hältd er Zug mit quietschenden Bremsen. Ich kann schon durch das Fenster draußen meinen Namen auf einem Schild erkennen. Wir verabschieden uns noch voneinander und dann steige ich aus. Irkutsk die Stadt in der Baikal Region, direkt an der Angara, dem Abfluss des Baikals Sees.
Nach kurzer Vorstellung gehen wir zum Auto. Während der Fahrt bekomme ich sämtliche nützliche Dinge über die Stadt erklärt und komme schließlich an einem sehr alten, traditionellen Holzhaus an, in dem meine Gasteltern wohnen. Urba, die ältere Frau spricht nur russisch. Die wichtigen Dinge im Haus jedoch stehen auf kleinen Zetteln in englischer Sprache. Mein Zimmer ist hübsch und gemütlich eingerichtet. Als ich wieder aus der Dusche komme, fühle die ich mich wie neu. Ich bin im Herzen Sibiriens angekommen!
Zu meinem Stadtrundgang ziehe ich alleine los, suche jedoch erst einmal sehr lange die Post. Diese finde ich dann in einem recht unscheinbaren Gebäude und werde meine Postkarten los. Gleich nebenan setze ich mich in ein Café und esse zuerst einmal zu Mittag. Das Essen ist lecker, und die Bedienung im Minirock auch.
Als ich wieder auf die Straße trete, lugt sogar die Sonne ein wenig hervor und die schmutzigen Straßen mit ihren riesigen Wasserpfützen sehen gar nicht mehr so trist aus. Am Nachmittag treffe ich Vera, meine Fremdenführerin für die Stadtbesichtigung. Nein, natürlich eine andere Vera als in Moskau. Sie erklärt, wie die Stadt gegründet wurde, zeigt mir die Erlöserkathedrale und weist mich auf die unterschiedlichen Religionen und Kirchen in der Stadt hin. Die Erlöserkathedrale ist das älteste Steingebäude in Sibirien und zugleich sehr selten als zweistöckiges Gebäude gebaut. Zudem besitzt das Gebäude auch noch auf der Außenfassade Fresken. Oben befindet sich die Sommerkirche und unten die Winterkirche. Die unmittelbar benachbarte Kirche ist die Erscheinungs-Kirche, die wieder für Gottesdienste genutzt und innen momentan mit Fresken bemalt wird. So erlebe ich zum ersten Mal, wie Fresken hergestellt werden. Wir gehen weiter die Leninstraße hinunter und wechseln dann die Straße in Richtung Zentralmarkt, biegen jedoch vorher rechts ab und gehen die Hauptstraße runter zur Angara. Dabei kommen wir am Lenin-Denkmal, dem Theater und am Heimatkundemuseum vorbei. Das Museum besichtigen wir anschließend und ich erfahre etwas über die Geschichte der Jakurten, Bujarten und Enwenken, die in dieser Gegend immer noch die Hauptbevölkerungsgruppe bilden.
Das Weiße Haus, welches die erste Villa der Stadt war, ist heute die Bibliothek der Uni und bildet den Abschluss unseres Stadtrundgangs. Da es recht kalt ist, mache ich den Vorschlag, dass wir noch gemeinsam in ein Café gehen, um uns aufzuwärmen. So sitzen wir noch fast zwei Stunden zusammen und unterhalten uns. Auf dem Rückweg treffe ich noch Daan und Merel, meine Bekannten aus dem Zug. Spontan verziehen wir uns in ein anderes Café und unterhalten uns bei einer heißen Schokolade, die so ganz anders ist, als wir sie in Westeuropa kennen. Denn es handelt sich wirklich um pure flüssige Schokolade und schmeckt lecker!
Als ich gestern nach Hause kam, hat sich Vera noch einmal gemeldet, um mir mitzuteilen, dass der Ausflug auf die Insel Olchon trotz defekter Fähre klappen wird. Sie haben einen entsprechenden Transfer organisier, obwohl der Bus aufgrund der defekten Fähre nicht fährt.
So werde ich gegen 8:30 Uhr abgeholt, wir laden noch ein Ehepaar aus Australien ein, tanken noch schnell, und dann geht es los. Nachdem wir Irkutsk verlassen haben, sind wir nun mitten in der Steppe, kilometerweit ist nichts außer Graslandschaft zu sehen. Die Straße ist recht gut ausgebaut, was unser Fahrer natürlich bis zum Letzten ausnutzt und vom Ford-Transit alles abverlangt. Aber ich glaube, so fahren alle in Russland. Im Verkehr geht es nach dem Recht des Stärkeren, was man vor allem als Fußgänger schnell merkt.
Wir durchstreifen die Steppe, bremsen zweimal scharf ab, da irgendwelche Kühe der Ansicht sind, über die Straße trotten zu müssen und kommen schließlich an dem Abzweig zum Baikal See. Es wird hügeliger und es gibt wieder mehr Bäume. Die vielen goldfarbenen Lärchen leuchten und prägen das Bild. Wir kommen etwas höher, sehen den ersten Schnee am Wegesrand liegen. Ich glaube, dass ich gleich noch eine weitere Jacke aus dem Rucksack anziehen muss. Nach mehr als zwei Stunden Vollgas machen wir eine Mittagspause und essen eine Borschtsch, die berühmte russische Suppe. Dazu einen Tee und eine Art russische Maultasche, die sehr lecker schmeckt. Im Auto zurück ziehe ich mir gleich eine Jacke an und bin nun überzeugt, dass ich nicht zu viele warme Klamotten dabei habe. Nach einer Weile geht die Straße in eine Schotterpiste über, was unseren Fahrer in kleinster Weise zu irritieren scheint, denn er bleibt voll auf dem Gas. Etwas vorsichtiger wird er erst, als wir an einem japanischen Auto vorbeikommen, welches wohl gerade nach einem Überschlag auf dem Dach liegen geblieben ist. Schließlich erreichen wir den Anleger. Andre telefoniert und teilt uns danach mit, dass wir in etwa einer Stunde mit dem Boot übersetzen und auf der anderen Seite abgeholt werden. So bleibt noch ein wenig Zeit, um uns umzuschauen. Ich erklimme einen kleinen Aussichtspunkt. Ich streife mir bereits auf den ersten Metern meine Handschuhe über und als wir einen Blick über die Klippe nehmen, bläst der Wind richtig ins Gesicht.
Auf dem Boot geht es einigermaßen, denn die Fahrt ist nur sehr kurz. Wir haben jedoch zum ersten Mal den freien Blick auf den eigentlichen See und nicht nur auf die riesige Bucht zwischen Olchon und dem Festland. Mit dem berühmten russischen Militärfahrzeug URZ fahren wir weiter, sind nun sogar ein Teil einer Tour und haben somit noch das Vergnügen, auf einen Aussichtspunkt an der Westküste der Insel zu fahren. Hier bläst einen der Wind fast um, aber durch die tief hängenden Wolken auf der anderen Seite und die schneebedeckten Gipfel im Hintergrund ergibt sich ein wunderbarer Ausblick auf den See. Wir können aber nur ein paar Minuten bleiben und kehren zu unserem Bus zurück, um nach Kuschir zu fahren und im Nikita’s abzusteigen. Dort beziehe ich ein sehr schönes Holzhaus, beziehungsweise Zimmer, und wir heizen gleich den Holzofen an.
