3 Monate quer durch die USA '94

In den ersten 3 Wochen von New York nach Denver

1. Tag (06. September 1994)

Hallo ! Nun heute ging es los nach New York. Ich sitzt hier nun in einer Boing 767 direkt über den At-lantik. Ich war echt tierisch nervös als es los ging, aber wir kommen gut voran, zwar mit einer Stunde Verspätung ab Amsterdam, aber der Flug ist recht ruhig. Ich habe nun ca. 5 Stunden vor der Einreise nach Amiland schon meine erste Adresse in San Francisco. Markus ist ein Politiklehrer, der seine Groß-eltern in Germany besucht hat. Dadurch sind die ersten Stunden, wie ‘im Flug’ vergangen. Ach ja, meine erste weibliche Bekanntschaft habe ich schon in Stuttgart gemacht. Stefanie kommt aus Ammerbuch bei Tübingen und ist echt süß! Leider aber für die nächsten 10 Monate in der Nähe von Atlanta. Ich bin mal echt gespannt, ob sie mir mal schreibt. Zu Weihnachten oder so? Wenn nicht versuche ich über ihre Eltern die Adresse in Amiland ausfindig zu machen. Na mal sehen.
Von Markus habe ich einige gute Tips bekommen und hoffe nun sehnlichst, daß ich mich in New York zurechtfinde und noch ein Bett in der Jugendherberge, die sehr nett sein soll, bekomme.
Also geschafft! Es ist jetzt 20 00 Uhr New York Time und ich habe endlich ein Bett. Nachdem ich um 17 00 Uhr ausgecheckt bin am JFK und der blöde Immigration Officer wegen meinen 12 Wochen mich ko-misch angeschaut und dumme Fragen gestellt hat, hatte ich schon Panik, daß ich die Jugendherberge nicht errei¬che. Aber eine freundliche Dame hat hier im Hostel angerufen und mir genau erklärt wo es lang geht. Ich war echt happy. Nach 2 Subwaystunden bin ich dann hier angekommen. Schock! Irgendwie voll Getto, aber für New Yorker Verhältnisse wohl echt o.k.. Nach einer Stunde auf check-in warten an der Security vorbei, endlich ins Bett! Also gute Nacht!
Ein Glück habe ich nicht auf meinen bescheuerten Einfall reagiert, als ich meinen Schlafsack zu Hause lassen wollte. Es gibt nämlich kein Bettzeug, daß wäre vielleicht eine Scheiße gewesen.

2. Tag (07. September 1994)

The Big Apple

The Big Apple

Nachdem ich eine total schlaflose Nacht hinter mir habe, versuche ich die nächsten Sachen so auf die Reihe zu bekommen. Zum Frühstück habe ich dann so süßes Zeug gegessen, danach ist es mir erst recht schlecht geworden. Als ich dann planlos in die City gefahren bin und verzweifelt eine Bank gesucht habe, bei der ich ein Schließfach bekommen könnte war ich völlig am Ende. Denn ohne Konto bei einer Bank auch kein Schließfach, also muß ich das Zeug halt irgendwie mitschleppen. Scheiße!
Irgendwie denke ich, daß ich es nicht packe, denn wie schon die Amerikanerin im Flugzeug sagte: “New York ist verdammt hart”. Ich will gar nicht daran denken, daß ich noch unbedingt telefonieren sollte, aber das ist mir jetzt einfach zu viel.
Aber jetzt genieße ich gerade die schöne Aussicht vom Empire State Building und wenn es nicht so schnell geht, dann schmeiße ich hier halt noch mehr Geld raus. New York ist schweine teuer. Breakfast was not include.
Nun bin ich nach ca. 16 Km (laut Karte) Fußmarsch den Broadway hinunter ziemlich fertig wieder im Hostel und hoffe, daß ich das alles unter Kontrolle bringe. Allerdings bin ich recht froh, wenn ich diese Stadt verlassen kann, weil New York ein Moloch ist. Groß, laut, sehr dreckig, hektisch, aber irgendwie faszinierend. Mir fällt gerade auf, daß ich heute schon richtig Farbe bekommen habe. Denn das Wetter ist echt o.k. und könnte ruhig so bleiben.
Die zwei Australier, die hier mit im Zimmer sind, sind ganz o.k., vielleicht gehen wir heute zusammen essen. Gerade kommen noch 3 Peruanerinnen hier rein und somit werden wir fast zu einer “Weltgemein-schaft”.

3. Tag (08. September 1994)

The Big Apple

Heute bin ich als erstes zur Greyhound Station gegangen. Sie ist fast größer als der Stuttgarter Flughafen. So etwas haut mich fast um. Was natürlich meine innere Nervosität nicht gerade senkt. Zumal ich gerade ein Objektiv für 315,— Dollar gekauft habe und ich nicht weiß, ob der Verkäufer mich über den Tisch gezogen hat oder nicht. O.k. das Objektiv ist ca. 300,— DM billiger als in Deutschland. Aber man weiß ja nie!
Nun sitze ich in so einen Bäckereifastfood und versuche mich wieder zu beruhigen, zumal ich den Sand-wich vor mir essen sollte, aber mein Magen spinnt gerade völlig und ich hoffe, daß sich das bald wieder gibt. Sonst sehe ich schwarz hier im Amiland, weil das Essen bis jetzt grauenvoll ist. Lauter süßes Zeug.
Jetzt bin ich gerade echt erleichtert. Nachdem ich fast eine halbe Stunde an so einem beschissenem Tele-fon versucht habe nach Deutschland zu telefonieren hat es endlich geklappt, nachdem mir zwei Deutsche die R-Gesprächsnummer in Deutschland gegeben haben. Mit diesen Area- und Operatornummern hier in Amiland ist das furchtbar kompliziert.

4. Tag (09. September 1994)

Heute morgen bin ich wieder ausgecheckt in New York und zum Timesquare gefahren um mein Greyhoundticket anzubrechen. Als ich aus dem Hostel rausgelaufen bin hatte ich das erste mal das Ge-fühl, daß meine Reise beginnt. Aber jetzt weiter im Text! Also mein Bus geht heute abend um 23 30 Uhr nach Buffalo und kommt morgen früh an. Zum Glück konnte ich hier an der Greyhoundstation mein Ge-päck bis heute abend einlagern, denn im Hostel ist um 11 00 Uhr Checkout Time. Na mal sehen, was ich heute noch in New York mache.
Es ist furchtbar hier, in der ganzen Stadt gibt es keine Bank, wo man sich hinsetzen kann. Ich schreibe gerade hier auf dem Fußboden.
Nun schreibe ich in einem McDonalds weiter, nachdem ein Cop gemeint hatte, daß auf dem Boden sitzen nicht erlaubt sei. Ich weiß gar nicht, was ich noch die letzten 11 Stunden in New York anfangen soll. Mein Magen hat sich in Moment jedenfalls wieder etwas beruhigt, ich wünsche mir, daß das so bleibt. Man hat hier in New York den Eindruck, daß alle und alles nur nach einem Motto leben: “bigger is bet-ter”, es ist einfach unglaublich. Mal sehen ob ich noch eine Geburtstagskarte finde, bevor ich hier endlich raus komme.
Es ist jetzt 20 00 Uhr, nachdem ich diesen Tag mehr oder weniger verplempert habe, warte ich nun immer noch auf meinen Bus. Wie es aussieht habe ich meine vorläufigen Pläne geändert und fahre von Buffalo wohl gleich in den Westen und nicht nach Florida, denn dann habe ich wenigstens das schon gesehen, was ich auf jeden Fall mitnehmen will, den Westen. Und kann, wenn es mich vollends ankotzt mit ruhigen Gewissen nach 6 bis 8 Wochen wieder heimjeten. Das hört sich nach den 3. Tag wohl eher lächerlich blöde an, aber dieser Trip hat mich noch nicht überzeugt. Aber ich hoffe, daß der Knoten noch platzt, denn sonst wäre es bis jetzt die größte Pleite meines Lebens.

5. Tag (10. September 1994)

Niagara

Nachdem ich nun zu ersten Mal mit dem Greyhound gefahren bin und die Nacht im Bus verbracht habe sitze ich nun an den Niagara Fällen. Absolut gigantisches Erlebnis. 2.850 m3/s Wasser schäumen auf und bieten ein beeindruckendes Bild. Später versuche ich noch auf die kanadische Seite zu wechseln, um die Totale zu erleben.
Ansonsten habe ich heute morgen für eine Nacht in das Hostel eingecheckt und will morgen nach Chicago (14 Stunden) weiter. Dort gibt es aber kein Hostel. Das hat mich heute morgen schon ganz schön beschäf-tigt, weil man mit dem Bus einfach an Fahrpläne gebunden ist. Das Wetter ist zwar heiter, aber nicht gerade warm, so daß ich jetzt mal zusehe, daß ich in den Westen komme. Aber das ist so verflucht weit!!!
Manchmal denke ich habe zwei Fehler gemacht. 1. Ich bin alleine hier. Alles was ich mache findet keine Anerkennung und die braucht doch jeder. 2. Ich bin mit dem Bus unterwegs. In einer Stadt angekommen ist man zu Fuß völlig aufgeschmissen. Ich weiß echt nicht wie es weitergehen soll. Urlaub auf Key West, weiter nach Salt Lake City und Auto mieten, oder ein bißchen mit Greyhound rumgurken und zurück nach New York Shopping und heim? Aber scheiß kaltes Wetter in Deutschland. Wohl kaum! Tja, wenn die Sache damals mit Walter und Co. geklappt hätte, daß wäre es gewesen! — Scheiß Philosophie, die hilft mir jetzt auch nicht weiter. In 90 Minuten macht die Jugendherberge wieder auf und ich kann hof-fentlich mal wieder duschen. Die Sache mit meinem Magen wird glaube ich auch wieder besser.
Ja, gerade habe ich mir 2 Jeans zugelegt, so daß das Problem des Waschens nun auch wieder um ein paar Tage verschoben ist. Ich hoffe nur, daß die Neuen nicht anfangen zu färben. — Und im Moment bin ich bei der 2. Lösung wie ich weitermache. In Moment steht diese Lösung zu 80% fest. Nur noch über die Länge bin ich mir noch nicht bewußt. Na ja mal abwarten.

6. Tag (11. September 1994)

Heute ist Sonntag und ich habe beschlossen erst morgen weiter zu fahren und zwar nicht in den Moloch Chicago, sondern gleich nach St. Louis am Mississippi. Heute hatte ich das erste Mal das Gefühl, daß es doch noch gut werden kann. Zwar bin ich immer noch in der ‘Ich habe keine Ahnung wo’s lang geht’ Phase, aber man sieht schon ein Ende.
Heute bin ich den Niagara River bis zum Wirhlpool runtergelatscht und es hat echt Spaß gemacht. Das 3. Mal nach Canada, nach gestern Abend, zu gehen. Wobei ich das erste mal das Erlebnis hatte so richtig mit meiner Karte einzukaufen, ohne Canadische Dollars zu brauchen. Kam echt locker. Shopping hier in Amiland ist einfach geil. Große Läden, nette Verkäuferinnen, wenig Kundschaft, billige Preise. Man fühlt sich wie der Kunde König und dann noch locker mit Karte zahlen. Einfach ein tolles Erlebnis. Ich freue mich jetzt schon auf 1 bis 2 Tage Shopping in New York. Aber bis dahin ist es ja noch eine Weile hin. Jetzt suche ich erst mal was zu futtern im Supermarkt für meine 14 Stunden Fahrt morgen und dann will ich noch meine Sachen hier im Hostel waschen. Ich hoffe jemand kann es mir erklären.
Neither winter, war nor time can still the voice of niagara!

7. Tag (12. September 1994)

Nun sitze ich zum zweiten mal im Bus. Es ist 14 00 Uhr und es geht nach St. Louis. Ich muß in Cleveland und in Chicago umsteigen, na mal sehen. Heute kann ich mal 3 ½ Stunden das Land genießen, bevor es wieder bis 6 00 Uhr eine Nachtfahrt wird. Vorhin bin ich noch 3 Stunden durch Buffalo geschlendert, aber es gab nichts zu sehen. Irgendwie habe ich das dumme Gefühl, daß eine Amistadt wie die Andere aus-sieht und die Amis absolut keine Kultur haben, und somit ein Indentifikationsproblem. Was einiges erklä-ren würde.
Wenn das so weiter geht, na Bravo! Ich denke ich habe gerade noch mal mein Gepäck retten können, bevor es hoffnungslos im falschen Bus gelandet wäre. Weil in Buffalo der Computer ausgefallen ist gab es eine gewisse Verwirrung, da es von Cleveland 2 verschiedene Busse nach St. Louis gibt, die womöglich auch noch auf 2 verschiedenen Routen verkehren. Der Typ hat mich zwar blöd angeschaut, aber ich konnte ihn nach einigen Erklärungen doch noch überreden mein Gepäck mißmutig herauszugeben. Wenn das in Chicago genauso ist, dann hoffe ich, daß ich dieses System doch noch irgendwann kapieren werde. Und es wird in Zukunft besser sein nur noch Trips zu nehmen, die ohne Umsteigen sind. Aber das ist wohl ziemlich illusionär.
Jetzt ist es doch passiert, was nicht hätte passieren sollen. Die Greyhoundtypen laden mein Gepäck in Chicago um. Kann ich ihnen vertrauen? Wird alles glatt gehen? Werde ich mein Gepäck je wiedersehen? Diese und noch andere Fragen beantworten wir in der nächsten Folge, wenn es wieder heißt “Greyhoundabenteuer”!
Aber jetzt noch schnell was ganz anderes. Ich habe gerade wohl einen Filmstar gesehen. Der Amish Mann, der gerade in der Greyhoundstation war sah echt so aus, wie der alte Amish Mann in “der einzige Zeuge” mit Harrison Ford. Echt wahr! Aber vielleicht sehen die auch nur alle gleich aus. Aber der sah dem schon verdammt ähnlich. Aber auf jeden Fall war er ein Amish!
Da ich heute schon meinen zweiten Abschnitt Interstate in Angriff nehme muß ich mal was über die In-terstates los werden. Also, sie sind echt atemberaubend und unglaublich. Einerseits groß und breit, gut ausgebaut (o.k. teilweise auch nicht, denn im Moment rumpelt es ziemlich). Der Grünstreifen zwischen den Fahrtrichtungen ist zwischen 5 und 150 Meter breit, da sind teilweise ganze Wälder dazwischen. Zudem ist für deutsche Verhältnisse überhaupt kein Verkehr vorhanden, außer den echt toll aussehenden Trucks. Andererseits gibt es ein tödlich nervendes, überhaupt nicht zu begreifendes, völlig überflüssiges und sinnlos erscheinendes, allgegenwärtiges Speed Limit. Und die Amis halten sich auch noch daran — einfach unglaublich. Das geht mir einfach nicht runter. Hoffentlich lande ich nicht im Knast, wenn ich mich mal nicht beherrschen kann mit meinem späteren Mietauto.