Nachdem ich meine Sachen abgeworfen habe, schaue ich mich ein wenig in der Siedlung um. Straßen gibt es eigentlich keine nur einen Raum zwischen den Häuserreihen, die zum Teil wunderschön aus Holz gebaut sind. Ich mache einige Fotos und kehre recht verfroren wieder zurück. Als ich in mein Zimmer eintrete, merke ich noch nicht viel von wohliger Wärme. Auch die Steine des Ofens sind kaum merklich warm. So stecke ich das ganze Holz, welches ich bekommen habe, nach und nach während der nächsten Stunde in den Ofen und merke, dass es langsam Wirkung zeigt. Eine mühsame Angelegenheit. Als ich nach dem Essen ins Zimmer komme, ist der Ofen heiß und das Zimmer mollig warm, so dass ich den anderen Bescheid sage, dass wir wohl hier unseren Film anschauen sollten, da es einfach wärmer ist als in deren Zimmern. So sitzen wir noch zu fünft am Abend zusammen, trinken einige Biere und schauen uns einen russischen Film an.
Nach dem Frühstück melde ich mich zu einer Tour in den Norden der Insel an. Merel und Daan sind auch dabei, sowie ein Pärchen aus Neuseeland und ein dänischer Engländer namens Barry. Mit dem gleichen militärischen URZ wie auf der Fahrt hierher fahren wir nun aus der Stadt heraus. Die Sonne scheint, und wir alle freuen uns auf die Tour. Kurz nach dem Verlassen des Dorfs hört die Straße auf, und wir fahren nur noch einer Spur quer durch die Steppe hinterher. Auf der linken Seite ist der tiefblaue See mit seinen im Hintergrund leicht schneebedeckten Bergen zu sehen und vor uns das golden leuchtende Steppengras. Ein einmaliges Bild. Unser erster Stopp am Kap Dundun. Als wir aussteigen, bläst uns ein kalter Wind entgegen, aber das ist mir egal, denn die Aussicht ist so gut, dass es nicht zu beschreiben ist. Wir alle stehen nur auf der Wiese und staunen, machen natürlich auch ein paar Fotos und fahren nach einigen Minuten wieder weiter. Wir durchqueren das erste Wäldchen, wobei der Weg sehr viel holpriger wird. Aber wir schaffen es und erreichen eine wunderschöne Bucht mit einem einladenden Sandstrand. An dessen Ufer befand sich ein Gulag und eine dazugehörige Fischfabrik, von der man heute nur noch die Grundmauern erkennen kann. Die Überreste interessieren uns nur am Rande, denn wir schauen alle hauptsächlich aufs Wasser und lassen uns den Wind um die Haare wehen. Es ist herrlich hier draußen und man kann leicht nachvollziehen, dass sich die Leute hier im Sommer am Strand treffen, wenn es entsprechend warm ist. Dass dieses eisige Wasser im Sommer fast 20 °C erreichen soll, kann man sich heute jedoch nur sehr schwer vorstellen.
Weiter geht es über zum Teil heftig ausgewaschene Pfade zum Kap Assain, auch „Three Brother“ genannt, da es sich um drei Felsvorsprünge handelt. Hier sind wir schon recht hoch über der Wasserlinie, und die vom Wind gepeitschten Wellen schlagen tief unten gegen den Felsen. Schon allein der Blick auf das „kleine Meer“ des Baikals zeigt eine riesige Wasserfläche mit bis zu 10 km Breite. Wir stehen nur noch da und staunen.
Wir fahren weiter zu unserem eigentlichen Ziel heute, dem nördlichsten Punkt der Insel, dem Kap Choboy. Als wir aussteigen, pfeift uns der kalte Wind noch ein bisschen stärker um die Nase als bisher. Wir lassen uns jedoch nicht stören und machen uns auf den kleinen Fußmarsch zum Kap. Einige Kühe grasen hier noch, und wieder erlangen wir einen einmaligen Blick auf den eigentlichen See, der sich hier in einer Breite von über 70 km vor uns erstreckt. Das südliche und nördliche Ende sind natürlich nicht zu erkennen, da diese weit hinter dem Horizont liegen. Hier verbringen wir eine ganze Weile und genießen die unglaubliche Aussicht vom Kap. Die andere Seite des Baikals ist selbst heute bei absolut klarer Sicht nur im leichten Dunst zu erkennen.
Nach der Rückkehr vom Kap essen wir in einer windgeschützten Ecke zu Mittag. Unser russischer Fahrer hat bereits Feuer gemacht, über dem er die Suppe gekocht hat. Es gibt heißen Eintopf, dazu Brot, Tomaten und über dem Feuer am Dreibein hängt jetzt schon der Tee. Es ist fast wie in einer russischen Datscha. Die beiden Kiwis sind innerhalb von sechs Monaten auf dem Rückweg von England nach Neuseeland und haben natürlich für alles erheblich mehr Zeit. Sie wollen nach Olchon auch in die Mongolei weiter, jedoch drei bis vier Wochen. Barry, unser dänischer Engländer ist ein sechzigjähriger Globetrotter wie sich herausstellt, der bereits die ganze Welt gesehen hat und eine unglaubliche Geschichte nach der anderen aus den Siebzigern erzählt, als er Hippies im Bus von England bis nach Goa in Indien gefahren hat. Es ist allzumal wieder eine interessante Gruppe beisammen.
Nachdem alle wieder satt sind, fahren wir am östlichen Ufer der Insel nach Süden zurück. Dabei stoppen wir noch am Kap Schunte Lejewy, wo die Felsen sehr steil ins Wasser abfallen und wir aufpassen müssen, dass wir nicht vom Wind über die Klippe geweht werden. Ein Besuch der Wetterstation in Usury, wo ich noch unbedingt auf ein Pferd steigen musste, bildete den Abschluss der Tour. Von hier aus fahren wir, beziehungsweise holpern wir ,wieder zurück nach Kuschir und haben uns heute Abend unser Bier redlich verdient.
Ich lasse den Tag gemütlich anlaufen, stehe erst gegen 10:00 Uhr auf und gehe zum Frühstück. Dort lerne ich Deutsche kennen, die bereits ein halbes Jahr hier auf Olchon verbracht und im Hostel mitgearbeitet haben. So vergeht der Morgen recht schnell, so dass ich mich erst kurz vor Mittag auf den Weg zum Schamanen-Felsen mache. Davor treffe ich noch Vicky, mit der ich kurz plaudere. Zusammen gehen wir zum Wasser hinunter und strecken sogar die Füße hinein. Obwohl ich meine Füße nur bis zu den Knöcheln hineinstrecke, ist die Kälte des Wassers eindringlich, und so ziehe ich schon nach kurzer Zeit wieder meine Schuhe an. Ich verabschiede mich, gehe Richtung Felsen, verbringe dort einige Zeit und überlege mir, ob ich überhaupt zum Mittagessen zurückgehen soll. Da ich sowieso keinen Hunger habe, beschließe ich spontan, den Strand hinunter zu gehen und ein wenig in diese Richtung zu laufen. Zu Trinken gibt es ja genug! So laufe ich immer am Strand entlang, setze mich zwischendurch auf ein abgelegtes Boot und genieße die Aussicht. Als ich weiter gehe, kommen mir irgendwann Wendy und Michael, die beiden Australier, entgegen, mit denen ich zusammen hierher gefahren war. Sie geben mir eine Tomate und die Reste ihrer Butterkekse. So setze ich mich wenig später auf einen angeschwemmten Baumstamm und picknicke.
Als ich wieder am Schamanen-Felsen zurück bin, gehe ich noch ein Stück in die andere Richtung zum Hafen. Der Wind frischt wieder auf, was den Besuch im Hafen etwas frostiger macht. Die kleine Mole sieht schon schwer mitgenommen aus, und die Hälfte der Boote liegt an Land und korrodiert vor sich hin. Durch die vorbeiziehenden Wolken und die bereits tief stehende Sonne ergibt sich aber eine ganz eigene Atmosphäre. Am Hafen verbringe ich noch einige Zeit, bevor ich mich schließlich auf den Rückweg mache, mein Magen knurrt. Das Essen ist wieder einmal gut und die Biere schmecken zusammen mit den anderen natürlich wieder wie immer sehr gut. Somit hatte ich heute einen recht entspannten Tag und konnte das gute Wetter genießen.
Leider muss ich heute die Insel Olchon schon wieder verlassen, wobei gestern noch vier Leute aus meiner Heimatstadt angekommen sind. Es ist immer wieder erstaunlich, wie klein die Welt doch ist. Jedenfalls haben wir uns recht gut unterhalten und von irgendwoher ist zu meinen Bieren dann auch noch eine Flasche Wodka aufgetaucht, aus der im Raum kräftig eingeschenkt wurde. Jedenfalls war es ein lustiger Abend, weswegen ich heute mit einem kleinen Handicap in den Minibus steige. Ich bin überrascht, dass der Bus voll ist und das Gepäck aufs Dach geladen wird. So fahren wir los und erreichen nach fast einer Stunde die Fähre, welche wieder repariert und in Betrieb ist. Wir müssen noch warten und genießen noch einmal die Landschaft in strahlendem Sonnenschein.
Als wir auf die Fähre fahren, dirigieren die Leute noch eine riesige Baumaschine aufs Deck, welche nur um Haaresbreite drauf passt. Die Überfahrt ist schnell gemacht und auch das Entladen, so dass wir uns gleich auf den Weg machen können. Am Fenster fliegen die gelbgolden leuchtenden Wälder und Steppen nur so vorbei. Gegen Mittag kehren wir ein, um etwas zu essen und erreichen viel früher als erwartet Irkutsk.
Nach einer kleinen Wartezeit in der Busstation werde ich abgeholt und zu meiner letzten Unterkunft gefahren. Ich bin also wieder zurück von meinem Olchon-Trip. Nach einer herrlichen Dusche mache ich mich auf dem Weg in die Stadt, die heute am Samstag voll von Leuten ist, die einkaufen und flanieren. Vor allem sind sehr viele junge Leute zu sehen. Die Fußgängerzonen und das Kaufhaus zeugen wirklich vom Leben. Da die ganzen Geschäfte eigentlich überall gleich aussehen, verziehe ich mich in ein Café und gönne mir ein Steak. Frisch gestärkt kaufe ich noch etwas zu Trinken, um anschließend zur ewigen Flamme zu gehen. Dort stelle ich fest, dass hier heute überall geheiratet wird. Ich treffe auf vier Hochzeitpaare, die sich hier einfinden und sich in der Abendsonne fotografieren lassen. An der Angara bleibe ich noch eine ganze Weile und beobachte das „Sehen und Gesehen“ werden. Es ist ein lauer Herbsttag in Sibirien.
Vor 4:00 Uhr stehe ich auf, um meinen Zug zu erreichen. Nach dem Frühstück steht auch schon das Taxi bereit, und ich verabschiede mich schnell von Elene, so dass sie sich wieder hinlegen kann. Wie erwartet bin ich in 5 Minuten am Bahnhof und betrete die Bahnhofshalle eine Stunde, bevor der Zug einfährt. Aber was soll’s, nun bin ich schon wach und freue mich auf die Fahrt entlang des Baikals.
Der Zug kommt pünktlich, und wir besteigen einen fast leeren Waggon. Heute teile ich mir das Abteil mit einem Pärchen aus England. Kurz nach der Abfahrt legen wir uns gleich noch einmal schlafen, da es sowieso dunkel ist. Nach eineinhalb Stunden werde ich wieder wach, gerade rechtzeitig zum Sonnenaufgang über dem Baikal. Es ist ein gewaltiges Bild. Der Zug folgt dem See nur wenige Meter vom Wasser entfernt. Die Sonne steigt höher und je länger wir dem Seeufer folgen, desto breiter wird der See. So fahren wir fast drei Stunden am Ufer entlang, was auch zum Teil damit zu tun hat, dass wir streckenweise nur sehr langsam vorankommen. Der See und die ihn umgebenden Berge, die am Horizont in den See zu versinken scheinen, beeindrucken in ihrer Schönheit.
Nachdem wir vor wenigen Minuten die Küste des Baikals wieder verlassen haben, fahren wir wieder durch die Steppe mit ihren goldgelben Birken. Nichts deutet daraufhin, dass in nur wenigen Kilometern hier der größte Süßwassersee der Welt liegt. Im Schneckentempo kriechen wir Richtung Ulan-Ude. Als wir den Fluss Selenga erreichen, ist die Landschaft wieder anspruchsvoll und fotogen.
Der Bahnhof in Ulan-Ude leuchtet im Sonnenschein. Wir haben eine halbe Stunde Aufenthalt und sehen dabei, wie die Lok gewechselt wird. Männer prüfen die Drehgestelle und füllen wieder den Kohlevorrat für den Samowar. Einige Reisende versorgen sich mit Getränken und Essbaren. Dann geht es weiter und wir biegen nach ungefähr einer Viertelstunde auf die mongolische Strecke ab, die nur eingleisig und nicht elektrifiziert ist. Dafür bietet sich jedoch ein herrlicher Ausblick auf das Tal, nachdem wir die rauchenden Kamine von Ulan-Ude hinter uns gelassen hatten. Die Landschaft ist sehr abwechslungsreich und leuchtet herrlich im Sonnenschein. Der Fluss, dem wir folgen, entspringt überraschenderweise einem großen See dessen Ufer unser Zug im Schneckentempo folgt. Wir erreichen eine Ausweichstelle, lassen zwei Züge in Gegenrichtung passieren und fahren Richtung Grenze. Auf der Fahrt dahin nehmen wir noch eine Kuh mit, die sich um ein Drehgestell eines Wagens wickelt. Nach fast einer halben Stunde Rangierfahrt war es endlich möglich, sie wieder loszuwerden. Die beiden Hälften des Tierkadavers wurden am Rand der Schienen liegen gelassen.