8. Tag (13. September 1994)

2 00 Uhr morgens. Nachdem wir kurz vor Chicago von der Estern Time in die Central Time Zone ge-wechselt sind und ich mich jetzt 7 Stunden hinter der MEZ befinde stehen wir zeitlich gesehen gerade im Nirvana. Verkehrstechnisch gesehen ganz gewaltig im Stau. Nichts geht mehr und das schon seit einer Stunde. Ein Glück habe ich keinen Anschlußbus zu erreichen in St.Louis. Denn det kannste verjessen!
Als ich dann gegen 7 00 Uhr heute morgen in St. Louis angekommen bin habe ich echt einen Schock be-kommen. Die Stadt hat nur Highways und heruntergekommene Slums. Die Greyhoundstation lag im schlimmsten Viertel der Stadt. Man konnte nur mit dem Taxi entkommen. Aber die Jugendherberge liegt nicht besser. Nur mit dem Taxi oder dem Bus zu verlassen hieß es. Ich habe es trotzdem versucht und es gab auch keinen Zwischenfall, aber die Gegend ist solch ein Slum, wie ich ihn noch nie in Europa gesehen habe, da war das Unruhegebiet von 1980 in Lyon noch besser. Dann wundert es mich auch nicht mehr, daß das Hostel einem ziemlichen Rattenloch gleicht. Alt, düster, nach Schweiß und Duschdämpfen rie-chend und ziemlich verwahrlost. Ich glaube es kann kaum noch schlimmer kommen.
Aber die Stadt, bzw. das Zentrum ist o.k., wie jede Amistadt halt auch, kein Supermarkt aber dafür um so mehr Fast Food. Der Gateway Arch ist dafür um so beeindruckender. 192 Meter hoch und eine Auf-zugstechnik, die einfach genial ist.
Man sitzt in Kabinen zu 5 Personen und diese gleichen sich mit Hilfe von Zahnrädern dem Bogen an. Man trifft lauter Deutsche. Eine Frau, die vor 25 Jahren von Bremen ausgewandert ist und eine ältere Dame, deren Urgroßmutter einmal in Nürnberg gelebt hat und die nicht weiß, ob sie sich Nürnberg ein-mal anschauen soll. Jetzt werde ich noch durch die Museen hier pilgern, welche einem so etwas wie ame-rikanische Kultur vermitteln sollen und recht interessant sind.
Nachdem ich jetzt zum Supermarkt gelaufen bin, der 6 Blocks von der Jugendherberge entfernt ist muß ich meine Meinung etwas ändern und den gewissen Fremdenführern recht geben, das der ‘starke’ europäi-sche Einfluß vorhanden ist. Denn nämlich hier in der Nachbarschaft befinden sich echt hübsche Häuser, so im englischen Baustil. Was der Stadt natürlich “den” entscheiden Eindruck verleiht. Apropos Super-markt! In diesen sogenannten Supermärkten gibt es einfach alles. Vom Hundefutter über Obst bis zum Heimwerkerwerkzeug, nur nicht das was ich aus good old Germany gewohnt bin. Kein anständiges Brot, keine Frischwurst, nur frischen, gesalzenen Schinken oder Speck und kein Mineralwasser. Ich habe dann Clubsoda probiert, weil es Wasser mit Kohlensäure ist, aber auch wirklich nicht mehr. Auf dem Etikett steht mehr was nicht drin ist, als was drin ist. Echt bescheuert! Dann werde ich wohl doch wieder auf Coke Classic umsteigen, da hat es wenigstens Zucker drin, auch wenn das nicht so gesund sein soll.

9. Tag (14. September 1994)

Als ich gerade ausgecheckt und mit dem Taxi zur Greyhoundstation gefahren bin, da hatte ich noch keine Ahnung, wann der Bus nach Denver fährt. Jetzt weiß ich es. Heute mittag um 1330 Uhr, Ankunft in Denver morgen um 7 25 Uhr. Das heißt noch 4 ½ Stunden warten. Aber egal, ob ich jetzt hier in der Greyhoundstation die Zeit totschlage, im Hostel oder ob ich in die City gefahren wäre, wäre das gleiche geblieben, weil es nirgends etwas zu sehen gibt, was ich nicht schon gestern angeschaut habe. Die ameri-kanischen Städte haben so wenige Sehenswürdigkeiten, daß man sie auch bei diesen großen Entfernungen fast alle an einem Tag besichtigen kann. Erstaunlich ist nur, was die Amis als Sehenswürdigkeit in diver-sen Führen beschreiben. Manche Sachen würden in Europa nicht einmal erwähnt, was hier groß ange-priesen wird. — Aber man merkt hier wenigstes schon, daß man immer mehr in den Westen kommt. Je-denfalls an dieser Greyhoundstation. Die Verbindungen werden länger. Von hier aus gibt es Busse an die Westküste ohne Umsteigen. Los Angeles, San Francisco, Portland. Reisezeit zwischen 36 und 45 Stunden. Absolut enorm!
Ja, ja! Greyhound fahren ist schon ein Erlebnis. Was man da für Typen sieht ist absolut beispiellos. Ver-kappte alte Hippies mit 10 Tage Bart, cooler Sonnenbrille, fertigen Jeans, Harley Davison T-Shirt und langen Haaren. Dann wieder Leute mit freiem, speckigen Oberkörper, die Hose nur noch von überbean-spruchten Hosenträgern gehalten und dazu dann noch einen Cowboyhut tief ins unrasierte Gesicht gezogen. Hinzu gesellen sich dann noch ganze Familien mit Kind und Kegel, Schwarze, bei denen man meinen kann, das sie aus einem Bodystudio ausgebrochen sind, im Gegensatz zu anderen, die aussehen, als wenn sie gerade aus Vietnam heimgekehrt sind. Aber hauptsächlich arme und fertige Leute und hin und wieder auch ein paar Packpacker wie ich. Aber so fette Leute wie hier in Amerika und in dieser Anzahl sind mir noch nirgends vor die Augen gekommen. 150 Kg sind wahrscheinlich noch gar nichts, da fängt es erst an, und solche Leute tragen dann noch weit geschnittene Klamotten oder enge Leggins. Das sieht dann zum Schreien aus. Kaum auszuhalten.
Seit 2 Stunden sitze ich nun schon wieder im Bus. Wir fahren den Interstate 70 nach Kansas City und die Landschaft verändert sich immer mehr. Man spürt förmlich, daß man immer mehr in den Westen kommt und die weiten Kornfelder von Kansas sind fast schon zu riechen könnte man meinen. Die Landschaft wird zunehmend flacher und weiter, wir sind kurz vor der Prärie.
Der Bus wird immer voller auf den Weg nach Kansas City, jetzt sind schon fast alle Sitze belegt. Gerade hat ein recht hübsches Mädel neben mir Platz genommen, was wesentlich angenehmer ist als der Pa-nasonic TV auf den letzten 100 Meilen. So viel wie ich jetzt mitbekommen habe, studiert Sie glaube ich so etwas wie Theologie. Sie ist echt ein Rasseweib! Mexikanischer Typ, 23 Jahre alt, ca. 1,70 m groß, tiefschwarze Augen, lange Wimpern, pechschwarzes, langes Haar streng nach hinten gekämmt und dazu einen atemberaubenden Kußmund. Einfach klasse!

10. Tag (15. September 1994)

Denver

Nachdem ich heute morgen ziemlich gerädert, nach einer kurzen Nacht in Denver angekommen bin, bin ich zum Hostel gelaufen und habe dort einen Deutschen getroffen, der hier schon 5 Monate in verschiede-nen Nationalparks wandert und klettert. War echt ein cooler Freak! Er hat Chemie studiert, jobt hin und wieder und geht jetzt öfters über Monate hinweg zum Klettern, um später dann einen Kletterführer für die Rocky Mountains zu schreiben und Diavorführungen zu veranstalten.
Na ja, danach bin ich erst einmal in die City von Denver. Das Capitol hier mit seiner echt vergoldeten Kuppel war das erste Gebäude was ich in Amerika gesehen habe, was so etwas wie Flair ausstrahlt. Da-nach zur US Mint. Absolut faszinierend wie Geld geprägt und hergestellt wird. In Europa wäre es unvor-stellbar dies als Tourist zu sehen.
Nun sitze ich in einem Drive thru McFress und freue mich jetzt schon auf mein Bett heute abend, denn ich bin total müde. Aber ich muß noch mein Souvenir zur Post bringen, denn meine ungeschnittenen Dol-lars kann ich nicht im Rucksack mitnehmen. Also Denver ist irgendwie doch ganz sympathisch. Es gibt hier sogar eine Fußgängerzone mit Bänken und schattenspendenden Bäumen. Denn das Wetter ist nach wie vor vom Feinsten, nicht ganz so schwül wie in St. Louis, aber bei einer Höhe von 1.600 m mit 25 bis 270 C ganz angenehm. Na klar muß ja auch so sein, wenn Engel reisen!
Gerade hätte ich mir einen Cowboyhut gekauft. Er hat mir durchaus auch gut gestanden, aber leider war die kleinste Größe einfach zu Big. Na ja vielleicht klappt es ja in Texas.

11. Tag (16. September 1994)

Als ich heute morgen den Bus nach Boulder bestieg, war ich mir ganz sicher wie es weiter geht, aber im Moment sitze ich hier auf den ersten Hügeln der Rockys, laß mir die Sonne aufs Haupt scheinen, genieße die Aussicht auf Boulder und überlege mir krampfhaft was ich als nächtens tue. Denn im Bus nach Boul-der traf ich einen Holländer, der hier schon 8 Jahre lebt und dieser meinte ich solle doch schon hier in Denver ein Auto mieten um zum Yellowstone zu fahren, daß sei näher als von Salt Lake. Auf der Karte sieht es irgendwie weiter aus, aber wiederum kürzer zum Mount Rushmoore. Dazu kommt noch, daß wenn ich morgen abend nach Salt Lake City weiterfahre ich nicht weiß, was ich morgen hier noch tun soll. Irgendwie verzwickt, nicht wahr?
Aber jetzt zurück zu Boulder, eine total süße Stadt mit fast nur Jugendlichen, die hier die Universität von Colorado besuchen. Das gibt der Stadt einen gemütliche Flair, dazu dann noch die netten Straßencafes — fast wie in Europa. Na ja, dann versuche ich das mal wieder hier auf die Reihe zu bekommen. Ein Paar Schuhe muß ich mir auch noch kaufen, bevor ich zum Grand Canyon komme habe ich gerade festgestellt, denn mit diesen Latschen, welche ich gerade anhabe kann ich unmöglich zum Colorado absteigen. Viel-leicht finde ich ja gleich hier in Boulder was entsprechendes. Dann mache ich mich mal wieder auf den Weg in die City.
Und was tut man so in der City? Natürlich einkaufen, was sonst! Als erstes natürlich ein Paar Schuhe. Dexter sollen hier in den Saaten als Marke gelten, wollen wir es hoffen. Drücken und scheuern tun sie aber wie alle neuen Schuhe auch. Gerade eben habe ich noch so einem Army Shop gefunden. Der war echt stark. Es gab einfach alles, es hat nur noch die Waffenabteilung und irgendwelche Nazi – Dinge ge-fehlt. Aber das wird es sicherlich auf Anfrage geben. In den Laden war natürlich dann ein Zippo und eine Mag-Lite fällig. Aber mit einem Hut werde ich mir noch Zeit lassen, obwohl sowas mir echt gut zu Ge-sicht stehen würde. Ja wirklich!
Wow! Gerade habe ich einen echten Schock bekommen. Ich habe mit meinen neuen Schuhen gleich zwei Blasen gelaufen und bin heilfroh, daß ich die alten Tretter noch nicht weggeworfen habe. Ja ich weiß, warum soll das auch ein Schock gewesen sein. Nein, viel schlechter ist, daß der Typ von der Avis Auto-vermietung meine ganzen zusammengeflickten Reisepläne über den Haufen geworfen hat. 1. sind alle Mietwagen bei sämtlichen Verleihfirmen über das Wochenende ausgeliehen und 2. kostet ein Auto über 300,— Dollar die Woche plus Sprit, so daß ich jetzt keine Lust habe hier rumzuhängen und auf ein freies Auto zu warten. Jetzt kann ich nur hoffen, daß ich unter der Woche in Las Vegas ein Auto bekommen kann, denn auf den Grand Canyon möchte ich eigentlich nicht verzichten. Und Yellowstone werde ich wohl abhacken können. Obwohl gerade kommt Mike herein, er ist der Typ, über den ich eh noch schrei-ben wollte. 20 Jahre alt und schon 5 Jahre in der Französischen Fremdenlegion. Er kommt aus Amerika und darf seine Identität nicht preisgeben. Er sei schon 3 mal angeschossen worden hat er erzählt und ist schon im Golfkrieg, Somalia, Bosnien, Ruanda und in noch ein paar Kriege mehr im Einsatz gewesen. Jetzt sei er fertig und mache 2 Jahre Urlaub. Danach wahrscheinlich wieder zur Fremdenlegion. Was soll solch ein Mensch auch anderes tun? Er hat nichts anderes gelernt, als kämpfen und töten. Für mich ir-gendwie unbegreiflich und kaum zu verstehen.
Ja also dieser Mike gab mir den Tip ich solle doch nach Cheyenne fahren und dort ein Auto mieten. Es ist in Wyoming und wahrscheinlich billiger und eher eines zu bekommen, als hier in Denver. So daß ich das jetzt morgen machen werde.

Durch die Rockys weiter nach San Francisco und Las Vegas

12. Tag (17. September 1994)

Die Rockies

Ersten kommt es anders und zweitens als man denkt. Denn ich bin heute mit dem Auto unterwegs. Ja ich habe gestern abend noch Stephan aus München kennengelernt, der gerade ein Auto von Philadelphia nach San Francisco überführt und er nimmt mich heute mit nach Salt Lake City. Ich hatte heute das erste Mal das richtige Urlaubsgefühl, als wir durch den Rocky Mountains National Park bis auf 3.900 m Höhe ge-fahren sind. Und es war ein gigantisches Erlebnis die Weiten von Colorado und Utah zu durchfahren und zu erleben. Es ist wie im Film! Genauso weit, so groß, so wenig los und so tolles Wetter. Vielleicht werde ich später wieder so nach Osten reisen, mit einem Driveaway Auto. Wir verstehen uns recht gut und viel-leicht fahren wir zusammen weiter nach San Francisco, aber das werden wir noch sehen. Die Aussicht von diesem Rasthof ist echt gigantisch, wie so vieles hier in den USA. Sichtweite zwischen 150 und 250 Km. Wow!
Nachdem wir so eine halbe Stunde hier in Salt Lake City nach dem Hostel gesucht haben und ich jetzt ca. eine Stunde in dieser Stadt bin, habe ich mich irgendwie gleich in die Stadt verguckt. Absolut ruhig, sau-ber und die freundlichen Leute sind wirklich angenehm. Das Hostel in dem wir jetzt abgestiegen sind hat gerade seit 5 Tagen auf. Alles ist noch total neu und unheimlich angenehm im Vergleich zu den anderen Baracken in denen ich schon war. Jetzt werde ich morgen auf jeden Fall hier bleiben und danach sehen wir weiter. Stephan hat schon angedeutet, das ich mit ihm vollends ganz bis San Francisco mitfahren kann und wir auf dem Weg noch den Yosemite National Park uns anschauen können. Das wäre echt klasse!

13. Tag (18. September 1994)

Salt Lake City

Gerade sitze ich hier in der Versammlungshalle der Mormonen, die ohne Nägel gebaut wurde und höre dem Organisten zu, der auf einer Orgel mit 11.000 Pfeifen spielt. Die Akustik ist die Beste, die ich je gehört habe. Man kann wirklich aus 55 m Entfernung eine Stecknadel auf einen Tisch fallen hören. An-sonsten ist die Tempelanlage ziemlich beeindruckend, wie im allgemeinen die ganze Stadt. Einzig was etwas nervt ist dieses missionarische Gerede hier speziell in der Tempelanlage.
Das Wetter ist immer noch absolut genial und verbreitet die richtige Urlaubsstimmung. Nach dem Streß der ersten Woche, bis ich mich hier zurecht gefunden habe, gefällt es mir immer besser und eine gewisse Entspannung und Gelassenheit stellt sich ein. Dazu tragen natürlich auch die Erlebnisse der letzten Tage mit bei. Denn die Natur und die Landschaft ist derartig beeindruckend, daß man einfach leicht relaxen kann und muß.