So erreichen wir schließlich den Grenzbahnhof auf russischer Seite. Die Zöllner kommen recht schnell, nehmen sich unsere Pässe und bleiben dann für mehr als vier Stunden verschwunden. Zwischendurch wird noch die Zolldeklaration angeschaut und auch sämtliche Abdeckungen in unserem Abteil geöffnet. Ansonsten bleiben wir unbehelligt und bekommen kurz vor unserer Weiterfahrt die Pässe zurück. Wenig später wiederholt sich das Schauspiel auf mongolischer Seite erneut, nur mit dem Unterschied, dass ich von einer hübschen Zöllnerin in fließendem Deutsch angesprochen werde. Nach zwei Stunden geht es auch hier weiter, und die Fahrgäste können sich endlich um zwei Uhr morgens aufs Ohr legen. Gute Nacht!
Heute Morgen werden wir mit den harschen Worten: „Start, Start, Start!“ geweckt und wissen gleich, dass wir nur noch wenig Zeit haben, um aufzustehen und unsere Sachen zu packen, bevor der Zug in Ulan Bator einläuft.
Als ich dann nach dem Aussteigen auf dem Bahnsteig stehe, ist es höllisch kalt, aber meine Reiseführerin ist schon da. Wir haben noch sehr viel Zeit bis wir um 9:00 Uhr die Lamas im Gandan-Kloster zum Morgengebet in ihren orangefarbenen und roten Gewändern antreffen können. So machen wir zuerst einen Abstecher zur Bank, um Geld zu wechseln, anschließend zur Post, um Briefmarken und Postkarten einzukaufen und schauen uns dann noch auf dem Suche-Bator-Platz vor dem Parlamentsgebäude um. Als es Zeit wird, fahren wir zum Kloster und erleben dort, wie die Mönche ihren Tag mit tranceartigen Gebeten beginnen. Dabei sieht man bereits Kinder unter acht Jahren im traditionellen Gewand. Wir besuchen die verschiedenen Tempel, wobei es zwei unterschiedliche Arten von Mönchen gibt. Orange gekleidete, die nach dem Zölibat leben und rot gekleidete, welches dies nicht tun müssen. Sehr beeindruckend ist zudem die riesige Buddha Statue im Janraisig-Tempel die komplett mit Gold und Edelsteinen verziert ist und nach der Wende wiederaufgebaut wurde. Ja, auch in der Mongolei sprechen die Menschen von Wende, als im Jahr 1990 der Kommunismus zusammengebrochen ist.
Von hier aus fahren wir direkt in den Treldsch-Nationalpark östlich der Stadt zu einem Zeltlager, in dem ich zwei Tage bleiben werde. Das Ger-Lager befindet sich im Fuße einer großen Felsformation mit einem herrlichen Blick ins Tal. Zuvor machen wir jedoch noch einen Abstecher zum Schildkrötenfelsen, der einer Schildkröte tatsächlich sehr ähnlich sieht.
Nachdem ich meine Sachen abgelegt und ein leckeres Mittagessen hinter mich gebracht habe, schließe ich mich noch spontan einem Ausflug von zwei Schweden an. Zusammen fahren wir zu einer gigantischen Reiterstatue, deren Sockel sich noch im Bau befindet. Auf dem Rückweg machen wir Halt an einem Supermarkt und kaufen ein. Wieder zurück im Buuveit Camp genieße ich bei einem Bier die Aussicht und die Unterhaltung mit den zwei Schweden und einem Schweizer. Alle drei sind für mehrere Monate unterwegs und wissen noch nicht genau, wann es wieder zurück nach Europa gehen soll.
Als die Sonne untergegangen ist, wird es frisch und ich gehe zum Abendessen. Gleich anschließend wird mir der kleine Ofen in der Mitte meiner Behausung angeheizt. Es wird schlagartig warm, jedoch der Blick zur Decke mit der großen Öffnung lässt schon ahnen, dass dies nur von sehr kurzer Dauer sein wird. Nachdem ich dann noch meine nun völlig kaputte Jeans im Ofen entsorgt hatte, wickle ich mich in meine vier Decken im Bett ein.
Da es recht kalt ist, wache ich heute Morgen gegen 5:00 Uhr auf und kann meinen Atem leicht im Schein der Taschenlampe erkennen. Nachdem ich wieder eingewickelt bin, geht die Türe auf und mein Ofen wird wieder angeheizt. Als ich rüberschaue, sehe ich im Schein der Flammen das hübsche Gesicht einer mongolischen Frau. Als das Feuer brennt und sie mein Ger wieder verlassen hat, wird es gleich merklich warm und ich drehe mich um und schlafe wieder ein.
Nach dem Frühstück mache ich mich zu einem kleinen Spaziergang auf und steige auf der gegenüberliegenden Seite auf einen Felsen, setze mich dort in die Sonne und die genieße die Wärme bei absoluter Windstille. Tagsüber erreichen die Temperaturen noch gut 20 °C. Es ist schön hier. Kein einziger Laut ist zu hören, wenn man von dem einen oder anderen Insekt absieht. Gerade als ich wieder ins Camp abgestiegen war, kommt Hulan, meine Reiseführerin vorbei. So sehen wir uns noch mal wieder und reden miteinander. Zum Mittagessen gibt es heute Glasnudeln, die ich gar nicht mag. Die Leute sind jedoch so nett, dass sie mir sogar etwas anderes machen, als ich fast das ganze Essen stehen ließ. Echt eine Wucht!
Heute Nachmittag mache ich mich auf dem Weg zum großen Berg direkt hinter unserem Camp. Es geht steil bergan und ich muss ein paar Mal Pause machen, weil ich außer Atem bin. Aber schlussendlich erreiche ich den Gipfel und werde mit einer hervorragenden Aussicht belohnt. So setze ich mich und schaue mich um. Einige der Bergdolen umkreisen mich neugierig. Dabei fällt mir auf, dass man die Luftwirbel an den Flügeln der dahingleitenden Vögel hören kann. So ruhig und windstill ist es hier oben. Ich kann es kaum fassen. Auch das Tal der Schildkröte ist zu sehen. Man kann wirklich nachvollziehen, warum diese Gegend hier auch als Schweiz der Mongolei bezeichnet wird.
Nach einer frostigen Nacht, aus der ich wieder durch ein hübsches Gesicht beim Feuermachen erlöst wurde, war es an der Zeit, alles zusammen zu packen. Jedoch zuerst zum Frühstück mit warmer Suppe und Tee. Als die Sonne höher steigt, wird es auch gleich warm, und so genieße ich noch ein wenig die Aussicht, während ich auf die Fahrt zurück nach Ulan Bator warte. Bis zur Abfahrt zeigt uns der Typ noch, wie schnell ein Ger abgebaut werden kann. Und tatsächlich, nach weniger als 20 Minuten ist alles zusammengepackt. Echt erstaunlich!
Unsere Fahrt anschließend in die Hauptstadt funktioniert problemlos, wenn man vom Verkehrschaos absieht, welches in der Stadt herrscht. Irgendwie wird einfach fast ohne Regeln drauflosgefahren. Ein Abenteuer! Wir kommen bei meiner Gastfamilie an. Es ist von außen ein alter Plattenbau. Innen ist die Wohnung jedoch ansprechend und fast schon gemütlich, abgesehen von der Dusche, aus der mehr kaltes als lauwarmes Wasser strömt. Egal! Ich bin erfrischt und mache mich anschließend auf den Weg in die Stadt. Glücklicherweise ist es nicht weit zu Fuß. Am Postamt werfe ich meine Postkarten ein, wechsle noch Geld und mache mich auf zum Suche-Bator-Platz, auf dem ich mich in die Sonne setze. Die Stadt hat touristisch nicht sehr viel, was man sich anschauen könnte. Auf der Suche nach einem Supermarkt gehe ich ein wenig durch die Straßen, damit ich für die morgige Bahnfahrt einkaufen kann. Gleichzeitig bin ich auf der Suche nach einem Restaurant für heute Abend und bekomme als Tipp einen Hinweis auf ein mongolisches BBQ. Beim „all you can eat“ fülle ich mir wieder den Magen und trinke anschließend noch ein Bier in einer Kneipe. Nach kurzer Zeit schnappe ich mir ein Taxi und fahre zu meiner Gastfamilie zurück. Hier stelle ich erst jetzt fest, wie die Leute leben. Es ist nur eine 2-Zimmer-Wohnung, in der eine Mutter mit ihren drei Kindern wohnt. Sie selbst schlafen alle zusammen auf dem Sofa im Wohnzimmer.
Gegen 7:00 Uhr werde ich bereits abgeholt und zum Bahnhof gefahren. Der Abschied ist sehr kurz, so dass die Leute noch ein wenig weiterschlafen können. Als ich auf den Bahnsteig trete, geht gerade die Sonne auf. Es stehen bereits Dutzende von Menschen auf dem Bahnsteig und warten auf den Zug nach China. Es sind hauptsächlich Touristen. Nach dem Einsteigen gibt es noch etwas Konfusion, weil ein Pärchen Fahrkarten für zwei verschiedene Abteile hat, jedoch unbedingt zusammen in einem Abteil fahren will. So ziehen sechs verschiedene Leute um, wobei ich nach dem ganzen Durcheinander in einem Abteil mit drei Mädels aus Schweden lande.
Der Zug rollt an, und es geht jetzt auf die letzte Etappe nach China. Die Strecke außerhalb von Ulan Bator windet sich in Kurven und Schleifen, um an Höhe zu gewinnen. Es ist wieder einmal eine gemächliche Fahrt. So vergeht der Tag. Gegen Mittag wollen wir zusammen in den Speisewagen und stellen fest, dass dieser absolut voll besetzt und leider kein Tisch mehr zu bekommen ist. Guter Service im mongolischen Speisewagen zahlt sich eben aus. So werden wir uns wohl wieder wie üblich am Bahnsteig mit Vorräten versorgen müssen. Die Fahrt durch die Gobi ist abwechslungsreich und der Sonnenuntergang sehenswert. Mit den drei Mädels verstehe ich mich gut und es ist angenehm, mit ihnen zu reisen.
An der Grenze zu China auf mongolischer Seite läuft es recht gut, so dass nach einer Stunde der Zug wieder rollt. Auf der chinesischen Seite wird es spannend. Der Zug fährt dort erst im Bahnhof ein, der Zoll steigt zu und sammelt die Pässe für die Einreise ein. Ebenfalls wird der ganze andere Papierkram eingesammelt, den wohl sowieso niemand anschauen wird. Anschließend werden die Wagen des Zuges zu einer Halle rangiert und die erste Hälfte hineingeschoben. Die einzelnen Waggons werden entkoppelt und für den Spurwechsel vorbereitet. Dies ist mit einigen sehr heftigen Stößen verbunden, so dass die Leute auf den Bänken durchgeschüttelt werden. Als die zweite Hälfte des Zuges auf dem Nebengleis in die Halle rollt, werden unsere Waggons bereits von hydraulischen Hebern aus den Drehgestellen gehoben. Über einen Seilzug werden die russischen Drehgestelle unten weggezogen und gleichzeitig die chinesischen in Position gebracht. Dies geschieht natürlich unter einem Blitzlichtgewitter der Touristen wie bei einem Popkonzert. Als bei allen Waggons dies geschehen war, werden wir wieder abgelassen und die Waggons anschließend wieder gekoppelt. Danach wird der Zug wieder Richtung Bahnhof rangiert und steht dort kurz. Der Zoll steigt wieder ein und gibt die Pässe zurück. Gleich danach werden wir wieder einmal rangiert. Hin und her, vor und zurück. Klar! Der chinesische Speisewagen wird mitten im Zug eingegliedert. Als auch dies geschehen war, geht es wieder zum Bahnhof zurück. Bis jetzt sind mehr als drei Stunden vergangen, ohne dass jemand den Zug verlassen durfte und während derer die Toiletten geschlossen waren. Ein Engländer tänzelte bereits vor dieser Prozedur und durfte ausnahmsweise vor dem Spurwechsel im Bahnhof noch auf die Wagentoilette, nachdem er gedroht hatte, aus dem Fenster zu pinkeln. Nun stehen wir wieder im Bahnhof. Die Türen gehen auf, wir dürfen den Zug verlassen und haben etwas mehr als eine Stunde Aufenthalt. Wir steigen aus und rauchen erst mal eine Zigarette und genießen die frische Luft, als wir Richtung Bahnhofsgebäude gehen. Schließlich ist es kurz vor 1:00 Uhr als unser Zug nun endgültig nach Peking abfährt. Wir machen uns für die Nacht fertig und gehen schlafen.