14. Tag (19. September 1994)

Nevada

Nevada

Heute ist der Tag der Größe! Als wir von Salt Lake City weggefahren sind, sind wir am größten Salzsee der Welt vorbeigefahren, haben die größte Salzwüste durchquert mit einer 47 Meilen langen Geraden, danach habe wir die endlos erscheinenden Weiten Nevadas durchstreift und in irgend so einem namenlo-sen Nest haben wir eine kleine Pizza gegessen, die wiederum so groß war, daß wir beide sie nicht ge-schafft haben. Danach sind wir so schnell, wie noch nie gefahren (110 mph) und hatten den Eindruck, wie wenn wir stehen würden. Wir überquerten mehrere Pässe, wobei einer 2.600 m hoch war und jetzt ist auch noch die nächste Tankstelle über 70 Meilen entfernt und unser Tank schon ziemlich leer. Außerdem sind wir dem letzten Auto so ungefähr vor einer dreiviertel Stunde begegnet. Na mal sehen, was heute noch so alles passiert, bevor wir heute abend in der Gegend des Yosemite Parks vermutlich ein riesengro-ßes Motel finden.
Ja es ist einfach unglaublich! Regen in der Wüste Nevada. Die Berge vor uns erinnern mich an den Song ‘Brother in arms’ in dem es heißt: “These mist covered mountains are a home now for me…”. Es ist eine absolut gespenstische Aussicht. Keine Menschenseele zu sehen, die total diesigen Berge, unbeschreiblich Weite, die endlose Telefonleitung an der Straße entlang. 46 Meilen bis zur nächsten Ortschaft, Regen und eine gegen Ende kriechende Tanknadel. Die Spritwarnanzeige hat sich auch schon gemeldet, ist aber wie-der ausgegangen. Also doch noch einmal Hoffnung?
Gerade sind wir an Warm Springs vorbeigefahren. Eine Wegkreuzung, eine geschlossene Bar und ein verfallenes Wohnhaus. Das war alles, und so etwas ist hier in den Karten als Ortschaft eingezeichnet. Na Bravo!
Wir haben es also doch noch geschafft. Es war zwar ziemlich haarig, aber mit dem, im wahrsten Sinne des Wortes, letzten Tropfen. Jetzt erst mal eine Kippe und einen Kaffee zur Beruhigung.
Heute abend haben wir es klasse getroffen. Wir übernachten hier mitten in der Pampa, das nächste Dorf ist ungefähr 30 Meilen von hier entfernt, in einem Casino mit angeschlossenem Motel für 16,— Dollar pro Person. Das Zimmer ist fast schon luxuriös, mit Bad, WC, Dusche, TV und einem riesigen Doppelbett. Die Einrichtung ist brandneu, dazu gibt es noch frische Handtücher, Seife und Duschgel für jeden. Au-ßerdem ist der Yosemite National Park nur 80 Meilen entfernt, den wir morgen besuchen wollen. Leider ist das Wetter hier recht kühl und regnerisch, aber das dämpft meine gute Stimmung in keinster Weise und ich bin schon tierisch gespannt auf San Francisco die Stadt, die 4 Zeitzonen und 4.800 Km von New York City entfernt ist.

15. Tag (20. September 1994)

Yosemite National Park

Yosemite National Park

Yosemite National Park

Auf geht’s zum Yosemite National Park über den Highway 120, der total atypisch für Amerika ist. Kur-vig mit unendlich vielen Dips — und schon wieder haben wir, diesmal in Californien, einen Paß mit 2.730 m überquert und die Aussicht ist wieder einmal genial, den das Wetter ist sonnig und einigermaßen warm.
Einigermaßen warm ist gut. Hier kurz vor San Francisco haben wir sicherlich 340 C, das ist aber auch kein Wunder. Letzte Nacht haben wir auf Paßhöhe in ca. 2.800 m übernachtet und ich wundere mich, warum auf den umliegenden Gipfeln schon Schnee liegt. Bei 4.000 m auch ganz klar. Diesen extremen Höhenunterschied habe ich erst auf der Fahrt nach San Francisco begriffen, als wir einen ca. 60 Meilen langen Paß vom Yosemite National Park, der zwischen 2.200 m und 3.700 m hoch liegt, heruntergefahren sind!
Da Stephan gerade nach einem Hostel telefoniert, kann ich mich noch über den Park auslassen. Er ist echt sehenswert, besonders die gigantischen Bäume. 3.000 Jahre alt und im Schnitt ca. 100 m hoch. Ich habe echt versucht die Größe auf den Bildern rüber zubringen. Aber ich denke, das ist ziemlich unmöglich, bei diesen gigantischen Ausmaßen. Hoffentlich sind die Bilder auch was geworden, weil ich sie doch 8 bis 10 Wochen im belichteten Zustand mit mir herumtrage.
Jetzt gerade haben wir das Hostel erreicht und auch ein Bett bekommen, nachdem wir vorhin bei 3 ande-ren Hostels vergeblich angerufen haben und dafür 6,— Dollar ausgaben. Der erste Eindruck ist echt toll. Wenigsten einigermaßen gepflegt und sauber, aber ein bißchen crazy und in der Nachbarschaft muß eine Discothek sein. Das laute Basshämmern ist sogar im Boden zu spüren. Das kann ja heiter werden.

16. Tag (21. September 1994)

San Francisco

Nachdem gestern kurz vor erreichen von San Francisco das Wetter schlechter geworden ist, bestimmt heu-te morgen Hochnebel die Szene. Hier oben vom Telegraph Hill aus ist die Golden Gate Bridge nur sehr schwer zu erkennen. Aber die Sonne kämpft! Im Moment jedenfalls wird es wieder wärmer, was auch für mein Halsweh gut sein wird. Nachher muß ich mir noch ein paar Vitamine in Chinatown besorgen. Chinatown ist wie eine andere Welt, man fühlt sich wie wenn man nicht in den USA wäre.
Bevor ich allerdings nachher zum Hostel zurück laufe muß ich noch nach dem Bus nach Los Angeles fra-gen, denn nachdem Stephan heute morgen das Auto abgegeben hat muß ich wieder mit den Bus zurecht-kommen. Und somit trennen sich auch unsere Wege wieder. Es war echt klasse die letzten 3 Tage , daß er mich mitgenommen hat. Denn mit dem Auto sieht man einfach mehr und ist unabhängiger. Andererseits bin ich aber auch wieder froh Stephan los zu sein. Denn er ist eben meiner Meinung nach ein bißchen ein “Schlafer”, der nicht so ganz den Durchblick hat. Na, ja es war schön die letzten Tage und mehr soll es ja auch nicht werden.

17. Tag (22. September 1994)

San Francisco

Es ist schon ziemlich außergewöhnlich dieses Wetter hier in San Francisco. Jeden Morgen hat es absoluten Hochnebel. Na ja, so lange es immer wieder gegen 11 00 Uhr aufreißt und die Sonne zum Vorschein kommt ist mir das egal. In Moment warte ich auf das Boot in den Knast, sprich nach Alcatraz. Es legt in einer viertel Stunde ab und der Aufenthalt soll mindestens 2 Stunden betragen. Hoffentlich komme ich dann heute noch dazu die Golden Gate Bridge zu besteigen, denn ich finde, daß sollte doch sein bevor ich morgen nach Los Angeles aufbreche.
Pech gehabt! Gerade mußte ich wieder einmal feststellen, daß Amerika riesengroß ist. Denn auf der Hälfte der Strecke habe ich kapituliert. Aber wahrscheinlich sind es auch von Fishermen’s Warf aus über 4 Meilen. Durch Zufall habe ich dann doch noch einen gewissen Ausgleich bekommen. Ich fand hier nämlich eine Ausstellung von physikalischen Experimenten, was auch ganz interessant war. — Aber leider muß ich hier immer wieder feststellen, daß man ohne Auto einfach aufgeschmissen ist.
Es ist doch immer wieder schön nach einem anstrengenden Tag einen alten Freund wiederzusehen. Der einem einen Platz anbietet und einem das Gefühl gibt sich in einer bekannten Umgebung zu befinden. Denn bei ihm weiß man, was man bekommt und wieviel er dafür will. Darum bin ich immer wieder “begeistert”, wenn ich das große goldene “M” erblicke!

18. Tag (23. September 1994)

San Francisco

Jetzt ist es passiert, das erste Mal Regen in den Staaten. Ich konnte mich, nachdem ich mein Gepäck bei der Greyhoundstation eingelagert habe gerade noch zu meinem Freund retten, bevor es in Strömen goß. Ich hatte eigentlich nicht erwartet, das es gerade in Californien das erste Mal regnet. So erlebt man halt seine Überraschungen. Na mal sehen was ich heute noch mache, denn mein Bus ins sonnige Südcalifornien fährt erst heute abend um 10 00 Uhr.
Amerika ist unglaublich. Gleich neben meinem Freund hat einer für 5,— Dollar Regenschirme verkauft, so daß ich noch mal zur Fishermen’s Warf gelaufen bin. Und es stellt sich hier die Frage: “Sind die Souve-nirläden wegen der Touristen hier, oder die Touristen wegen der Souvenirläden?” Diese Frage ist nämlich gar nicht so leicht zu beantworten.
Das Wetter jedenfalls wird wieder besser, was ich von meiner Erkältung nicht gerade behaupten kann. Auch meine alten Schuhe sind ziemlich naß und ich würde am liebsten jetzt meine Neuen anziehen und diese hier wegwerfen, aber mir machen immer noch meine Blasen von Boulder zu schaffen und so wird es sicherlich noch eine ganze Weile dauern, bis ich die Alten los werde.
Wie ich jetzt wieder so auf meinen Bus warte, muß ich doch feststellen, daß der soziale Unterschied hier doch gewaltig ist, und daß es die armen Leute hier sehr schwer haben. Wenn ich nur an die Dutzenden von Menschen denke, die man hier bettelnd und in Mülleimern wühlend sieht oder andere wiederum, die kein Auto haben und ihre Verwandten oder sonst Wen mit dem Bus besuchen müssen. Solche Leute haben es schon verdammt schwer, so mit Kissen, Kinderspielzeug, Taschen und Plastiktüten bepackt loszuzie-hen. Aber so etwas muß ja passieren, wenn z. B. im McDonalds die Leute für 4,25 Dollar in der Stunde arbeiten. Das weiß ich von Stephan, der sich Arbeit in Philadelphia suchen wollte, dies aber unter solchen Bedingungen dann doch lieber bleiben ließ. Irgendwie verständlich, oder?
Gerade habe ich von einer hübschen Chinesin, die neben mir auf ihren Bus wartet die Information be-kommen, daß es in Los Angeles heiß sein soll. Endlich mal wieder Sommer, nachdem es hier so ver-dammt neblig war und mit 200 C doch ziemlich kühl. Ich denke auch, daß es in Las Vegas so um die 30 bis 350 C hat und ich mich wahrscheinlich richtig wohl fühlen werde und bis dahin dann auch endlich meine Erkältung weg sein wird. Gerade dröhnt mir ABBA über meinen Walkman die Ohren voll und ich freue mich schon ganz gewaltig auf Las Vegas. Endlich mal das tun wozu ich schon lange Lust habe. In einem bequemen Hotelbett schlafen, nichts anschauen, abends mal wieder bißchen Party und vor allem mal wieder zocken. Aber nur die edlen Sachen, wie Roulette und Black Jack. Einarmige Banditen, die ich auf meinem Weg durch Nevada hierher schon gesehen habe sind zwar faszinierend, aber total langweilig und deshalb uninteressant. Und dann natürlich wieder mit einem Auto unterwegs sein. Ich hoffe doch irgendwie sehnlichst, daß es danach in San Diego mit einem Driveaway klappt und ich mal Auto fahren kann bis zum Abwinken. Aber jetzt geht es erst einmal nach Los Angeles und über Pläne zu sinnieren ist eh überflüssig, wie man es an den Niagara Fällen und in Denver gesehen hat. Irgendwelche Pläne mit Hawaii sind auch gestorben, obwohl ich hier in San Francisco ein Angebot für 400,— Dollar eine Woche mit Flug und Hotel gesehen habe. Aber ich finde ich erlebe auch so schon wahnsinnig viel, daß so etwas zwar toll, aber sicherlich einfach zu viel wäre, denn wenn ich nach Hause komme werde ich sicherlich noch mal genauso viel Zeit zum Verarbeiten brauchen, wie für den Urlaub selbst.
Go easy, go simple, go Greyhound! Dieser Slogan ist ja nur Scheiße, denn Verspätungen, Chaos und an-dere Unzulänglichkeiten sind an der Tagesordnung. Unser Bus hat hier in San Francisco eine um 30 Mi-nuten verspätete Ankunft aus Los Angeles. Es ist einfach unglaublich! Gerade habe ich mein Gepäck in die obere Ablage gequält und hoffe nun, daß sich niemand neben mich setzt, um wenigstes ein bißchen Platz zum Schlafen zu haben. Mal sehen, wie es morgen früh dann ist.

19. Tag (24. September 1994)

Jetzt bin ich fast sogar froh darüber, daß der Bus gestern Verspätung hatte, denn sonst hätte ich hier in Hollywood noch länger auf das Öffnen der Greyhoundstation warten müssen. Nachdem jetzt hier alles erledigt ist, mein Bus fährt heute Abend um 0 01 Uhr nach Las Vegas, werde ich wohl nun zu den Uni-versal Studios aufbrechen.
Ja so habe ich mir das heute vorgestellt! Es ist noch nicht einmal 9 00 Uhr und ich habe fast schon alles gesehen. Hollywood Boulevard, Sunset Strip, the Stars of the Stars, Mann’s Chinese Theatre, vor dem viele Stars ihre Hand – und Fußabdrücke hinterließen. Und jetzt habe ich noch den ganzen Tag Zeit, um mir die Universal Studios anzuschauen, vielleicht sogar noch Beverly Hills.
Wohl nicht! Ich werde jetzt nur noch meine Sachen in den Bus laden und damit fertig. Zwar bin ich heute ‘nur’ den Hollywood Boulevard hinunter gelaufen und ein bißchen in den Studios, aber das waren heute sicherlich schon wieder 15 Km und ich fühle mich gerade total erledigt und freue mich morgen endlich wieder aus den Klamotten herauszukommen und mal wieder eine Dusche zu nehmen. Aber abgesehen von der Anstrengung waren die Studios total interessant und ich hätte nicht gedacht, daß ich dazu den ganzen Tag brauche, denn die Studios sind einfach, wie soll es auch anders sein, riesig.
Oh, oh, jetzt warte ich hier in Hollywood auf meinen Bus und sehe, nachdem ich vorher noch bei meinem Freund war und es mir dort schon komisch vorkam, zum ersten Mal in den Staaten einen Security Mann von Greyhound hier herumlaufen. Ich finde, daß sagt schon einiges aus und das gefällt mir gar nicht. Ich bin mal gespannt, wie die Warterei später in Los Angeles Downtown wird.