Nach einer angenehmen Nacht wache ich fast ausgeschlafen auf und gönne mir zuerst einmal ein Frühstück im Speisewagen, da meine drei Mädels noch friedlich schlummern. Die Landschaft vor dem Fenster hat sich grundlegend geändert. Es sind wieder grüne Felder und Bäume zu sehen. Auch die Häuser sehen in der Bauweise anders aus als auf den letzten Kilometern. Das Wetter leider auch. Wir haben Hochnebel und es ist diesig, jedoch nicht mehr so kalt wie in den letzten Tagen. Noch fünf Stunden bis Peking! Kurz vor dem Ziel der langen Strecke verläuft die Trasse durch eine von hohen Bergen eingerahmte Schlucht, wobei der Zug immer wieder in zahlreichen und zum Teil sehr langen Tunneln verschwindet. Ich kann nicht aufhören, am Fenster zu stehen und hinauszuschauen. Es ist wunderschön. Als wir uns der Stadt nähern, sehen wir von der Bahn aus sozusagen die Hinterhöfe, was teilweise kein sehr schöner Anblick ist. Der Anblick zeugt nicht von einer Weltstadt, sondern eher von einem Moloch in der Dritten Welt. Doch schließlich bauen sich neben der Strecke viele neue Wohnblocks auf, wir erreichen das Zentrum und fahren in den Hauptbahnhof von Peking ein. Ich kann es eigentlich noch gar nicht glauben, dass damit meine Trans-Sibirien-Reise ihren Schlusspunkt erreicht haben soll. Sie endet einfach und unspektakulär, als ob man gerade aus einem Vorortzug ausgestiegen wäre. Der Abschied von Karoline, Martina und Marlin ist kurz und jeder geht wieder seiner Wege. So gehe ich Richtung Ausgang und trete auf den Vorplatz des Bahnhofs hinaus. Dort schnappe ich mit einem Taxi und fahre ins Hotel.
Es ist schön, wieder einmal eine warme Dusche zu nehmen und seine Sachen ausbreiten zu können. Nachdem ich mich wieder frisch fühle, richte ich noch die Sachen für den Wäsche-Service und mache mich anschließend auf in die Stadt, auf der Suche nach etwas zu essen. Nicht weit vom Hotel entfernt komme ich in Gassen voll mit Geschäften und hektischem Treiben. Ich schlendere durch und esse etwas in einem einfachen Restaurant. Es schmeckt sehr lecker. Dort treffe ich noch zufällig auf die drei schwedischen Mädels, aber mehr als ein kurzes „Hallo“ ergibt sich nicht. Nachdem der Magen wieder gut gefüllt ist, breche ich auf zum Platz des Himmlischen Friedens, auf dem jede Menge Menschen unterwegs sind. Es ist Golden Week in China, die wichtigste Ferienwoche. Auf dem Platz ist ein riesiger Springbrunnen aufgebaut und verschiedene, berühmte Bauwerke Chinas sind als Blumenkompositionen dargestellt. Ich lasse mich im nächtlichen Peking treiben und lande schließlich in der Einkaufsstraße. Als es bereits recht spät ist, nehme ich ein Taxi zurück ins Hotel. Wobei ich den Eindruck nicht los werde, dass die Taxifahrer sich nicht wirklich in ihrer Stadt auskennen, da auch dieser hier erst das Hotel anrufen musste, um sich den Weg erklären zu lassen. Nach einem Absacker im Hotel endet ein ereignisreicher Tag.
Heute Morgen regnet es, weshalb ich einfach länger liegen bleibe. Nach dem Frühstück will ich zunächst Geld wechseln, beziehungsweise meine Traveler Schecks einlösen. Dies wird jedoch ein schwieriges und zeitraubendes Unterfangen, denn dies geht nur bei der Bank of China, deren Filiale hier ums Eck geschlossen hat. So entscheide ich mich, in die Stadt zu gehen und dies auf dem Weg zu erledigen. Leider werde ich drei Mal irgendwohin geschickt, wo es entweder keine Filialen gibt, nur Automaten oder es sich nicht um eine Bank of China handelt. Gegen Nachmittag entscheide ich mich dann, mit meiner Kreditkarte mein Glück an einem Automaten zu versuchen, was glücklicherweise gleich auf Anhieb funktioniert. Somit bin ich zwar müde vom vielen Herumlaufen, jedoch wieder flüssig.
So mache ich mich schließlich zu meinem eigentlichen Ziel heute auf: den Hudongs von Peking in der Nähe des Houhai Sees. Dort treffe ich auf einen Rikscha-Fahrer, mit dem ich den Preis aushandle. So mache ich mich auf eine Tour durch die Hudongs von Dogmeichang. Es ist sehr entspannend, was mir ganz guttut. So lasse ich den alten Chinesen strampeln und genieße die Fahrt. Ich steige für den Besuch eines privaten, heute noch bewohnten Hauses aus, welches ich besichtige. Solch ein Haus besteht aus verschiedenen Einheiten. Die vier wichtigsten sind nach Feng-Shui Regeln nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet, wobei der Hausbesitzer im nördlichen Raum wohnen, die Söhne im westlichen und die Töchter im östlichen Raum. Im südlichen Raum befinden sich die Unterkunft der Angestellten und die Räumlichkeiten für Empfänge und Bewirtung von Gästen. Die Kirche und die restlichen Gemeinschaftsräume sind dazwischen etwas nach hinten versetzt angeordnet. Der Eingang, der zum Innenhof führt, ist immer versetzt, damit böse Geister keinen Zutritt haben, da diese nicht um die Ecken gehen können. Nun ja, man muss es glauben!
Insgesamt besuchen wir vier dieser Häuser, wobei zwei davon heute als Museum geführt werden. Diese sind von der Innenausstattung her gesehen sehr aufwändig gestaltet und beeindrucken doch sehr. Auf den Wegen dazwischen genieße ich das Chaos aus Rikschas, Menschen und Autos, die sich durch die engen Gassen zwängen. Es ist das ursprüngliche Peking, welches wohl dank der Touristen nur knapp der Vernichtung entgangen ist. Nach gut zwei Stunden ist die Fahrt zu Ende, und ich begebe mich gleich in eine Bar mit einer Dachterrasse und gönne mir ein kühles Bier, um das rege Treiben von oben beobachten zu können. Als es dunkel wird, gehe ich noch etwas essen und mache mich anschließend auf den Weg zum Platz des Himmlischen Friedens, um noch einige Nachtaufnahmen zu machen bevor ich meine heutige Tour durch die Stadt beende.
Als ich heute aufwache, scheint die Sonne. So begebe ich mich gleich auf den Weg zum Tempel of Heaven. Es ist der zweitwichtigste Ort in Peking nach der Verbotenen Stadt. Auf dem riesigen Gelände wurde früher einmal im Jahr die wichtigste Zeremonie des Landes durchgeführt.
Als der Vormittag vorüber ist, gehe ich kurz zurück ins Hotel, lege meinen Rucksack ab und mache mich auf den Weg, etwas zu Mittag zu essen. Ich gehe ins gleiche Straßenrestaurant, in dem ich schon vorgestern gewesen war. Es war einfach zu lecker.