20. Tag (25. September 1994)

Las Vegas

Las Vegas

Also ich bin gerade, es ist 5 00 Uhr morgens, in der Glitzerwelt von Las Vegas angekommen. Mein Ge-päck ist auch wieder da, obwohl ich mir nicht so sicher war, nachdem ich es wieder den Greyhoundtpyen zwangsläufig überlassen habe. Im Moment habe ich noch keine Ahnung in welchem Hotel ich unterkom-me und wo genau ich mich befinde.
Gerade habe ich in ein Hotel eingecheckt, weil ich mal wieder für mich allein sein wollte, aber irgendwie ist es nicht so das Wahre. 1. haben sie keine Kreditkarte akzeptiert, dann an meinen Travellerschecks rumgemeckert und 2. ist das Zimmer zwar groß, aber leicht duster und muffig. Vielleicht liegt es auch nur daran, daß ich etwas abgespannt bin und mir jetzt erst einmal eine Dusche gönne und danach eine Runde schlafe.
Wahnsinn! Nachdem ich also so gegen 14 00 Uhr wieder aufgestanden bin habe ich mir mal Downtown angeschaut. Ein Casino neben dem Anderen, ich würde es nicht glauben, wenn ich es nicht gesehen hätte. Von Downtown bin ich dann den “Strip” hinunter gelaufen in Richtung Star Dust und Luxor. Ich habe aber am Circus Circus schon halt gemacht, weil es mal wieder viel zu weit war. Heute abend werde ich den Bus nehmen! Ja, also dort bin ich dann hineingegangen. Unglaublich, ein riesigen Saal gefüllt mit Slotmaschinen, Black Jack, Roulette, und diesem amerikanischen Würfelspiel. Dann eine Etage höher sieht es aus, wie bei uns auf dem Rummel, Ballon treffen, Ringe werfen und Flipper, die keine Freispiele habe. Diese gibt es nur beim erreichen des Highscores. Ja und hier hat mich die Spielleidenschaft gepackt. Ich habe natürlich gleich 18,— Dollar in Quarter verloren. Als ich dann darüber schon ziemlich gefrustet wieder hinausgehen wollte steckte ich meine fast letzten Quarters in solch eine Slotmaschine und dann kam irgend solch ein Symbol und zweimal die gelbe Sieben. Im ersten Moment hatte ich das gar nicht kapiert, erst als der einarmige Bandit den Gewinn hoch zählte und später dann ausspuckte und gar nicht mehr aufhören wollte habe ich es kapiert, daß ich gerade 600 Münzen gewonnen hatte. Ich war total überrascht! Na ja, damit ist das Hotel, mein Einkauf gerade und der Aufenthalt hier in Vegas gerade ausgeglichen.

21. Tag (26. September 1994)

Las Vegas

Vergeßt alles, was ich gestern über Casinos geschrieben habe, denn die großen Casinos, wie z.B. Ceasars Palace, The Mirage, Excalibur, Luxor, etc. etc. sind noch größer, haben noch mehr Slotmaschinen, noch mehr Black Jack Tische, noch mehr Neonleuchten, noch größere Jackpöte, noch größere Zufahrten und noch mehr Spektakel. Es ist kaum zu verkraften und ich sehne mich irgendwie nach den ruhigen Flair von Baden-Baden.
Wie gewonnen so zerronnen! Alles wieder futsch! Scheiße!!!

22. Tag (27. September 1994)

Las Vegas

Las Vegas ist eine total verrückte Stadt. Nicht nur wegen der unzähligen Casinos, sondern auch wegen seiner vielen Wedding Chapels, in denen man rund um die Uhr für 15,— bis 25,— Dollar heiraten kann. Die Straßen haben keine Gullydeckel und es gibt keine Insekten in der Stadt. Außerdem fahren die Autos hier mit Glitzerin im Kühler und nicht mit Wasser. Das ‘Freibad’, in dem ich heute war, hat keine Lie-gewiese und kein Schwimmbecken. Dafür aber ein Wasserspielplatz, einen künstlichen Fluß, einen Wildwasserwirhlpool, Wasserfälle und gut ein Dutzend Rutschen. Von ganz gemütlich bis zum Highspeed Geschoß, mit oder ohne Gummischlauch oder Rutschmatte. Aber das Allerbeste daran war, daß es fast leer war und ich nirgends anstehen mußte. Es war total spaßig und meinen ersten Sonnenbrand habe ich noch gratis dazu bekommen.
Mal sehen, ob ich heute wieder mehr Glück beim Gambeln habe und mir wenigstens ein bißchen wie-derholen kann, bevor ich hier morgen verschwinde. Ich muß echt sagen nach Las Vegas zu kommen ist Spitze, aber die Stadt wieder zu verlassen ist fast besser!
Sowieso entsteht bei mir der Eindruck, daß in Nevada mehr geduldet oder erlaubt wird als anderswo. Glücksspiel findet man im ganzen Staat an jeder Ecke, Alkohol trinken auf der Straße ist sonst überall verboten, hier anscheinend nicht, und die Autofahrer halten sich kaum ans Speed Limit. Denn 80 mph auf den Highway wo 55 mph erlaubt sind, sind keine Seltenheit. Aber irgendwie mag mich diese Stadt nicht! Heute wurde zum zweiten Mal ein Travellerscheck von mir nicht akzeptiert, aber zum Glück hat man ja einen Freund, der ihn dann ohne Probleme einlöste. Was würde ich auch bloß ohne ihn machen?
Meine Nerven, meine Nerven. Bin ich froh morgen aus der Stadt der Verführung verschwinden zu kön-nen.

Die Spielerstadt, die umliegenden Nationalparks und die Fahrt nach San Diego

23. Tag (28. September 1994)

Death Valley

Death Valley

Also heute habe ich nun ein Auto gemietet in Las Vegas. Es war überhaupt kein Problem, nach ca. 12 Unterschriften und der Besichtigung des Wagens konnte ich dann losfahren. Aber ich muß wirklich sagen: “Bequemlichkeit ist hier wohl oberstes Gebot”. Fahrersitz in 5 Achsen elektrisch verstellbar, Kofferaum-deckel und Tankdeckel vom Fahrersitz aus zu öffnen, gute Aircondition, die man hier auch wirklich braucht und dazu dann noch einen komfortablen Tempomat. Alles schön und gut, aber ein Fahrwerk, Reifen, Geradeauslauf und eine Seitenwindempfindlichkeit, das schreit zum Himmel. In keinster Weise auf europäischen Standard. Aber was soll’s es fährt und ich habe noch 113 Meilen bis zum heißesten Platz der Erde, dem Death Valley. Also bis dann!
Dieses Tal des Todes ist vor allem durch eines so unheimlich, durch seine extreme Stille. Man hört abso-lut nichts. Kein Tier, kein Blätter rauschen nicht einmal das leise Gleiten eines Vogels in der Luft. Es gibt nichts außer Steine, Sand und Staub, aber ich habe es trotz eines ‘totalen’ Wintereinbruchs, bedeckter Himmel, Wind und Temperaturen zwischen 38 und 420 C, überlebt.
Jetzt auf den Weg zurück in Richtung Las Vegas schüttet es gerade, wie beim größten Wolkenbruch. Es ist ein ziemlich heftiges Gewitter und ich kann echt nur hoffen, daß es morgen, wenn ich zum Grand Canyon fahre wieder trocken und warm ist. Das hört sich jetzt schon wie zu Hause an, wo man auch ständig nach dem Wetter fragt!
Ist es nicht ein Witz? Ich bin nun wieder in Las Vegas. Nein nicht im gleichen Hotel. Diesmal habe ich die Vorteile eines Autos ausgenutzt und bin in einem echt schnuckeligen Motel abgestiegen und das zum gleichen Preis. Da sieht man mal wieder, daß man unbedingt mobil sein muß in den Staaten. Denn dieses Motel liegt ungefähr 5 Meilen von der Greyhoundstation entfernt und wäre mit dem Stadtbus nicht zu erreichen, wenn man nicht weiß, wo man suchen soll.
Nachdem ich also nach meinem 480 Meilen Loop durch das Death Valley wieder zurück in Las Vegas bin (Nein, ich werde heute abend nicht spielen!) habe ich das Gefühl, als wenn ich nur von Reutlingen nach Stuttgart gefahren wäre. Das Beste aber war der überwältigende Blick, als aus dem Dunkel der Mo-jave Wüste diese Stadt auftauchte. Die Wolkendecke wurde regelrecht von den Millionen von Lichtern der Stadt angeleuchtet, die vor einem in der Senke dieses riesigen Tals liegen, wenn man von den umliegenden Bergen herunterfährt. Der ‘Strip’ ist schon aus 25 Meilen Entfernung klar zu erkennen, besonders der ca. 2.000 m hohe Lichtstrahl des Luxor Hotels.
Nach dem ersten Mal tanken hätte ich fast einen Schock bekommen, weil es so ausgesehen hat, wie wenn die Ford Karre ungefähr 13 l auf 100 Km geschluckt hätte. Aber nach dem zweiten Tanken hat es sich dann aufgeklärt. Der Trottel von der Autovermietung hat mir nämlich gesagt, daß dieses Auto einen 80 l Tank hate, mit dem man 400 Meilen fahren kann. Zum Glück hat dieses Auto aber nur ein 55 l Tank und somit ergibt sich ein akzeptabler Verbrauch von 9 l pro 100 Km.

24. Tag (29. September 1994)

Arizona

Nachdem ich also heute schon wieder 340 Meilen von Las Vegas zum Grand Canyon gefahren bin, mußte ich leider feststellen, daß dies hier eine totale Abkassiererei ist. Die wollten hier doch tatsächlich 100,— Dollar für die Übernachtung. So werde ich heute wohl auf dem Campingplatz im Auto schlafen.
Aber jetzt erst einmal der Reihe nach. Zuerst besuchte ich heute den 1935 erbauten Hoover Damm, der den Colorado zum Lake Mead aufstaut. Es ist schon ein phänomenales Bauwerk. 2 Millionen Kubikmeter Beton, so viel, das es für einen Highway von Los Angeles nach New York ausreichen würde. 225 m hoch, 221 m am Boden dick und 375 m lang. Schon sagenhaft!
Danach weiter über das letzte 120 Km langen Stück der Route 66. Auf der man wirklich verlassene Tankstellen und Service Stationen findet und wenigstens ein bißchen Nostalgie spürt von den 600.000 Menschen, die über diese Straße nach Californien gezogen sind.
Kurz nach 18 00 Uhr habe ich dann den Grand Canyon, nach obig beschriebenen Schock erreicht. Ich wußte ja, daß der Grand Canyon groß ist und ich hatte auch schon viele Bilder gesehen, aber im ersten Moment stockte mir der Atem. Die Schlucht tauchte aus den Nichts auf und ist soetwas von riesig, schön, beeindruckend und faszinierend, wie es kein Film, keine Postkarte und kein Foto wiedergeben kann. Ich hatte auch noch dieses riesige Glück 15 Minuten Sunset mitzuerleben. Es war eine ganz außergewöhnliche Stimmung durch die Regenwolken, den Nebel und die vorüberziehenden Schauer. Es war im Grunde ein-fach unbeschreiblich und das erste Mal, daß ich auf Grund einer Landschaft sprachlos war!

25. Tag (30. September 1994)

Arizona

Arizona

Das war die schrecklichste Nacht seit langem. Es war eiskalt und wahnsinnig feucht im Auto, so daß ich ziemlich froh war um 5 00 Uhr wieder aufstehen zu können. Dafür wurde ich dann auch mit einem sagen-haften Sonnenaufgang über dem Grand Canyon belohnt. Zudem hatte ich das wahnsinnige Glück einen Schlafplatz in der Phantom Ranch am Colorado zu ergattern. Es hat also doch auch Vorteile, wenn man alleine ist. Also jetzt bin ich mal gespannt! Das Wetter scheint auch wieder besser als gestern zu werden, als es doch einige Schauer gab. Ja wer sagt es denn: “Wenn Engel reisen”!
Das ist er! Der Colorado River und ich bade meine Füße in seinen kalten, grünen Fluten. Nach einem dreistündigen Abstieg über den Kaibab Trail bin ich also im 1.350 m tiefen Canyon angekommen und jetzt weiß ich gar nicht mehr was ich schreiben soll.
Das Wasser rauscht hier in kleineren Stromschnellen nur so vorbei und ich könnte hier stundenlang sitzen und ins Wasser starren. Das Wetter oder besser das Klima hier unten ist um ein vielfaches angenehmer. 320 C, Sonnenschein, leichtes Windsäuseln, das glitzernde und rauschende Wasser und zu alledem noch der grandiose Anblick des Canyon. Dazu fällt einem nichts mehr ein.
Als ich hier hinunter gelaufen bin gab es Augenblicke, da hatte man den Eindruck sich nicht in der Na-tur, sondern in einer Postkarte zu bewegen. Um so weniger ist es zu begreifen, daß die Amis diesen Fluß durch 6 riesige Staudämme, so groß wie der Hoover Damm, gezähmt haben. Ich will nicht getötet sagen.

26. Tag (01. Oktober 1994)

Arizona

Arizona

Arizona

Ich bin wieder oben! Nach einer 6 ½ Stunden Wanderung über den etwas längeren Bright Angel Trail habe ich noch nie solch ein durchgeschwitztes T-Shirt gesehen. Man konnte es wirklich auswringen. Es war aber auch anstrengender als ich gedacht hatte, dafür aber auch gewaltiger und imposanter. Der Grand Canyon ist wirklich das Schönste, was Amerika zu bieten hat, wirklich wahr!
Da es jetzt erst 12 00 Uhr ist, werde ich erst einmal meine Beine entspannen und danach etwas essen. Morgen werde ich wohl vor lauter Muskelkater mich kaum bewegen können. Es zwickt jetzt schon über-all. Hier oben fließt halt leider kein Colorado in dessen Fluten man seine Füße baden kann. Das war gestern einfach super!
Später werde ich wohl noch zum Desert View Point, 25 Meilen östlich von hier fahren, und dort mir noch zum Abschluß den Sunset ansehen, bevor ich nach Flagstaff weiterfahre, wo ich hoffentlich im Hostel noch ein Bett bekomme.
Also dann warten wir mal aus Sunset, aber vorher werde ich noch versuchen im Hostel in Flagstaff anzu-rufen, nachdem ich es schon 2 mal vergeblich versucht habe. Irgendwie ist das Telefonieren hier in den Staaten ein Dreck. Entweder geht es nur über den Operator oder man bekommt einen Anschluß, den man überhaupt nicht haben wollte. Manchmal braucht man einen Area-Code, das andere mal wieder nicht. Es ist wie gesagt einfach ein Dreck. Und wenn man dann endlich die richtige Nummer hat und auch durch kommt ist ganz bestimmt ein Anrufbeantworter dran. Es ist zum Kotzen, nicht nur wegen den unnötig vergeudeten 6,— Dollar.
Also jetzt hat es doch noch geklappt! Vor Ort ist es halt doch einfacher ein Bett zu bekommen. Natürlich liegt das auch an der Jahreszeit, so daß ich in Zukunft wohl nicht mehr reservieren werde. — Ich muß echt sagen, daß ist das beste Hostel in dem ich bis jetzt übernachtet habe. Hier habe ich sogar einen Ku-gelschreiber bekommen, nachdem der Dritte nun schon aufgegeben hat. Der Erste war leer, der Zweite ist im Death Valley im wahrsten Sinne des Wortes ausgelaufen. Ihm war es dort wohl zu warm, und der Dritte hat schon gesponnen seit ich ihn bekommen habe.
Ja was für ein Tag! Grand Canyon pur und jetzt auch noch das berühmte Flagstaff an der Route 66. Schade, daß ich so wenig Zeit habe mit dem Auto, aber vielleicht ist es mir ja möglich hier nochmal vor-beizuschauen.

27. Tag (02. Oktober 1994)

Utah

Utah

Also heute bin ich auf dem Weg zum Monument Valley. Im Kopf pocht noch ein leichter Uhu, aber es geht schon wieder. Gestern abend, als ich gerade mein Bett belegte, lernte ich einen Polen kennen, der hier schon 4 Jahre lebt und zur Ostküste übersiedelt. Ja und mit ihm bin ich dann in eine Bar um die Ecke gegangen. Es gab welch eine Überraschung Bitburger Pils. So wurde der Abend dann ziemlich feucht fröh-lich!
Oh je! Heute bin ich zwei großen Irrtümern aufgesessen. Erstens dachte ich heute morgen noch, daß ich es gemütlich angehen lassen kann, weil ich es nicht so weit habe und zweitens dachte ich dieser Sunset Cre-ater sei dieser riesige Krater hier in Arizona, der von einem Meteoriteneinschlag her stammt. Jetzt war aber dieser Sunset Creater vulkanischen Ursprungs und somit etwas ganz anderes. Na ja es war trotzdem schön, denn es war das erste Mal, daß ich einen Vulkan zu sehen bekam. Die ganze Erde war schwarz und durch das Wüstenklima kaum bewachsen. Es sah aus, als wäre er erst gestern ausgebrochen und nicht schon vor 900 Jahren.
Auf dem Weg zum Monument Valley habe ich gleich im Hostel in Tuba City eingecheckt, weil ich von hier aus morgen dann gleich zum Bryce Canyon National Park aufbrechen kann. Ja das war so gegen 13 30 Uhr und dann ist mir zum ersten Mal richtig bewußt geworden, wie groß Amerika eigentlich ist. Es waren nämlich zum Monument Valley nur 320 Meilen hin und zurück. So daß es heute nun schon wieder 450 Meilen waren und davon 24 Meilen an Sunset Creater und im Monument Valley auf Schotterpisten. Am Schluß war es kaum mehr auszuhalten.
Die Landschaft im Valley war zum Krater gesehen eine total Andere. Harter roter Fels, aber so etwas von rot, das habe ich noch nie gesehen. Nicht einmal am Grand Canyon. Und diese Felsen stehen so in der Landschaft, wie bestellt und nicht abgeholt.

28. Tag (03. Oktober 1994)

Jetzt bin ich in ein Motel 25 Meilen vor dem Bryce Canyon National Park abgestiegen, weil ich keine Lust hatte noch mal im Auto zu schlafen und eine Dusche brauche. Es ist zwar sündhaft teuer hier, aber wie gesagt ich denke es ist das Beste. Ich bin nämlich hundemüde. Die zwei Nächte am Grand Canyon habe ich kaum geschlafen und die großen Wanderungen zeigen nun doch Wirkung, deshalb habe ich heute auch nicht viel getan. Ich war nur kurz in Page und an Lake Powell. In Page war es echt witzig. Als ich die Hauptstraße entlang gefahren bin, waren doch auf der rechten Seite der Straße glatt 9 Kirchen hinter-einander.
Oh, gerade höre ich die Wetternachrichten auf ABC und jetzt bin ich richtig froh ein Motel zu haben, denn sie kündigen gerade für heute nacht Temperaturen von 30 C und morgen von nur 130 C an. Ich glaube ich darf mich ganz schön warm anziehen. Aber morgen abend bin ich wieder in Las Vegas, um das Auto abzugeben und dort wird es kaum unter 300 C haben.
Der Wahnsinn! Soeben bin ich mit zwei älteren Damen essen gewesen, die 1962 aus Deutschland ausge-wandert sind. Sich mit solchen Leuten zu unterhalten ist unglaublich interessant! Sie gaben mir auch gleich ihre Adressen, falls ich mal wieder in die USA komme. “You have to visit us!”

29. Tag (04. Oktober 1994)

Utah

Heute am letzten Tag an dem ich das Auto habe bin ich nun zum Bryce Canyon National Park aufgebro-chen, leider ist der Himmel ziemlich bewölkt und es ist mit 100 C auch nicht besonders warm. Aber es ist trotzdem wunderschön und als ich schrieb, daß der Grand Canyon der schönste Ort in Amerika sei mein-te ich es auch so und dabei bleibe ich. Aber dann muß dieser Bryce Canyon mindestens der zweitschönste Platz sein. Er ist echt toll, weil total verschieden. Zwar auch unheimlich tief, aber die einzelnen Schluch-ten sind unzählbar und sehr schmal. Dadurch erhält man alle 100 m einen anderen Blick, der immer wieder überraschend ist. Die Erdpyramiden in Südtirol sind ähnlich und auf die gleiche Weise entstanden. Nur sie sind, wie sollte es auch anders sein natürlich viel kleiner, als dieser Bryce Canyon.
Jetzt hat dieser Tag so schön angefangen und jetzt diese Scheiße! Gerade war ich 2 Stunden damit be-schäftigt die ganze Sache wieder auf die Reihe zu bekommen. Ich wollte nämlich das Auto heute abend abgeben und heute nacht nach San Diego direkt mit den Bus fahren. Unterdessen habe ich nochmals Geld für ein Motel rausgeschmissen, weil diese scheiß Autovermietung ihr Büro schon um 15 30 Uhr schließt und ich erst kurz vor 17 00 Uhr dort eintraf. So kann ich morgen erst um 10 00 Uhr den Bus nehmen und muß in Los Angeles umsteigen mit wahrscheinlich ‘ewigen’ Aufenthalt. So daß ich morgen abend erst in San Diego bin. Deshalb habe ich heute gleich versucht dort im Hostel zu reservieren. Nach 6 Versuchen bin ich dann durchgekommen und dort haben sie mir dann gesagt, daß man gar nicht reservieren muß, es gibt ausreichend freie Betten. Das sind dann so Momente in denen es mich voll aufregt, vor allem, weil diese Stadt, in der ich nun schon zum dritten Mal bin, mir immer mehr auf den Geist geht, je länger ich hier bin.

30. Tag (05. Oktober 1994)

Als ich heute morgen das Auto wieder abgab haben die Pfeifen von der Autovermietung mir dann gesagt, daß ich das Auto gestern abend bis 23 00 Uhr am Flughafen hätte abgeben können. Dieser Tip kam reich-lich früh! Na ja, wenigsten hat es beim Abgeben keine Probleme gegeben mit irgendwelchen Beschädi-gungen oder sonstigem. Dafür haben sie sich bei der Rechnung um 100,— Dollar vertan. Natürlich zu meinen Ungunsten. Es brauchte dann aber 20 Minuten, bis dieser Computer den Fehler korrigiert hatte. Jetzt bin ich wieder im Bus unterwegs, da habe ich dann solche Probleme zum Glück nicht, da habe ich dann andere.
Mit dem Auto, daß fällt mir gerade auf, habe ich das andere, das wohlhabende Amerika gesehen, denen es nicht schwerfällt am Grand Canyon 100,— Dollar fürs Hotel zu zahlen. Ich habe die ganze Woche nicht einen Penner und nur sehr wenige Schwarze gesehen. Es war, als wäre man in einer anderen Welt gewe-sen. Alles war so gemütlich, so ruhig und so sicher, man hat nicht ständig irgendwelche Polizeisirenen gehört. Aber das fällt einem sicherlich auch nur auf, wenn man mit Greyhound unterwegs ist.
Man glaubt gar nicht wieviel Gesocks von Las Vegas nach Los Angeles will. Der ganze Bus ist voll mit Behinderten, Asozialen, kaputten Leuten und Alkoholikern, einer von mindestens 6 sitzt neben mir. Und ich mitten drin, ich fühle mich gerade genauso dreckig, wie die Leute um mich herum.
Na ja, jetzt bin ich auf dem Weg nach San Diego, nachdem ich in Los Angeles umgestiegen bin und fahre jetzt wieder in die andere Richtung durch Los Angeles und es stellt sich die Frage, warum die Leute hier ihre Autobahnen Freeways nennen? Viel passender wäre doch z.B. Santa Anna Staustrecke oder San Bernadino Warteschlange. Denn es herrscht im Moment absolutes Chaos. Es geht zwar vorwärts, aber man glaubt, daß eigentlich keiner weiß wohin. In meinem Führer habe ich gelesen, daß jemand mal ge-sagt haben soll: “Los Angeles ist eine Ansammlung von Vorstädten auf der Suche nach einem Zentrum nur durch Autobahnen lose zusammengehalten!” Diesen Eindruck verspüre ich auch, wenn ich hier so durchfahre bzw. im Moment wieder durchstaue.
Nicht auch das noch! Nicht daß das Kind hinter mir schon 2 Stunden schreit und weint, jetzt hat es auch noch auf den Gang gekotzt und es stinkt erbärmlich. Also heute war es eine schreckliche 11 Stundenfahrt von Las Vegas nach San Diego. Mir reicht es so langsam und ich will nicht mehr.

31. Tag (06. Oktober 1994)

Tijuana, Mexiko! Nachdem ich ohne meinen Paß oder sonst etwas zu zeigen nach Mexiko gelaufen bin stand ich also sozusagen mitten drin. In dem geschäftigen Treiben, wo alle 5 Meter ein Schlepper versucht hat, mich in seinen mit Gold – und Silberschmuck, Lederwaren, Teppichen, aztekische Kunstgegenstände und Souvenirs überfüllten Laden zu zerren. In dieser überall sichtbaren Armut, in diesem Schmutz, in dieser von 1.000 Gerüchen getränkten Luft, in diesen von düsterem Licht durchfluteten Gassen und Basa-ren, in denen Fleisch, Gemüse, Früchte, Käse, Nüsse und noch vieles mehr offen ausgebreitet da lag und sich die Fliegen daran labten. Und in diesem chaotischen Verkehr mit seinem ganzen Lärm. Ja, nun stand ich da und versuchte dieses unbegreifliche und fremdartige Geschehen zu begreifen. Aber es blieb mir unbegreiflich und ich verspürte wieder eine gewisse Erleichterung, als ich nach Paß – und Gepäckkontrolle wieder in den Staaten zurück war.

32. Tag (07. Oktober 1994)

Jetzt habe ich ihn endgültig erreicht, nachdem ich in San Francisco schon so nahe war. Den Pazifischen Ozean. Hier an Pacific Beach in San Diego. Die Wellen rauschen nur so heran, gewaltiger als an der Nordsee, schneeweiß und überschäumend vor Frische. Und ich werde mich jetzt einfach in die Fluten stürzen!

33. Tag (08. Oktober 1994)

Heute ist Sea World Tag. Nach der Seelöwenshow die Delphinshow und hoffentlich zum Abschluß die Killerwalshow. Absolut perfekt, wie man sowas hier auch erwartet. Deshalb sicherlich auch einmalig. Aber ein kleiner Witz bleibt. Nachdem ich vor Tagen die Universal Studios in Los Angeles besucht habe, habe ich nun heute dafür einen Ermäßigungsgutschein bekommen. Locker, oder? Also, jetzt muß ich wie-der in die nächste Show!

34. Tag (09. Oktober 1994)

San Diego Californien! Heute bin ich wieder am Strand. Dieses mal aber am Mission Beach. Das Wetter ist noch besser als vor zwei Tagen. Gerade habe ich mit Deutschland telefoniert und dort heizen sie und ich liege hier am Strand in der Sonne und relaxe.
Das Nachtleben hier ist einfach unglaublich. Hier im Candel Light Quarter gibt es einfach alles. Von der Bar mit Oktoberfest und “deutschem” Bier über Country Clubs, Heavy Metal life Gigs bis zur Mega – in’ Disko, in der ich die letzten Tage bzw. Nächte verbracht habe. Man hatte echt den Eindruck, als ob dort alle schönen Mädels von Californien versammelt waren. Es gab keine, die man nicht anschauen konnte. So etwas gibt es auch nur in Californien.
Und es ist schon wahr, was Albert Hammond gesungen hatte: “It never rains in southern california..”. Es ist fast Mitte Oktober und ich gehe jetzt erst einmal baden. Heute mittag am Strand, als ich so die Wellen sah und die Sonne brannte da habe ich mich nun entgültig entschlossen doch nach Hawaii zu fliegen, nachdem das hier mit einem Driveaway Auto nicht so richtig geklappt hat. Ich habe nun schon die letzten 4 Tage dort angerufen und es hat sich nichts ergeben. Nun bin ich also zum Airport gefahren und habe nach einem Ticket für Morgen gefragt und die verschiedenen Airlines meinten dann, von San Diego aus bräuchten sie von mir zwischen 750,— und 1.100,— Dollar. Na klasse! Bei United Airlines habe ich dann so gut eine halbe Stunde mit dem Fräulein geredet und es ergab sich dann noch ein Platz zum super An-gebot von Los Angeles aus für 251,— Dollar Roundtrip. Ja, das habe ich dann genommen, aber begreifen tue ich es immer noch nicht, daß ich nun auf dem Weg nach Hawaii bin. Dem absoluten Traumziel! So muß ich dann nur noch morgen einiges abchecken. Wie ich nach Los Angeles komme und vielleicht kann ich schon von hier aus ein Hostel in Honolulu buchen und mal nachfragen, ob ich bei der Driveaway Company vielleicht jetzt schon ein Auto reservieren kann, für den Tag an dem ich zurückkomme. Wenn das morgen noch alles klappen würde wäre es absolut traumhaft, aber das Anzunehmen wäre wohl zu utopisch. Aber man weiß ja nie!
Gerade habe ich erfahren, das man über ein Computernetzwerk hier die Hostels im Voraus buchen kann ohne teure und komplizierte Long Distance Calls zu tätigen. Ja, ja, jetzt bin ich 4 ½ Wochen hier und es stellt sich endlich dieses beruhigende Gefühl ein, daß man weiß wo es lang geht. Z. B. gerade dieses Netzwerk oder wie man hier telefoniert, oder wie es mit solch einer Telefonkarte funktioniert, wie man mit diesen Bussen hier fahren kann, oder wo man am Besten nachfragt, wenn man etwas wissen will. Das sind alles so Sachen, die muß man erst herausfinden und wenn man so etwas nicht weiß steht man halt ganz schön auf dem Schlauch.

Der Urlaub im Urlaub, und der weitere Weg bis nach New Orleans

35. Tag (10. Oktober 1994)

O. k., jetzt habe ich alles erledigt, was ich wollte. Aber es hat natürlich mal wieder nur über Umwege geklappt. Driveaway meinte, daß sie jetzt kein Auto zurückhalten könnten und ich doch 2 Tage bevor ich von Hawaii zurück komme ihr Büro in Los Angeles anrufen solle. Na dann kann ich nur hoffen, daß es dann hin haut. Was sich seit gestern natürlich brutal erleichtert hat ist das Telefonieren mit diesen Tele-fonkarten. Das ist jetzt echt o.k.. So konnte ich gleich in Waikiki im Hostel ein Bett reservieren. Ja, ja, diese Reservierung mußte ich nun doch selbst per Telefon erledigen, da heute morgen das mit der Reser-vierungscomputer nach ziemlich langen Gerede nicht funktioniert hat, weil wahrscheinlich, so wie ich das mitbekommen habe, das Netz im Moment zusammengebrochen ist. Aber jetzt freue ich mich schon tie-risch auf Oahu!