Anschließend schlendere ich noch weiter durch die engen Gassen, kaufe ein bisschen ein und schaue kurz im Internet, was es so Neues gibt auf der Welt. Nicht viel Neues, wie ich erfahre. Ich gehe weiter, gehe irgendwann auf dem Platz des Himmlischen Friedens zu und will mich in Richtung Einkaufsstraße aufmachen, als ich das neue Nationaltheater erkennen kann. Es wurde direkt hinter der großen Halle des Volkes gebaut. Die Form des Gebäudes entspricht der eines Wassertropfens und sieht richtig gut aus, speziell im Kontrast zur Halle des Volkes. In der Einkaufsstraße findet sich nicht wirklich Interessantes und so beschließe ich, mit einem Taxi zurück zu fahren wobei ich feststellen muss, dass ich ganz schön weit gelaufen bin heute.
Ich stehe heute bereits um 6:00 Uhr auf, da bereits eine halbe Stunde später das Taxi zum Flughafen wartet und ich noch schnell meine ganzen Sachen packen muss. Ja, ich fliege heute wieder und bin nicht mehr auf der Schiene unterwegs. Ich kann es selbst doch kaum glauben.
Jedenfalls verläuft die Taxifahrt problemlos, und so stehe ich schon zwei Stunden vor dem Abflug am Flughafen. So früh war ich ja schon lange nicht mehr vor einem Abflug da. Die ganze Prozedur mit Check-in, Sicherheit, Zollkontrolle läuft wie Butter, und so muss ich nun noch mehr als eineinhalb Stunden in einem Café totschlagen, bevor es endgültig ab in den Süden geht. Endlich Urlaub, ich habe es mir verdient!
Ich hatte mich schon am Abflugschalter gewundert, warum so wenige Leute da waren. Nun erkenne ich auch warum. Der Flug ist gerade mal zu 20 Prozent belegt. So ist es ein sehr angenehmer und ruhiger sechsstündiger Flug. In KL angekommen, strömt mir gleich beim Verlassen des Flugzeugs feucht-warme Luft entgegen. Ich bin wieder in den Tropen. Auf dem Flughafen ist es ruhig, nur wenige Leute sind unterwegs. Ich schaue ein bisschen fern und surfe kurz im Internet, was hier kostenlos angeboten wird. So vergeht die Wartezeit doch recht schnell und als es dunkel ist, mache ich mich auf zur nächsten Etappe nach Male.
Als ich in Male ankomme, geht alles recht schnell. Ein „Dohni“ genanntes Boot bringt mich von der Flughafeninsel hinüber nach Male. Dabei hatte ich noch eine Diskussion wegen des Preises. Die Fahrt war eigentlich in meiner Hotelübernachtung inklusive, aber das war dem Fährmann wohl irgendwie nicht bekannt.
Nachdem ich mein Gepäck im Hotel abgestellt hatte, bin ich noch durch Male geschlendert und war überrascht, dass der Verkehr auf der winzigen Insel dem von Peking in nichts nachsteht. Motorroller und Autos überall, ebenso Geschäfte wie in den Einkaufsstraßen der Großstädte. Die waren hier genauso hell erleuchtet wie dort. Nach einer Stunde war ich wieder im Hotel zurück, schaltete die Klimaanlage aus und bin nach einem langen Tag schlafen gegangen.
Es geht früh aus den Federn. Nach dem Frühstück bringt mich wieder ein Dohni zurück zum Flughafen. Auch heute Morgen hatte ich die gleiche Diskussion wie gestern Abend. Mir ging es dabei nicht um den einen Dollar, sondern ich hatte schlichtweg keine Landeswährung und keine kleinen US-Dollar Scheine bei mir. So verließ ich das Boot und schaute in das ärgerliche Gesicht des Fährmanns.
Ich bin überrascht, wie viele Flüge es hier auf die einzelnen Atolle und Inseln gibt. Es ist durchorganisiert wie bei den großen Fliegern mit Check-in und Boarding. Allgemein hätte ich nicht erwartet, dass die Malediven soweit entwickelt sind. Male hat nichts von einem Kaff in einem Inselstaat der Dritten Welt. Nach einer kurzen Verzögerung, weil wir noch auf einen Flug der Emirates Airlines gewartet hatten, heben wir ab. Es eröffnet sich schnell ein guter Blick auf Male und die umliegenden Inseln. Die einzelnen Atolle liegen wie Farbtupfen in einem unendlichen Blau verstreut. Es ist herrlich anzuschauen. Nach ein paar Minuten Flug erreichen wir die offene See und können bereits am Horizont das südliche Ari-Atoll ausmachen. Auch hier ergibt sich ein tolles Bild. Nach etwa einer halben Stunde landen wir bereits. Unser Pilot setzt recht locker auf der Wasseroberfläche auf und wir gleiten zu einem Ponton, an dem wir festmachen und aussteigen. Ich werde mit einem Boot abgeholt und nach Angaga rübergefahren. Dort angekommen, erhalte ich meinen Begrüßungsdrink und kann endlich die lange Hose und die Schuhe ausziehen. Die Insel ist genau, wie ich sie mir vorgestellt hatte: sehr grün, mit Palmen und einem weißen Korallensandstrand. Ich richte mich in meinem Bungalow ein und erkunde zuerst einmal das kleine Eiland. Dies dauert nicht wirklich lange, denn die Insel hat vielleicht einen Durchmesser von 150 m. Gegen Abend begebe ich mich zu den Wasserbungalows und setze mich dort in die Sundown Bar. Dort wird bei einem kühlen Bier während des Sonnenuntergangs entspannt.
Nachdem ich heute lange geschlafen hatte und ein herrliches Frühstücksbuffet mir habe schmecken lassen, gehe ich tauchen. Motto gibt mir und einem Typ aus Dänemark die entsprechenden Einweisungen, bevor wir mit der ganzen Ausrüstung ausgestattet werden. Als wir ins Wasser kommen, ist es eine angenehme Abkühlung, denn an Land in einem Neoprenanzug wird es doch sehr schnell heiß. Fast 10 Jahre nach meinem letzten Tauchgang ist mir der Umgang mit der Ausrüstung nicht mehr ganz geläufig. Aber nach ein bisschen Training geht es doch wieder ganz gut. So hängen wir gleich einen Tauchgang an die Einführung und das Training an. Obwohl ich natürlich ziemlich mit meiner Ausrüstung beschäftigt bin, geht es recht gut und ich kann die Vielfalt des Riffs genießen. Nicht weit von mir entfernt gleitet graziös eine kleine Schildkröte an mir vorbei. Später sehe ich tief unter mir sogar einen Rochen. Während der ganzen Zeit sind natürlich ziemlich viele Fische und auch wieder ein Riff mit lebendigen Korallen zu sehen. Das Riff hat sich glücklicherweise wieder von der Korallenbleiche von vor 10 Jahren erholt. Es ist beeindruckend, wie kraftvoll die Natur doch immer wieder agiert. Nach fast einer Dreiviertelstunde tauchen wir wieder auf und ich bin überrascht, wie lange wir unter Wasser waren. Mir ist es so vorgekommen, als wäre nur eine Viertelstunde vergangen. Nachdem ich jedoch aus dem Wasser heraus war, stelle ich fest, dass es doch echt anstrengend gewesen war und stärke mich erst einmal am Mittagsbuffet. Dabei lerne ich Silvia und Fred aus Österreich kennen, und so muss ich nicht mehr alleine am Tisch sitzen.