36. Tag (11. Oktober 1994)

Oh Leute. So ist es halt, wenn man sich nicht um alles hundertprozentig kümmert. Gestern habe ich eine Fahrkarte für den 8 00 Uhr Bus nach Los Angeles gekauft und mußte heute feststellen, daß ich hier im Hostel erst um 8 00 Uhr auschecken kann, also mußte ich heute morgen mit meinem ganzen Gepäck zur Greyhoundstation um mein Ticket auf 9 00 Uhr umbuchen zu lassen.
Oh welch ein Chaos! Der Typ am Checkout Schalter kam 10 Minuten zu früh und der Bus hatte 10 Minuten Verspätung, so daß ich jetzt mit meinem auf 9 00 Uhr umgebuchten Ticket im 8 00 Uhr Bus sitze. Oh welch ein Chaos!
Na dann in 20 Minuten ist Bording und dann geht es los. Dieser Los Angeles International Airport ist noch größer als JFK in New York. Allein der United Airlines Terminal ist so groß wie der Stuttgarter Flughafen und davon gibt es hier 10, aber es ist angenehm und übersichtlich. Da hatte ich vorhin, als ich von der Greyhoundstation L.A. Downtown mit dem Citybus 2 Stunden zum Airport unterwegs war, andere Empfindungen. Man hatte echt das Gefühl man bewege sich durch einen Slum. Mich wundert es gar nicht mehr, daß hier vor Jahren die schweren Rassenunruhen ausbrachen. Mir war schon ein bißchen mulmig, als ich zur Bushaltestelle lief und auf den Bus wartete. Übertrieben gesehen könnte man dort locker jederzeit abgestochen werden. Und falls ich im Zurück wieder zur Greyhoundstation muß, werde ich wohl den Shuttle Bus oder doch ein Taxi für 30,— Dollar nehmen. Ich finde so viel dürfte mein Leben doch wert sein, oder?

37. Tag (12. Oktober 1994)

Hawaii

Hawaii

Aloha! Ja, das sagt man hier auf Oahu zur Begrüßung. Und als ich heute morgen aufgewacht bin hat mich Hawaii mit ein paar Überraschungen begrüßt. Honolulu ist keine Kleinstadt, sondern eine Metropo-le mit 600.000 Einwohnern, 6-spurigen Interstates, Highways und Dutzenden von Hotels. Die Inseln sind so groß, das man ohne Auto nicht viel sieht. Dafür sind die Strände Waikiki Beach etc. kleiner und be-völkerter als ich es mir vorgestellt habe, aber dafür auch genauso traumhaft. Smaragdgrünes, warmes Wasser, feiner Sand, Palmen und große Wellen, die sich draußen am Riff brechen. Der Neugier wegen bin ich heute auf Sightseeing Tour. Waikiki mit all seinen Hotels und Shops, Aloha Tower und USS Arizona Memorial im Pearl Habor. Ach ja, daß fällt mir gerade speziell hier auf, als ich die Gedenk-stätte für den japanischen Angriff besuche. Was den Japanern im 2. Weltkrieg nicht gelungen ist, haben sie jetzt vollständig geschafft. Die Übernahme Hawaii’s. Hawaii ist fast vollständig zweisprachig und jeder zweite, den man hier sieht, sieht japanisch aus. Und das können nicht alles Touristen sein.
Oh, oh! Ich glaube das wird noch ein hartes Stück Arbeit. Ich beabsichtige für einen Tag ein Auto zu mieten, aber die 3 großen Verleihfirmen wie Hertz, Avis oder Budget vermieten keine Autos an unter 25-jährige. Das ist zwar schon ein Witz in den Staaten mit dieser Extragebühr, aber dies hier ist wohl der Abschuß. Aber ich denke und hoffe, daß ich noch ein Auto bei einer kleineren Verleihfirma bekommen kann.

38. Tag (13. Oktober 1994)

Na also, bei so einer kleineren Verleihfirma hat es doch noch geklappt. Ich kann am Montag ein Auto bekommen, so daß ich doch noch was von der Insel sehe.
Der Strand war, ich glaube ich brauche es nicht zu erzählen einfach traumhaft. Weicher, feiner Sand und Wassertemperaturen von 26 bis 280 C. Was will man mehr.
Für morgen habe ich hier im Hostel eine Tour gebucht. Es geht in den Regenwald zu einem Wasserfall unter dem man baden kann. Da bin ich echt mal gespannt wie das werden wird. Das man solche Touren hier buchen kann habe ich gerade von einem Schweizer erfahren und dann natürlich auch gleich gemacht. Das wird dann meinem Sonnenbrand auch wieder etwas Erholung geben. So jetzt sollte ich eigentlich noch Postkarten schreiben, aber ich habe gar keine Lust mehr ständig das gleiche Gelaber zu schreiben, und so werde ich es wohl vorziehen in ein Pub hier um die Ecke zu gehen und mir ein Bier zu gönnen.

39. Tag (14. Oktober 1994)

Meine Tour durch den Regenwald zum Wasserfall mit anschließendem baden unter den Fällen war geil. Ein paar Meter neben der Straße hat ein wirklicher Dschungel angefangen. So wie man sich den Amazo-nas vorstellt. Feucht, leicht schwül, überall Grün, kleine Bäche und matschige Wege. Es war einfach unglaublich. Und dann dieser Pool mitten im Wald, schattig, warmes Wasser und Felsen zum Kletten und ins Wasser springen. Das ultimative Erlebnis! Danach dann zurück ins Hostel, erst einmal eine Dusche und dann “mußte” ich doch noch die lästigen Postkarten an die daheimgebliebenen schreiben. Es wird immer schlimmer. Ich habe überhaupt keine Lust mehr, diese blöden Dinger zu schreiben. Mir fällt über-haupt nichts mehr ein, außer diesen, auf Dauer total nervenden Floskeln, wie z.B.: “Schöne Grüße aus…, nachdem ich da und da war…, tolles Wetter…” etc. etc.. Ich glaube, nachdem ich nun schon über 40 Postkarten geschrieben habe, werde ich wohl auch meine Schuldigkeit getan haben. Aber ich höre sie jetzt schon sagen, wenn ich wieder zu Hause bin: “Mir hättest Du aber auch eine schreiben können…, Warum habe ich nur eine bekommen…, etc. etc.”. Ich glaube in zukünftigen Urlauben werde ich wohl keine mehr schreiben!

40. Tag (15. Oktober 1994)

Hawaii

Jetzt gehe ich erst einmal zum Strand, nachdem ich heute den Diamond Head bestiegen habe und fast ausgelaufen wäre, habe ich es mir wohl auch verdient. Die Aussicht von dort oben ist wirklich nicht zu verachten, zumal der Weg dort hinauf schon ein Abenteuer für sich ist. Es geht durch alte Bunkeranlagen aus dem 1. Weltkrieg. Man kämpft sich durch unbeleuchtete Tunnel und Wendeltreppen nach oben und darf sich dann durch die Schießlucken ins Freie zwängen.
Ich glaube ich bekomme wohl alles zu sehen. Gerade als ich vom Strand auf dem Weg zurück ins Hostel war, ergoß sich für eine Viertelstunde ein tropischer Wolkenbruch. So etwas habe ich noch nie gesehen. Die Straßen waren innerhalb von 5 Minuten total unter Wasser, aber als es vorbei war kam die Sonne wieder hervor und es war wie vorher.

41. Tag (16. Oktober 1994)

Hawaii

Hawaii

Phantastisch! Heute habe ich eine sogenannte “Circel Island Tour” um die ganze Insel mitgemacht. Es war gigantisch. Wir sind zuerst an die Ostküste gefahren. Das Meer war wunderschön. Tiefblau mit wei-ßen sich an der Felsenküste brechenden Wellen. Ganz anders als hier in Waikiki. Die paar Leute, die an den dortigen Stränden waren haben sich leicht verlaufen, so daß man fast alleine war. Danach besuchten wir einen 1.000 Jahre alten Tempel, von dem allerdings nur noch die Grundmauern standen. Das Ver-blüffendste aber war, daß sich das Klima hier innerhalb von wenigen Meilen ändert. Gut, es ist überall warm, aber man fährt von einem annähernden Wüstenklima an der Küste in einen tropischen Regenwald in den Bergen mit seinen vielen Wasserfällen und einer wuchernden Flora und Fauna. Dort regnet es un-gefähr 20 bis 30 mal häufiger als an der Südwestküste. Nebelschwaden ziehen die Berghänge hinauf und überall ist es feucht. Nachdem ich dann noch meinen besten, größten und saftigsten Burger gegessen habe, sind wir in die Ananasplantagen von Dole gefahren. Das war interessant! Ich wußte nämlich nicht, daß Ananas 14 Monate brauchen um zu reifen, ich wußte auch nicht, daß sie nicht auf Bäumen wachsen, sondern an nur kniehohen Stauden, welche nach 2 bis 3 Ernten herausgerissen werden müssen um neuen Setzlingen Platz zu machen. Der absolute Höhepunkt der Tour war danach der Sunset Beach am North Shore der Insel, wo wir baden gingen und uns den Sonnenuntergang ansahen. So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen und man kann wirklich alles vergessen, was man vorher an Wellen gesehen hat. 2 bis 4 Meter hoch und mit einer Gewalt, das man am Strand keine Chance hatte sich sicher auf den Beinen zu halten. Man wurde total durchgewirbelt und gnadenlos auf den Sand geschleudert. Aber es war herrlich und ich konnte gar nicht genug davon bekommen. Dazu dann noch dieser Sonnenuntergang, man stelle sich das mal vor! Da kann man die künstlichen und überfüllten Strände von Waikiki gleich vergessen. So wer-de ich wohl morgen noch mal mit dem Citybus zum North Shore fahren und einfach mein Mietauto ver-gessen, weil ich sowieso auf dieser Tour mehr gesehen habe, als ich alleine auf eigene Faust mit einem Auto gesehen hätte. Diese Wellen waren einfach noch besser, als ich mir es erträumt hatte. So bin ich jetzt eigentlich ziemlich sicher, daß ich mich morgen noch mal dieser Brandung hingeben werde!

42. Tag (17. Oktober 1994)

Hawaii

Jawohl! Jetzt habe ich endlich ein Driveaway Auto nach Florida. Nachdem ich heute morgen nach Los Angeles und Long Beach telefoniert habe hat es jetzt doch von San Diego aus geklappt. Jetzt muß ich zum Glück nicht mit Greyhound an die Ostküste zurück. Es ist toll und ich bin total happy! 5.000 Km durch die USA, was für eine Vorstellung.
North Shore again, Burger again.

43. Tag (18. Oktober 1994)

Was für ein Tag! Nachdem ich gestern noch mal am Sunset Beach war und mit den Wellen gekämpft habe bin ich heute zu einer von mir so genannten Badewanne zwischen Waikiki und Honolulu gegangen und habe mir die letzte Farbe geholt. Mein Gesicht und die Arme glühen noch ganz. Ja, ich wollte eigent-lich sagen, daß heute ein ganz besonderer Tag ist. Ja wirklich! Es ist nicht nur mein letzter Tag auf Oa-hu, sondern ich bin heute genau 6 Wochen unterwegs. Mehr als die Hälfte meines Urlaubs ist damit schon vorbei. Ab jetzt geht es nur noch zurück. Ich habe hier den westlichsten Punkt meiner Reise erreicht. Weiter nach Westen geht es fast nicht mehr. 17.000 Km von Deutschland entfernt, auf der anderen Seite der Erde. Von nun an geht es nur noch zurück. Zurück nach Los Angeles, zurück zur Ostküste, zurück nach New York und dann? Bye bye USA! Ich muß schon sagen, es war verdammt schön hier und mit dem Satz: “Hierher komme ich bestimmt zurück!” ist es immer so eine Sache. Man kann nie wissen wie es läuft, aber ich sage: “Wenn es mir irgendwie möglich ist, dann möchte ich noch mal wiederkommen!”. In den meisten oder sagen wir in allen amerikanischen Städten hatte ich nach spätestens 3 bis 4 Tagen im-mer das Gefühl, jetzt mußt du weg oder weiter, weil die Städte dich dann gelangweilt oder genervt haben. Hier war es ganz anders. Ich wäre gerne noch eine oder zwei Wochen geblieben. Aber so ist das eben in Leben, wenn es am Schönsten ist muß man meistens gehen! ALOHA HAWAII !!!

44. Tag (19. Oktober 1994)

Nach einem ruhigen Flug und einer ziemlich kurzen Nacht bin ich heute morgen wieder sicher in Los Angeles angekommen und mit dem Taxi zur Greyhoundstation gefahren. Das war mit 35,— Dollar zwar schweine teuer, aber ich denke es war doch das Beste und Einfachste aus den schon genannten Gründen. Na ja, nachdem ich dann noch den falschen Bus nach San Diego erwischt habe, es war der Local Bus, der in jedem Nest dazwischen angehalten hat und 4 Stunden brauchte, habe ich dann nach einigen Formalitä-ten mein Auto bei der Driveaway Company abgeholt. Dieses Auto ist das totale Gegenteil zu meinem Mietwagen. Ein recht günstiger Verbrauch, soweit es bis jetzt absehbar ist, ein gutes Fahrverhalten, aber überhaupt keinen Komfort. Das heißt: Keine Aircondition, keine Automatik und keinen Tempomat ohne den es wohl zu richtiger Arbeit ausarten wird, aber das wäre ja alles noch zu verkraften. Das wirklich schlimmste ist, daß das Radio kaputt ist und ich keine Musik habe. Ich weiß gar nicht, wie ich das aus-halten soll! Da muß ich mir wirklich noch was einfallen lassen, sonst sterbe ich bis Miami. Ansonsten gab es noch so ein paar Kleinigkeiten. Der linke hintere Reifen mußte noch ersetzt werden, weil dieser total abgefahren war und der rechte vordere Blinker hing schon halb auf der Straße. Bis ich dann gemerkt habe, daß dieser sowieso schon lose war und nur mit einem Schnürsenkel festgehalten wurde, welchen ich dann, und wahrscheinlich auch noch öfter wieder fest zog. Aber nachdem ich jetzt den ersten Schock überwunden habe, sage ich mir: Dies ist immer noch ein Auto und 1.000 mal besser als dieser ‘bescheidene’ Greyhound. So kann ich jetzt nur noch hoffen, daß alles heil bleibt, nichts mehr dazwischen kommt und ich eine schöne Fahrt von Küste zu Küste erleben werde.
Gerade sitze ich, seit ca. 10 Tagen das erste Mal wieder bei meinem Freund und habe gerade so auf die Karte und in mein Hostelbuch geschaut und beschlossen, daß ich heute noch versuche nach Phoenix zu kommen. Von dort kann die Fahrt dann durch die Prärie von New Mexico und Texas richtig beginnen.
So jetzt habe ich es doch noch geschafft! Ich bin im Hostel in Phoenix eingecheckt. So waren es heute doch schon 380 Meilen und für morgen habe ich mir die Strecke nach Houston vorgenommen. Ich denke es müßten laut Karte so 900 Meilen sein. Ich bin mal gespannt, ob ich das schaffe, wenn nicht, werde ich wohl irgendwo vorher übernachten. Aber jetzt werde ich zusehen, daß ich etwas Schlaf bekomme, denn sonst wird das morgen gleich gar nichts.
Heute war schon ein toller Tag, wenn man den gestrigen Abend noch dazurechnet. Denn dann bin ich an einem Tag 3.000 Meilen nach Osten gekommen. Von Waikiki erst mit dem Citybus zum Airport, dann mit dem Flieger zum Los Angeles International Airport, von dort mit dem Taxi zur Greyhoundstation, danach mit dem Bus nach San Diego. Dort habe ich wieder den Citybus zum Driveaway Büro genommen, um dann von da mit dem Auto nach Phoenix zu fahren. Was für ein Trip?!

45. Tag (20. Oktober 1994)

Jawohl! Ich habe es gerade noch geschafft! 5 Minuten nach 23 00 Uhr konnte ich zum Glück noch im Hos-tel hier in San Antonio einchecken. Genau 1.027 Meilen von Phoenix entfernt und nach 15 Stunden Fahrt wollte ich einfach nicht mehr. Nach Houston wären es noch mal 200 Meilen gewesen. Da habe ich mich ganz böse verschätzt, als ich annahm, daß es insgesamt nur 900 Meilen wären. Aber nach meinem Führer zu urteilen ist San Antonio die sowieso sehenswertere Stadt. Außer der Länge der Strecke hatte ich nicht beachtet, das mir 2 Stunden verloren gingen, als ich die Zeitzonen zwischen Arizona und Texas durchquerte.
Apropo Arizona… — Na ja! Arizona hat mir kurz vor der Grenze zu New Mexico noch ein Abschieds-geschenk mitgegeben. Ich durfte für 95.— Dollar miterleben, wie man sich fühlt, wenn man von der Highway Patrol angehalten wird. Und das wegen läppischen 79 mph bei erlaubten 65 mph. Na ja, spre-chen wir nicht weiter darüber und hacken es als besondere Erfahrung ab.
Nachdem ich jetzt in 1 ½ Tagen schon die Hälfte der Strecke hinter mir habe, werde ich mir die zweite Hälfte in den nächsten 7 Tagen einteilen und mir noch einiges ansehen. Auf den letzten 1.000 Meilen, die ich heute bis zum sprichwörtlichen Abwinken gefahren bin gab es fast nichts zu sehen. 50 Meilen oder mehr fuhr ich durch eine riesige Ebene danach über eine Bergkuppe und das gleiche hat von vorne ange-fangen. Einfach unglaublich!

46. Tag (21. Oktober 1994)

Florida

San Antonio ist eine nette Stadt, die mehr Geschichte geschrieben hat als andere große Städte der USA. Dieser “Alamo” ist das Fort, in dem 180 Texaner einer Übermacht von 5.000 Mexikanern unterlagen und nach 13 Tagen Kampf für Texas starben. Und damit den Widerstand gegen die Mexikaner erst recht mobilisierten.
Auch sonst gab es einige nette Ecken, welche gar nicht an amerikanische Städte erinnern, wie z.B. der Riversidewalk. Ein Weg entlang eines kleinen Flusses mit Cafés, Bars und Restaurants. Und das ganze dann unter schattigen Bäumen mitten in der City. Na und dann war da noch dieses Hertzberg Circus Museum. Harry Hertzberg hat so allerlei Zeug von verschiedenen Circusse zusammengesammelt und ausgestellt. Na klar war da noch ein T-Shirt fällig. Dieses dürfte aber nun wohl das endgültig Letzte sein. Denn ich bekomme kaum noch etwas in den Rucksack.

47. Tag (22. Oktober 1994)

Nach den heutigen 590 Meilen nach New Orleans bin ich wieder im Osten der USA. Die Landschaft ist wieder mehr europäisch, es gibt auch wieder mehr Industrie und jede Menge Raffinerien und Ölförder-pumpen in dieser Gegend. Östlich von Houston müssen wohl 2 Quellen oder 2 riesige Tanks gebrannt haben. Der Interstate 10 war geschlossen und am Himmel zog sich eine pechschwarze Rauchwolke wohl gut über 100 Meilen hin. Vielleicht war der Interstate auch nur wegen der Überschwemmungen östlich von Houston gesperrt. Ganze Landstriche und Dörfer entlang der Ausweichstrecke standen unter Wasser. Es sah aus, als wäre ich schon in den Everglades in Florida. Normal hingegen waren die endlosen Sümpfe vor New Orleans. Der Interstate verlief Dutzende von Meilen auf Stelzen und man hatte den Eindruck, wenn man etwas abseits geschaut hatte, als wenn man darüber hinweg schweben würde.
Als ich dann im Hostel ankam dachte ich zuerst es existiert gar nicht mehr, weil eines der Gebäude völlig ausgebrannt dastand. Hat wohl einer Eine zuviel geraucht!
Jetzt geht es gleich noch ins French Quarter zum Barhopping. Nach 2.000 Meilen habe ich mir ein Bier verdient!

Florida, Kennedy Space Center und der Rückweg nach New York City

48. Tag (23. Oktober 1994)

Mal wieder länger zu schlafen ist so angenehm, daß ich dann erst heute mittag gemütlich die Straßenmu-siker, Artisten, Karikaturisten, etc. etc. im French Quarter angeschaut habe. Die Bars, Cafés und diver-sen anderen Shops in der Bourbon Street habe ich ja gestern Abend schon gesehen und besucht, als viel, viel mehr los war. Ansonsten sinniere ich gerade über die vergangene und vor allem über die zukünftige Reiseroute, und an welchem Zeitpunkt ich ungefähr wieder in New York sein kann.

49. Tag (24. Oktober 1994)

Nach weiteren 620 Meilen on the road again habe ich den Atlantischen Ocean wieder erreicht und bin nun im Hostel in St. Augustine eingecheckt. Das Beste daran ist, das dieses Hostel von einem jungen Deutschen geführt wird und das Städtchen unheimlich gemütlich ist, was ich so im Durchfahren sehen konnte. Vielleicht werde ich auf der Rückfahrt noch mal Station hier machen, vielleicht sogar für ein paar Tage, na mal sehen.

50. Tag (25. Oktober 1994)

Kennedy Space Center

Heute ging es in den Weltraum! Na ja, nicht ganz. Ich habe mir das John F. Kennedy Space Center am Cap Canaveral angeschaut. Echt ein Erlebnis, wenn man sich vorstellt, daß von hier aus die Menschheit zum Mond aufgebrochen ist und man sich den gigantischen Aufwand an Menschen und Material sich ansieht. Das Gelände umfaßt 650 Km2, zwei noch betriebene Startrampen und sicher noch ein Dutzend stillgelegte. Aber erst wenn man neben dieser gigantischen 111 m langen Saturn V Rakete steht kann man sich vorstellen, welche gigantischen Schubkräfte notwendig sind um die Gravitation zu überwinden.
In 2 fast einstündigen IMAX® Filmen wurde dann einem die Arbeit im All, der Nutzen der Raumfahrt und mögliche zukünftige Pläne gezeigt. Das Gute daran war, daß ich auf der Bustour zu den Startrampen eine Reisegruppe aus Oldenburg kennengelernt habe und die noch ganz “zufällig” eine Eintrittskarte zu einem der Filme übrig hatten, so daß ich wenigstens einen der Filme nicht bezahlen mußten. Ansonsten gab es viele Informationen darunter auch eine höchst interessante. Am 03. Nov. startet das Space Shuttle Atlantis von Startrampe B. Vielleicht kann ich sogar noch einen Raketenstart miterleben, wenn ich auf dem Rückweg bin. Aber so sicher ist das dann auch wieder nicht, denn ein Shuttle Start ist auch sehr schnell verschoben. Aber sowas zu sehen wäre natürlich echt klasse! Wie würde Franz immer sagen: “Schau’n mir mal!”
Nachdem es dann noch einen Waldbrand vor der riesigen Montagehalle des Space Shuttle gab, mußte ich hier in Cocoa Beach wieder in ein teures Motel einchecken, weil es vom Meilenlimit her zu weit gewesen wäre nach St. Augustine zurückzufahren. Morgen fahre ich dann noch ganz gemütlich die letzten 200 Meilen nach Miami und gebe das Auto Übermorgen wieder ab. Dann ist diese gigantische, 5.000 Km lange, transkontinentale Wahnsinnsfahrt auch schon Vergangenheit.

51. Tag (26. Oktober 1994)

Ich habe den Fluchtpunkt Miami also heute, nach einer gar nicht so gemütlichen 280 Meilen Fahrt, er-reicht. Es war nämlich tierisch heiß im Auto und der Interstate 95 ist genauso verwirrend und mit genauso vielen Baustellen gepflastert, wie die berühmten Staustrecken in Los Angeles. Als ich dann wieder in ei-nem Hostel eingecheckt bin, bin ich danach zum Strand gelaufen, und habe somit den ganzen Kontinent durchquert in effektiv 4 ½ Tagen reiner Fahrzeit.
Ich muß schon sagen, daß man den Eindruck gewinnen kann, als ob die ganze Küste von Jacksonville bis nach Miami zugebaut ist. Das wären dann gute 370 Meilen. Denn als ich am Anfang den Highway Number One die Küste entlang gefahren bin kam alle 5 Meilen ein anderes Nest, welches sich dann auf eine Länge von 20 Meilen hinzog. Und jede 2. Ampel war rot. Auf die Dauer total nervend.

52. Tag (27. Oktober 1994)

Nach 2.952,6 Meilen habe ich heute morgen das Auto bei seinem Besitzer abgegeben und war eigentlich recht froh, als ich es wieder los war. Man hat doch eine gewisse Verantwortung. Schließlich würde man nur Probleme bekommen, wenn z.B. das Auto beschädigt wird, man einen Unfall hat, es kaputt geht oder im schlimmsten Fall gestohlen wird, was hier durchaus nicht unrealistisch wäre. Aber zum Glück hat alles ohne Probleme geklappt und ich war froh meine 300.— Dollar Kaution wieder zu sehen. Als ich dann zu Kevins Adresse gefahren bin wurde meine Vermutung bestätigt und mir war nicht ganz wohl, denn er war ein Schwarzer, der dann natürlich auch in einem Schwarzenviertel wohnte. O.k. es war kein Slum, aber man hat schon zuviel über erschossene Touristen in Miami gehört. Aber im nachhinein gesehen war es echt locker und der Typ war auch ganz nett.
Da dieser Tag jetzt eh schon verloren ist und das Wetter zwar warm, was auch sonst, aber nicht gerade sonnig ist bin ich gleich zum Airport und habe mein Ticket umgebucht. So daß ich jetzt schon am 17. Nov. und nicht erst am 29. Nov. zurückfliege. Danach konnte ich dann noch den Brief mit meinen 95,— Dollar nach Arizona aufgeben und nach dem Greyhound auf die Keys erkundigen. Somit war dieser Tag organisatorisch gesehen mal wieder echt produktiv. Nebenbei konnte ich einer Deutschen am Flughafen mit meiner Telefonkarte aus der Patsche helfen. Sie war schon fast den Tränen nahe, weil sie mit dem Telefonieren hier auch nicht zurecht kam. Jetzt werde ich dann ins Hostel zurückfahren und meine Kla-motten mal wieder waschen und morgen dann auf die Keys hinausfahren, um dann die letzte Etappe in Angriff zu nehmen.
Jetzt wird es glaube ich doch noch spaßig! Gerade habe ich das Hostel in Key West angerufen und die haben mir dann mitgeteilt, daß sie ausgebucht sind, so daß ich morgen, wenn ich dort ankomme erst ein-mal nach etwas anderem suchen muß. Das ist dann der Spaß, den ich meinte. Aber ich denke es muß dort noch ein anderes Hostel geben, daß von einem Deutschen geführt wird, so daß ich morgen wahr-scheinlich vor Ort mehr erreichen werde, als von hier aus.

53. Tag (28. Oktober 1994)

O.k., heute habe ich mal wieder meine Pläne geändert, nachdem ich mir die ganze Sache noch mal durch den Kopf gehen ließ. Ich kam dann zu dem Ergebnis, daß ich eigentlich nur an dem Oversea Highway und an dem Städtchen interessiert bin, weil ich die besseren Strände sicher schon auf Hawaii gesehen ha-be. So daß es wahrscheinlich ausreicht ein oder zwei Tage nach diesem blöden Helloween Festival in Key West zu verbringen. So werde ich es mir hier noch gemütlich machen und noch ein bißchen auf der faulen Haut liegen. Aus welchem Grund sollte ich mir jetzt auch noch Streß machen, nachdem ich ja sowieso fast schon alles gesehen habe was ich sehen wollte. Und so war ich heute auch nur am Strand und habe mir dort das bunte Treiben angesehen.

54. Tag (29. Oktober 1994)

Nachdem ich gestern also mal wieder am Strand war wollte ich mir heute dann ‘Littel Havanna’, das kubanische Viertel hier in Miami ansehen. Was ich auch getan habe. Das war dann wohl aber auch der erste Flop hier in Amerika. Es war nämlich überhaupt ganz anders, als ich mir das so vorgestellt habe. Es sah aus wie überall hier und hatte kaum einen kubanischen Flair. Ich bin danach noch durch Miami Downtown mit den ganzen Geschäften geschlendert und dann wieder zurück ins Hostel gegangen. Dort konnte ich dann noch das Hostel in Key West für zwei Nächte reservieren, so daß ich dann übermorgen doch noch dorthin komme. Ohne großen Streß!

55. Tag (30. Oktober 1994)

Es ist komisch, als ich am Strand lag ist es mir richtig aufgefallen. Ich liege hier an einem Traumstrand für viele Europäer, die Sonne scheint, es ist viel los, die Wellen rauschen heran und der Strand ist meilen-lang, aber meine Gedanken hängen immer noch an Oahu. Und ich überlege mir ewig lange, wie es sein würde oder was ich dort im nächsten Urlaub machen würde. Ich glaube alle Strände, die ich jetzt in Zu-kunft besuchen werde müssen sich in meinen Gedanken mit denen Oahu’s messen und werden sie nie erreichen.

56. Tag (31. Oktober 1994)

Florida

Ich hasse es! Da ich bei dieser Infonummer, unter der man die Abfahrtszeiten nachfragen kann nie durch-gekommen bin, bin ich heute morgen auf gut Glück zur Greyhoundstation gefahren und kam natürlich prompt ein Viertelstunde zu spät, so daß ich dann mal wieder 4 Stunden auf den nächsten Bus warten mußte. Aber zum Glück fahre ich nur noch 4 Mal mit dieser Company und werde dies dann auch noch überleben. In solchen Situationen schweifen dann die Gedanken schnell nach Deutschland, das muß ich in letzter Zeit häufiger feststellen. Nicht das ich Heimweh hätte, aber man hat halt so seine Gedanken. Was meiner Meinung nach auch verständlich sein dürfte. Schließlich bin ich jetzt auch schon 8 Wochen unter-wegs.
Es gibt doch noch Lichtblicke bei dieser Company. Der Bus nach Key West ist anders als alle anderen mit denen ich bis jetzt gefahren bin. Die Sitze sind breiter und man hat mehr Fußraum. Es ist richtig ange-nehm und könnte ruhig immer so sein.
Der Oversea Highway hier raus nach Key West ist echt beeindruckend. Es sind über 40 Brücken, die längste davon 7 Meilen.

57. Tag (01. November 1994)

Florida

Ja was soll ich heute nun schon wieder schreiben. Heute morgen habe ich das Hemingway House besich-tigt und ich würde sagen, daß ich dieses Haus auch gekauft hätte an seiner Stelle damals. Es ist absolut mein Stil. Danach war ich noch am Strand hinter dem Fort Taylor. Ein wirklich süßer Strand, wenn er nicht geschottert wäre. Aber was soll’s die Biere in der Duval Street haben es wieder ausgeglichen.

58. Tag (02. November 1994)

Nun ich war heute noch mal kurz am Strand und bin danach, auf der Suche nach einem Burger durch das Städtchen geschlendert. Um 17 00 Uhr fährt mein Bus nach Titusville. Ich hoffe bloß, daß der Start der Atlantis nicht verschoben wird. Wenn doch, werde ich gleich und nicht erst am Abend nach St. Augustine weiterfahren, um dann dort noch die letzten Tage Sommer zu genießen. Das Hostel hier in Key West war ganz ‘nett’. Zwar war das Zimmer für 6 Leute meiner Meinung nach viel zu klein und ein Gebäude wur-de gerade von Termiten gereinigt, aber darüber kann man ja hinwegsehen. Schließlich war ich schon in Schlimmeren.