Am Nachmittag ziehe ich mich erst einmal wieder auf meiner Liege zurück. Dabei kann ich ausgiebig lesen oder einfach nur in der Sonne liegen. Die letzten Postkarten habe ich heute auch noch geschrieben und mir den Sonnenuntergang angeschaut, welcher heute deutlich besser war als gestern.
Nach dem Frühstück plansche ich heute in der Lagune, die nicht sehr tief ist und herrlich zum Planschen einlädt. Die Füße streifen dabei über feinsten Sand am Boden. Es ist fast wie im Paradies. Ansonsten entspanne ich, gehe zum Mittagessen und begebe mich am Nachmittag nochmals auf einen weiteren Tauchgang. Dieses Mal habe ich eine Schweizerin als Instruktor. Wir sind knapp 50 Minuten unter Wasser, und dieser Tauchgang ist für mich sehr viel entspannter als gestern, da ich mit der Ausrüstung deutlich besser zurechtkomme. Wir gleiten an den Korallen und unzähligen Fischen vorbei und genießen eine Schwerelosigkeit, die man an Land niemals erleben kann. Auch der heutige Sonnenuntergang kann sich sehen lassen. Nachdem es wirklich dunkel geworden war, entschließe ich mich, noch baden zu gehen. Es ist ein Traum bei Dunkelheit im warmen Wasser des indischen Ozeans die Sterne zu beobachten und dabei sanft von den Wellen gewiegt zu werden. Hier draußen, weit weg von großen Städten eröffnet sich ein Sternenhimmel unter dem Firmament, wie man ihn in Europa nicht erleben kann. Eine einmalige Sache, zu der es nur selten Gelegenheit gibt.
Den ganzen Tag habe ich heute ziemlich vertrödelt, wobei ich trotzdem zweimal Schnorcheln war. Beim Schnorcheln kann man genauso viele Fische, Korallen, etc. erkennen wie beim Tauchen. Ich bin so begeistert, dass ich schon beim ersten Mal die Kapazität meiner Unterwasser-Kamera ausnutzte, wobei ich erst beim zweiten Mal recht nah an einen kleinen Sandhai und eine größere Schildkröte herankomme. Dabei ist es traumhaft, einfach eine halbe Stunde auf der Wasseroberfläche zu liegen und dem Tier beim Fressen zuschauen zu können, welches sich in keiner Weise durch meine Anwesenheit gestört fühlte.
Zur Abwechslung begebe ich mich heute Abend auf eine Sundown Cruise. Wir besteigen das Boot, wobei jeder von uns einen recht kräftigen Cocktail in einer Kokosnuss in den Händen hält. Wir begeben uns natürlich auf das Dach des Dohni. Während des Sonnenuntergangs umkreisen wir zweimal unsere Insel bzw. das komplette Riff. Es ergeben sich im Abstand von Minuten immer wieder neue Perspektiven und Farben, die das Fotografenherz entzücken.
Heute an meinem letzten Tag brauche ich noch eine sportliche Betätigung. So habe ich mich entschlossen, um die in der Lagune gebauten Wasserbungalows herum zu schwimmen. Es war sehr schön, aber auch recht weit. Es ist einfach immer wieder herrlich, nach über einer Stunde im Wasser nicht zu frieren und es immer noch genießen zu können. Anschließend war natürlich Regeneration angesagt, und so verbrachte ich den Rest der Zeit bis zum Mittag auf der Liege im Schatten.
Am Nachmittag habe ich mich nochmals an den prachtvollen Farben unter Wasser beim Schnorcheln ergötzt. Wobei ich sogar einen Hai auf mich zukommen sehen habe. Als dieser immer näher kam und ich mir dessen bewusst wurde, dass ich eigentlich träge wie ein Stück Holz im Wasser liege, macht man sich doch so komische Gedanken. Jedenfalls wolle er von mir absolut nichts und hat einige Meter vor mir dann abgedreht und ist im Blau des Meeres irgendwohin entschwunden. Wenig später hatte ich dafür eine viel angenehmere Begegnung mit einer Meeresschildkröte, die vielleicht einen Meter unter der Wasseroberfläche sich an Grünzeug schadlos hielt. Ich kann gar nicht erkennen, ob sie mich überhaupt wahrnimmt. Es scheint die Gelassenheit eines uralten Geschöpfes zu sein, welches kaum Feinde hat.
Am Abend dann wieder das tägliche Ritual: in der Sundown Bar bei einem Bier den Sonnenuntergang anschauen, wobei ich heute noch ein nettes Pärchen aus Japan getroffen habe. Sie waren in ihren Flitterwochen hier, und ich konnte sie dazu überreden, nach Sonnenuntergang noch schwimmen zu gehen und Sterne zu schauen. Na ja nicht ganz. Sie hat ihn vorgeschickt, und so waren wir nur zu zweit. Ihm hat es richtig Spaß gemacht und vielleicht kann er ja seine Frau in den nächsten Tagen noch überzeugen.
Von Silvia und Fred habe ich mich heute auch verabschiedet. Es hatte die letzten Tage viel Spaß gemacht und wir haben viel gelacht. Dabei ist mir aufgefallen, dass über hundert Leute auf der Insel waren und ich außer Silvia und Fred mit keinem über eine Konversation von drei Sätzen hinausgekommen bin. Echt uncool!
Ich brauche lange, bis ich das Klopfen an der Türe wahrnehme. Es ist der Beginn vom Ende meiner Zeit auf der Insel. Ich kapiere zuerst einmal gar nichts. Es soll nach Hause gehen. „Oh Nein“, schießt es mir durch den Kopf. Aber es ist unausweichlich, und so packe ich meine Sachen zusammen. Zum Frühstück gibt es nur einen Happen, da ich auch nicht mehr runter bekomme. Als ich an der Rezeption bezahlt habe, warte ich auf den Flieger. Der lässt natürlich auf sich warten, weil die Hotelfuzzis mich viel zu früh alarmiert haben, um ja sicher zu gehen, dass ich den Flieger nicht verpasse. So warte ich zwei Stunden in einem bequemen Sessel in der Lobby. Schlussendlich landet die Twin Otter und wir werden mit dem Boot zum Ponton rausgefahren. Wir steigen ein, der Pilot gibt Schub, wir heben ab, können noch einmal einen Blick nach hinten werfen und erreichen nach 25 Minuten den internationalen Flughafen von Male. Dort besteigen wir schließlich den großen Vogel nach Europa.
Nun ja, hier kenne ich mich aus! Ich weiß wieder, wo ich bin! Kühle Luft zieht über den Bahnsteig und die Haut fröstelt. Ja, ich bin wieder in Deutschland, leider!