59. Tag (03. November 1994)

Florida

11 56 Uhr Ortszeit hob es ab. Das Atlantis Space Shuttle vom Kennedy Space Center. Und ich habe es gesehen! Es war ein Bilderbuchstart, wie man so schön sagt. Man hatte das ganze Szenario im Blickfeld, von den letzten Countdown Minuten über das Radio bis zum Verschwinden des Shuttles im All, und nicht nur wie im TV einen Ausschnitt von 70 Sekunden länge. Es war sogar möglich etwas von diesem gigan-tischen Lärm hören, obwohl die Startrampe schätzungsweise 8 bis 10 Km entfernt ist. Verblüffend ist auch, daß man das Shuttle schon nach ca. 8 Minuten nicht mehr sah, weil es zu diesem Zeitpunkt schon so hoch war, daß es sich außerhalb der Atmosphäre befand. Der ganze Start vermittelte einem aber die ganze Zeit den Eindruck, daß es irgendwie ziemlich langsam vor sich ging. Dies ist ein absoluter Wider-spruch, aber es ist einfach so. Es ist schon toll so etwas in der Realität miterleben zu dürfen, vor allem weil hier viel Atmosphäre zu spüren war. Um uns herum standen zum Schluß so ca. 300 Leute und applaudierten nach dem gelungenen Start. In diesem Moment konnte man sich dann auch vorstellen, wie es damals bei Apollo 11 gewesen sein muß, als die ersten Menschen zum Mond flogen.

60. Tag (04. November 1994)

Nachdem ich hier gestern abend in St. Augustine angekommen bin, habe ich heute erst einmal eine Du-sche genommen, mich rasiert, meine Klamotten gewaschen und nach einem Friseur gefragt. Mit Roman dem deutschen Manager des Hostels hier komme ich ganz gut aus. Er hat mich mit dem Auto zum Strand mitgenommen und wir hatten echt viel Spaß. Die Wellen waren mit 1 bis 1 ½ m recht ansprechend. Aber wir mußten doch feststellen, daß es auch schon Winter wird in Nordflorida. Man kann nur noch 3 bis 4 Stunden am Tag an den Strand und sollte sich doch schon abends ab 23 00 Uhr einen Pullover anziehen, wenn man draußen sitzt. Gestern abend hat mir Roman noch erklärt, wie man hier einen Führerschein machen kann. Na mal sehen vielleicht am Montag. Ein Führerschein wäre natürlich das absolute Souve-nir.

61. Tag (05. November 1994)

Es wird immer mehr zum faulenzer Urlaub. Roman und ich waren heute mal wieder am Strand und an-sonsten habe ich nicht viel getan. Außer im Supermarkt ein bißchen eingekauft und mit den Leuten hier im Hostel geklönt. Na ja, die meiste Zeit hat dieser Ami aus San Diego gelabert. Er konnte dich glatt an die Wand reden, ohne daß du auch nur ein Wort verstanden hast.

62. Tag (06. November 1994)

Ich habe immer mehr das Gefühl, daß ich im Grunde eigentlich nur noch auf meinen Abreisetag warte. Als ich mich heute doch aufraffen konnte etwas anzusehen, da hatte ich nach 1 ½ Stunden schon genug und bin wieder ins Hostel zurück gegangen, um dann den restlichen Tag zu faulenzen. Aber hier war es dann auch noch ganz interessant. Roman hatte heute schon ganz schön Trappel mit dem Typ aus San Diego. Er wollte ihn heute hinausbefördern, weil er heute nacht alle Leute aufgeweckt und an jeden ein dummes Gespräch über Politik hatte. So das die Polizei hier war und er ständig von der Immig-ration geredet hat. Es war wirklich eine Schau.

64. Tag (08. November 1994)

Ich hatte es mir eigentlich schon gedacht! Mit den Führerschein wurde es nichts. Nicht weil ich Ausländer ohne Visum und Social I.D. bin, sondern weil es mir einfach zu teuer wurde, da die hier in Florida noch einen “Alkoholkurs” von mir verlangten, der nochmals 25,— Dollar gekostet hätte. 45,— Dollar für ein Souvenir waren mir dann doch zu viel. So habe ich heute zum letzten Mal die Sonne am Strand genossen. Denn die Wellen waren heute mit bis zu 2 m wirklich nicht zu verachten. Schade, daß dies heute mein letzter Sommertag war. Aber wie sagt man so schön: “Wenn es am schönsten ist soll man gehen!” Zudem fällt mir immer mehr auf, daß ich mich jedesmal überwinden muß mein Zeug zusammenzupacken und weiter zu ziehen, wenn ich irgendwo länger als 3 bis 4 Tage war. Man lebt sich einfach zu schnell ein, aber vielleicht ist es auch nur eine gewisse Reisemüdigkeit, die sich bei mir gerade so einstellt.
Gerade warte ich so auf meinen Bus nach Atlanta und habe vorhin, bevor ich etwas essen ging mein Ge-päck in der Greyhoundstation einlagern wollen für die kurze Zeit. Und was ist jetzt passiert? Was soll schon passiert sein! Die Greyhoundstation ist geschlossen, mein Gepäck ist nicht mehr zu sehen und ich kann jetzt nur noch hoffen, daß der Bus um 22 00 Uhr auch fährt und mein Rucksack schon auf dem Weg nach Atlanta ist. Aber ich muß schon feststellen, daß ich jetzt solche Situationen viel gelassener sehe. Es wird schon alles glatt gehen und mein Rucksack wieder auftauchen. Wenn nicht sehen wir weiter.

65. Tag (09. November 1994)

Atlanta, die Stadt, die 1996 die Olympischen Spiele bekommen hat. Oh je, die dürfen hier noch ganz schön klotzen. Denn hier gib es fast nichts was sehenswert ist. Und zu dem was sehenswert ist, braucht man, wenn man sich Zeit läßt vielleicht einen halben Tag.
Heute war ich dann bei Coca Cola, wo auch sonst? Es ist schon unglaublich, daß ein Produkt weltweit so gut verkauft wird. Ich denke, es ist glaube ich auch das Einzigste. Ja irgendwo müssen ja die 7.000 Fla-schen Coca Cola bleiben, die jede Sekunde auf der Welt getrunken werden.
Ich sitzt hier in dieser ‘berühmten’ Untergrund Mall und denke, daß das hier ganz gut sein könnte, wenn die Leute hier nicht die Chance verspielt hätten eine echt gute ‘Fußgängerzone’ zu schaffen. Denn man sieht hier drin nur Souvenir Läden und keine nützlichen Geschäfte, welche auch die einheimische Kund-schaft anlocken würde. Wenn ich das heute so sehe wird es sich sicherlich kaum lohnen zur Olympiade hierher zu reisen. Aber keine Angst die Amis werden dieses “Nichts” schon großartig verkaufen.

66. Tag (10. November 1994)

Heute war das Wetter wie die Stadt. Es hat fast den ganzen Tag geregnet. Aber das hat mich nicht ge-stört. Ich habe mal bei Ted Turner reingeschaut um mal zu sehen, wie von hier aus die halbe Welt in ihrem Denken beeinflußt und manipuliert wird. Im CNN Center mußte ich feststellen, daß dazu eigent-lich nicht viel dazugehört. Ein paar Computer, eine Bluescreen und ein paar hektisch wirkende Leute und fertig ist CNN.
Zuvor war ich aber an dem einzigen schönen Platz den Atlanta zu bieten hat, nämlich im Fox Theatre und es war ganz nett anzuschauen. Martin Luther King Center rundete dann das Programm, welches ich mir gestern aufgespart habe, ab.

67. Tag (11. November 1994)

Washington

Nach der Nachtfahrt von St Augustine nach Atlanta bin ich heute nach Washington D.C. am Tag un-terwegs. Ich wollte einfach meine letzte große, 13-stündige Greyhoundfahrt noch mal in vollen Zügen “ge-nießen”. Als ich dann hier endlich um 21 00 Uhr ankam hatte ich keine Lust mehr und bin mit einem Taxi zum Hostel gefahren. Dort traf ich noch 2 Mädels, die in Chicago Aupair sind und mit denen bin ich dann noch in eine Kneipe gegangen bin, um den Tag noch auslaufen zu lassen.

68. Tag (12. November 1994)

Washington

Als erstes wollte ich heute Bill besuchen, aber auf den Einlaß ins Weiße Haus hätte ich 2 Stunden warten müssen, was mir dann doch zuviel war. Und so mußte Bill dann doch auf meine Bekanntschaft verzich-ten. Pech gehabt Bill! Danach bin ich dann die Mall zum Capitol hinunter gelaufen und habe mir auf dem Weg dorthin noch das Air and Space Museum angeschaut. Das war das erste Museum, welches echt super war.
Im Moment sitze ich gerade in der Union Station, ein absolut überraschender Bahnhof für amerikanische Verhältnisse. Mit Einkaufspassagen, Restaurants und einem stilvollen Ambiente. Schöner als viele deut-sche Bahnhöfe. Washington ist eben ganz anders als alle anderen Städte der USA. Hier spürt man überall die Nähe zur Regierung und zur Weltpolitik. Washington ist deshalb wohl auch die einzige amerikanische Stadt, die sich auch für die Welt interessiert und nicht nur für Amerika.

69. Tag (13. November 1994)

Washington erschlägt einen mit seinen vielen Gedenkstätten. Vor allem dieser Arlington Friedhof. Es ist im Grunde kein Friedhof, sondern eine Heroisierung von Opfern, die ihr Leben für “Frieden und Freiheit” gegeben haben.

70. Tag (14. November 1994)

Washington

Nun sitze ich schon wieder vor einem Eingang und warte auf eine Führung. Diesmal durch das FBI Ge-bäude. Ich bin extra noch mal einen Tag länger in Washington geblieben, weil viele gesagt haben, daß es sehenswert ist.
Gestern abend war ich mit Adam einem Schotten, der in Deutschland studiert mal wieder im Planet Hol-lywood und hinterher sind wir dann noch ins Kino gegangen. Forrest Gump mit Tom Hanks war ein netter Film und das verblüffendste daran war, daß ich den Film auch noch verstanden habe.
Apropo Film! So langsam glaube ich nicht mehr, daß meine Bilder noch was werden, denn sooft wie mei-ne Kamera und die Filme durchleuchtet wurden kann es eigentlich gar nicht sein. Heute schon wieder 2 mal. Einmal beim FBI und das zweite mal im Pentagon. Die Führung durch das FBI war richtig spekta-kulär. Es gab über 5.000 beschlagnahmte Waffen zu sehen, darunter ganze Maschinengewehre und der Karabiner von Lee Harvey Oswalt. Außerdem gab es noch beschlagnahmten Schmuck und sonstige Wertgegenstände zu sehen. Aber der Höhepunkt war natürlich die Vorführung des FBI Agenten, der mit seinen Revolver und seiner Maschinenpistole in eine Pappfigur feuerte.
Ganz so spektakulär ging es im Pentagon natürlich nicht zu, aber das größte Bürogebäude der Welt be-eindruckte allein durch seine Größe schon enorm. So viele verschiedene Militärs wie hier an einem Ort sind, wird man wohl sonst nirgends auf der Welt mehr zu sehen bekommen. Ich sah sogar einen 4 Sterne General, der Mitglied des Generalstab ist an mir vorbeilaufen,. Einfach unglaublich!

71. Tag (15. November 1994)

New York

Nun sitze ich im Bus zu meiner letzten Fahrt von Washington D.C. nach New York. Dann bin ich wieder da angekommen, von wo aus ich gestartet bin. Heute fahre ich schon wesentlich gelassener nach New York, als an dem Tag an dem ich nach New York geflogen bin. Ja so ändern sich die Zeiten und so schnell ist nun dieser riesengroße Urlaub auch vorbei gegangen. Schade!
Jetzt bin ich wieder in New York, und da ich schon einige andere amerikanische Städte gesehen habe, wird es mir klar, warum New York als die hektischste Stadt der Welt bezeichnet wird. Hier kann man nicht einfach gelassen auf der Straße schlendern, man wird automatisch von dieser sich ständig in Bewe-gung befindlichen Masse von Menschen angesteckt. Nun ist es auch kein Wunder mehr, daß ich am An-fang hier völlig rotiert habe. Selbst jetzt fällt mir manchmal auf, daß ich mir so Fragen stelle wie: “Wo bin ich eigentlich?, Was will ich eigentlich?, Wo will ich eigentlich hin?” Im nachhinein gesehen war es eigentlich total verrückt als erstes gleich nach New York zu fliegen. Da gibt es sicherlich ruhigere Aus-gangsorte.
Aber was soll’s, so genieße ich die letzten 1 ½ Tage Shopping hier noch, und fliege dann zurück nach Deutschland.

72. Tag (16. November 1994)

So das war also mein letzter voller Tag in Amerika. Ich war heute den ganzen Tag einkaufen, und es ist schon wahnsinnig, was man hier alles Einkaufen kann. Kein Wunder, daß die ‘Großen’ dieser Welt hierher zum Einkaufen kommen. Der Flair dieser Luxuskaufhäuser an der Fifth Avenue ist unbeschreib-lich. Wenn Pullover zwischen 350,— und 470,— Dollar kosten, dann ist dort auch entsprechendes Publi-kum. Von Tiffany brauche ich erst gar nicht zu reden. Ich habe es auch erst gerade gemerkt, als ich den Rucksack gepackt und die Kreditkartenzettel zusammengerechnet habe, wie schnell man hier dem Kauf-rausch verfällt. Aber es war toll, vor allem, wenn man die ganzen Leute sieht und schon die erste Weih-nachtsstimmung aufkommt, dann kann man es so richtig genießen.

73. Tag (17. November 1994)

So jetzt warte ich nur noch auf das Bording und dann bye bye USA.
Auf jeden Fall freue ich mich jetzt wieder auf zu Hause. Nicht mehr die ganze Zeit englisch reden, nicht mehr nach einem Hostel suchen, nicht mehr auf der Suche nach irgendwelchen Busverbindungen, Sehens-würdigkeiten oder Sonstigen zu sein. Endlich mal wieder richtiges Essen, mal wieder Freunde treffen, rich-tiges Bier trinken und mal wieder all die gewöhnlichen Dinge tun, die man erst vermißt, wenn man mal längere Zeit nicht zu Hause ist. Auf der anderen Seite werde ich aber auch einiges aus der USA vermis-sen. 24 Stunden geöffnete Läden und dieses unbeschreibliche Easy Living. Aber ich glaube trotzdem, daß die Staaten, so schön sie auch sein mögen, kein Land zum Leben für mich wären. Zum Reisen absolut genial!
Und zum Schluß muß ich jetzt doch noch sagen, daß es das Beste war alleine unterwegs gewesen zu sein und ich bin auch fest davon überzeugt, daß ich das Beste daraus gemacht habe und es super angetroffen habe. Greyhound war schon ein ziemliches Abenteuer, auf eine gewisse Art auch spaßig, und man muß es mal gemacht habe, aber ich denke ich werde wohl auf zukünftigen Trips durch die USA auf die Dienste dieser Company verzichten. Es war eine lange Zeit und eine schöne Zeit! Der Anfang meiner Reise liegt schon so weit zurück, daß ich erst einmal meine Bilder anschauen muß, um zu glauben, daß ich dort war. Die zurückliegend Zeit erscheint mir gerade so irreal. — Es war am Schluß eigentlich gar keine Reise mehr. Es war das Leben von, einer Stadt in die Nächste zu ziehen!